Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Fahr Rad

Es gibt ja hervorragende Bloggerkollegen, die immer mal wieder einen Beitrag über das ungehörige Verhalten der Radler im Straßenverkehr einstellen. Das Stadtkind hat hier darüber berichtet, der kiezneurotiker hier. Ein PI der Radhasser gab’s ne zeitlang hier. Berlin und Frankfurt scheinen sich da nichts zu nehmen. Ist der Fahrradfahrer also der Salafist der Blogger. Blogefahra?

Ich bin ja oft und gerne mit dem Rad unterwegs. Jedoch auch zu Fuß. Mit dem Auto. Und früher auch mit dem Motorrad. Kurz: Ich bin gerne unterwegs. Und ich gebe es zu. Ich fahre auch auf Bürgersteigen. Das ist reiner Selbstschutz. Zwischen Straßenbahnen, Pflastersteinen, abrupt endenden Radwegen und telefonierenden Blondchen in übergroßen PKWs ist der Bürgersteig oftmals die einzige Möglichkeit, als Radler in der Stadt zu überleben.

Natürlich gibt es die Trottel. Die mit Anzug und Helm stoisch auf der Fahrbahn gondeln und den breiten Radweg nebenan gänzlich ignorieren. Oder die Speedmacher, denen alles im Weg ist, sogar ihr eigenes Leben. Die große Mehrzahl aber bahnt sich ihren Weg durch die Stadt vor allem mit dem Hintergrund, allem aus dem Weg zu gehen, was die eigene Sicherheit gefährdet. Und dies möglichst effizient.

Denn jeder Radfahrer lernt zwangsläufig vorausschauend zu fahren, da ihm jeder Fehler der anderen zum Verhängnis werden kann. Dem Autofahrer kann das egal sein. Rückwärts aus der Parklücke? Logo, wenn’s knallt, bin ich versichert. Mal schnell rechts abbiegen? Klar. Wenn sich dabei ein Fahrradfahrer unter die Auspuffrohre wickelt, zahlt’s die Krankenkasse, Hauptsache keine Kratzer an der Kiste.

In Frankfurt gibt seit einiger Zeit für Radler in einigen Einbahnstraßen die Vorgabe, entgegen der Autofahrtrichtung fahren zu müssen. Hat man ja früher eh gemacht. Während der Autofahrer gemeinhin gnadenlos sein Recht beansprucht und selbstverständlich die Straße entlang brettert, kämpft der Radler hingegen schon vom ersten Moment an mit Schuldgefühlen. Und mit der Idiotie der anderen. Und um sein Leben. Selbstverständlich ist man der Depp, wenn Fußgänger ohne zu schauen auf die Straße spazieren, am besten noch mit Köter an der 10 Meter Leine und man voll in die Eisen geht, um nicht per Salto über den Lenker zu wuppen. Selbstverständlich bremst man ab, wenn einem ein Einfamilienhaus auf Rädern entgegen kommt, dessen Lenker wahrscheinlich gar nicht weiß, dass die Kiste auch bremsen kann. Das natürliche Recht des Autofahrers besteht aus freier Fahrt auf allen Wegen. Alle anderen Verkehrsteilnehmer sind Hindernisse, die aus dem Weg geräumt gehören.

Am allerbesten sind die Horste, die dem Radfahrer absichtlich den Weg verengen, obgleich noch genug Platz für beide wäre, nur um ihn zu disziplinieren. Und das, obgleich der Radler vorschriftsgemäß unterwegs ist. Das Paradebeispiