Die nächsten Monate standen im Zeichen des Unterwegsseins und der Musik. Wenige Tage, nachdem sich Pia den kleinen Zeh gebrochen hatte, verbrachten wir ein Wochenende in Karlsruhe, spazierten durch den Zoo, besuchten meinen alten Buddy Mustafa mal wieder und lauschten abends den Klängen von Sophie Zelmani und Band. Die Eintracht qualifizierte sich am letzten Spieltag für die Champions League, während die Eintracht-Frauen ihren Vorsprung verspielten und Dritte wurden. Immerhin. Meinem Vater ging es derweil immer schlechter – aber er hielt tapfer die Stellung.

Und schon saßen wir im Flieger nach Faro. Vor uns lagen acht Tage an der Ostalgarve. Wir teilten uns die Wohnung mit mehreren Leuten, unter anderem Anja und Peter, die sich hier in Fuseta ein Häuschen gekauft hatten und dabei waren, es auszubauen. Es war eine herrlich entspannte Zeit. Wir trafen Antonio wieder, der ins Casa Corvo zurückgekehrt war und zusehen musste, wie Sporting Meister wurde. Sein Herz schlägt für Benfica. Wir radelten nach Tavira und lauschten einem Fado-Konzert in der dortigen Kirche, nahmen die Fähre an den Strand der Ilha de Fuseta und spazierten nach Olhão. Die Tage vergingen wie im Flug.

Zurück in der Heimat paddelten wir über die Lahn, und die Mekons spielten in der Brotfabrik. Claudia und Kai feierten bei fabelhafter Musik ihren Geburtstag. Kurz darauf saßen wir in der Bahn und rollten über Hamburg nach Rostock, feierten mit Heike und Gerry ganz in der Nähe deren Wiegenfest und spazierten an der Ostsee entlang. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Über Nürnberg und Regensburg reisten wir nach Prag, entdeckten in Regensburg einen Milchpilz und feierten in Prag im strömenden Regen Bruce Springsteen, den ich ein paar Tage später noch einmal in Frankfurt erleben durfte – diesmal im Trockenen. Ich fuhr mit dem Roller nach Mainz zu Patti Smith in die Zitadelle – und im T-Shirt wieder nach Hause.
Mein Vater wanderte über die Kurzzeitpflege ins Krankenhaus und von dort dann Anfang des Sommers dauerhaft in ein Pflegeheim nach Seligenstadt. Zuhause war’s unmöglich geworden. Meine Mutter besuchte ihn täglich, während meine Schwester, die Kids und ich ihn so oft es ging besuchten. Der Rollator war sein ständiger Begleiter, dennoch konnte er sich oft nicht auf den Beinen halten. Sein Kopf schwebte immer häufiger in völlig anderen Sphären. Aber er erkannte uns – und er lachte.

Wir radelten an freien Tagen in den Hafen 2 oder lungerten im Günthersburgpark beim Stoffel herum und freuten uns bei Naomi Westlake. Unterdessen saß ich schreibend an einem kleinen Büchlein über den Frauenfußball bei der Eintracht und fuhr ein paar Tage im Monat für das Zahnlabor meine Zähne durch die Gegend. Montags trafen wir unsere Freunde, feierten bei Heike im Garten und zitterten mit Kathrins Schützling Aileen im Hammerwurf der Frauen, die tatsächlich Deutsche Meisterin wurde.

New Model Army spielten im überfüllten Colos-Saal in Aschaffenburg bei gefühlten 45°, und im Kino lief ein ziemlich cooler Film über die allererste inoffizielle Weltmeisterschaft im Frauenfußball: Copa 71. Maria und Marc feierten eine bezaubernde Hochzeit in Ladenburg.

Ende Juli stand für mich dann die nächste größere Reise an. Ich konnte günstig Zugtickets nach Malmö ergattern und rollte mitten in der Nacht nach Hamburg, um wenig später in Kopenhagen den Zug nach Malmö zu nehmen. Einer meiner Lebensträume bestand darin, einmal die Öresundbrücke zu sehen – nur geriet die Fahrt über die Brücke zur Enttäuschung, da der Zug nicht darüber fuhr, sondern unterhalb der Autospur. Ich hatte es verdrängt. Aber nur kurz nach meiner Ankunft brachte mich ein Bus an den Öresund, und ich spazierte in rechter Ruhe zur Brücke – ich war doch noch am Ziel. Majestätisch spannten sich die Bögen bis nach Kopenhagen, und in der Mitte segelten die Boote hindurch.

Ich spazierte durch Malmö, schlurfte zwischen den Kanälen hindurch, besuchte den Turning Torso und wanderte im Regen am Öresund entlang. Am folgenden Tag brachte mich der Bus nach Ystad, dem Ort, in dem Mankells fiktiver Kommissar Wallander wirkte, und in der dortigen Touristeninformation erfuhr ich, dass nur wenige Kilometer entfernt am gleichen Abend Sophie Zelmani auftreten sollte. Ich besorgte mir ein Ticket und rollte mit dem Bus durch Schonen bis nach Löderup. Dort, am Rande der Welt, wurde auf einer Wiese gegrillt, Menschen saßen auf Bierbänken, und im anliegenden Kulturhäuslein trat am Abend dann Sophie auf. Es war herzigst.

Im Sommer spielten die Rick’n’Rills im Orange Beach, der dieses Jahr dann seine Pforten schließen musste. Kettcar traten überzeugend in der Central Station auf, im Open-Air-Kino sah ich mit Flo Kneecap, einen klasse Film über eine nordirische Band, die leider, leider eine Haltung zur Hisbollah und zu Palästina an den Tag legt, die ich nicht teilen kann. Wir radelten am Main entlang, tranken alkoholfreies Bier bei Lola Montez oder lauschten den Proben des HR-Sinfonieorchesters am Main. Auf meinen Wegen fotografierte ich viele Graffiti.

Das Eintracht-Museum hatte über den Sommer geschlossen und eröffnete nach dem Umbau im August seine Pforten. Die Saison begann mit unserer Waldtribüne gegen Werder Bremen. Mein Neffe Timm hatte ja schon seit zwei Jahren seine Dauerkarte, meine Nichte Luna konnte meine nutzen – beide sind in die Fußspuren meines Vaters getreten. Timm läuft sogar den gleichen Weg von der Louisa ins Stadion. Und auf dem Museumsuferfest hatten wir unseren Auftritt mit Stepi. Derweil liefen die Planungen für unsere Hochzeit auf Korfu auf Hochtouren. Und das Büchlein nahm Formen an.

Hier ist der erste Teil des Rückblicks.