Auf der Mitgliederversammlung der Frankfurter Eintracht wurde Präsident Peter Fischer mit knapp 99% der Stimmen wiedergewählt. Dies war nicht zwingend zu erwarten gewesen, immerhin hatte er zuvor klare Kante gegen die AfD gezeigt und auf die Unvereinbarkeit zwischen der Haltung führender AfDler und Teile des Anhangs sowie der Satzung der Eintracht hingewiesen. Man hätte also meinen können, es gäbe AfD Sympathisanten innerhalb die Eintracht, die sich dem Präsidenten verweigern. Bis auf 11 Ausnahmen, die sich enthielten oder mit „Nein“ stimmten, war dem nicht so.

Schon Wochen zuvor hatten Fischers Aussagen, die zunächst in der FAZ erschienen, später im HR wiederholt wurden, große Wellen geschlagen, seither hielt sich Fischer in der Öffentlichkeit zurück – um bei der Mitgliederversammlung in einer fulminanten Rede seine Position zu bekräftigen. Die meisten der Anwesenden dankten es ihm mit Standing Ovations. Folglich war Fischer anschließend ein gefragter Gesprächspartner. Auftritte folgten bei heute, im Aktuellen Sportstudio und bei Sky. Weitere Anfragen gab es zuhauf, Fischer jedoch beschränkte sich auf das Wesentliche – und das war schon bitter genug. Denn nicht etwa rassistische Vorfälle beim Fußball, zu denen auch Kevin Prince Boateng einiges zu erzählen hat – oder aber Babelsberg 03, zu denen wir noch kommen, wurden zum Gegenstand gemacht, viel mehr musste sich Fischer rechtfertigen. Während Marietta Slomka im ZDF schnurstracks den Bogen zu „Gewaltbereiten Ultras“ zog, scheinbar das einzige, was ihr zum Thema Ultras einfällt und somit indirekt die ein oder andere Prügelei gleichsetzte mit den Folgen völkischen Unmuts, der sich in brennenden Flüchtlingsheimen oder rassistischen Attacken auf Einzelne äußert und der durch Aussagen führender AfDler genährt wird, legte Moderator Sven Voss im Sportstudio noch eine Schippe drauf und unterzog Fischer nahezu inquisitorisch einer peinlichen Fragerunde.

Jetzt ist es nicht die Aufgabe eines Moderators, seinem Gast nach dem Mund zu reden. Von daher ist es legitim, kritische Fragen zu stellen, auch um die Option zu generieren, darauf entsprechend zu antworten. Die Fragen zum Politischen mit „Brauchten sie das Thema für ihre Wiederwahl“ zu beginnen, lässt einen jedoch schon fassungslos zurück. Zum einen war Peter Fischer der einzige Kandidat und zum anderen war klar, dass es ihn eher Stimmen kosten würde, nämlich die derer, die sich provoziert fühlten. Dass es bei der Wahl anders kam, war zumindest für mich überraschend. Weniger überraschend dann doch die Tatsache, dass die, die im Schatten der virtuellen Welt über sich hinauswachsen, im Lichte keinen Arsch in der Hose haben. Spätestens als Voss kurz darauf fabulierte, dass es ja leicht sei, auf die AfD einzuschlagen, wenn man weiß, dass es bei der Wahl schaden würde, purzelten Fragezeichen umeinand. Was um Himmels Willen meint er damit? Fischer blieb erstaunlich gelassen und ruhig.

Untermalt wurde der Beitrag mit Bilder aus der Kurve – und welch Zufall, wir sahen unkommentierte Aufnahmen aus einem Spiel, in dem der Block 40 gesperrt war. Man hätte Bilder von hunderten von Spielen zeigen können, in denen die Kurve vollbesetzt war, Höhepunkt in Berlin beim Pokalfinale – aber nein, subtil wird auch hier ein Bogen zu den „Gewaltbereiten Fans“ geschlagen. Keine Rede dabei von unsinnigen Kollektivstrafen, kein Hinweis, inwiefern die Aufnahmen zum Thema passen. Dafür durfte Hans-Jörg Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, ordentlich vor Akten stehend zum Besten geben, dass er kein Verständnis für die Ausgrenzung „Andersdenkender“ habe, und wir dies schon einmal gehabt hätten. Also unmittelbar der Verweis auf die Ausgrenzung der Juden während der NS-Zeit. Diese unsägliche Parallele blieb unwidersprochen. Auch die Gleichsetzung Fischer mit den Nazis, die mit dieser Aussage gemeint war, blieb bestehen. Im Gegenteil, der Beitrag setzte Fischer unter Druck, eine nichtvollzogene Ausgrenzung zu begründen, um nicht in einen Topf mit den Faschisten geworfen zu werden. Die Tendenz, auch im folgenden war klar. Fischer grenzt aus, und wenn die AfD, weshalb nicht auch andere. Die, die eigentlich ausgrenzen, die Täter, werden zu Opfern und der, der sich dagegen stellt, zum Täter. Es war ein erbärmliches Schauspiel, welches sich das ZDF und Sven Voss leisteten. Philipp Köster und der Stadtneurotiker haben bereits klar darauf hingewiesen.

Kurz darauf ist Peter Fischer zu Gast bei sky – und auch hier wird es äußerst merkwürdig. Ewald Lienen verweist im Gespräch auf die eher suboptimale Situation im Sportstudio und zieht seinen Hut vor Fischer – und wird von Moderator Patrick Wasserziehr abrupt abgewürgt. Zudem gibt Wasserziehr zu, das Sportstudio nicht in Gänze gesehen zu haben. Welch ein Faux Pas, als Moderator sich nicht mit dem naheliegendsten zur Vorbereitung auf seinen Gast zu beschäftigen. Welch Desinteresse an seinem Gast und dem Thema zeigt sich. Und welche Haltung steckt auch hier dahinter? Lasst die Gelder fließen und stört uns nicht mit Nebensächlichkeiten wie politische Realität – dafür machen wir einmal im Jahr eine schicke Kampagne gegen Rassismus, so ganz allgemein und ohne störende Wirklichkeit oder gar Auseinandersetzung.

Denn wer sich ernsthaft, mit dem Thema auseinandersetzt, bekommt Schwierigkeiten – auch von Institutionen, von denen man theoretisch, also ganz eigentlich, anderes erwarten könnte. Zumindest solange, eine gewisse Naivität vorherrscht. Bestes Beispiel ist derzeit Babelsberg 03. Deren Partie gegen Energie Cottbus wurde im April 2017 abgebrochen, da „Fans“ von Cottbus unter Antisemitischen Rufen, Hitlergrüßen und Pyro den Platz gestürmt hatten. Die Fans von Babelsberg antworteten mit „Nazischweine-raus“. Der NOFV (Nordost-Deutscher-Fußballverband) sanktionierte daraufhin beide Vereine, reduzierte aber die Strafe für Cottbus. Die antisemitischen und nationalsozialistischen Rufe jedoch will im Verband niemand gehört haben, die Strafe gilt für Pyrovergehen. Selbst Energie Cottbus sieht das eindeutig: „Wir sprechen hier von Personen, die sowohl der losen als auch organisierten rechtsextremen Klientel zuzuordnen sind. Mitglieder der Gruppen Inferno Cottbus und Unbequeme Jugend, mit dabei war auch zweifelsfrei eine nicht unwesentliche Anzahl von Personen der „New Society“ Chemnitz … Zudem distanzieren wir uns klar von diesen Stören und vor allem von Neonazis.Babelsberg soll für „Nazischweine raus“ bezahlen – und weigert sich.

Unfassbar. Unfassbar allerdings ist auch die folgende Entwicklung, die der Club Babelsberg 03 hier ausführlich darstellt. Der Verband redet sich um Kopf und Kragen, begründet Fehler mit „missglückten Copy und Paste“ und zieht genau die Register, die man von der AfD regelmäßig hört, wenn allzu grobe Peinlichkeiten auffällig werden. „Es war der Praktikant“ oder „Ich bin auf der Maus ausgerutscht“. Am Pranger des Verbandes steht jedoch weiterhin Babelsberg, die sich ähnlich wie Peter Fischer dafür rechtfertigen müssen, „Gegen Nazis“ zu sein. Der Preis dafür sind Anwalts- und Prozesskosten sowie die Beschäftigung mit einem drohendem Ausschluss aus der Liga, der allerdings nunmehr vom Tisch scheint, (oder doch nicht?)kurz, ein kleinerer Verein wie Babelsberg 03 läuft Gefahr, seine Existenz zu verlieren, weil er sich gegen Nazis stellt. Vielleicht kann ja die Eintracht mit einem Freundschaftsspiel dazu beitragen, dass es nicht soweit kommt.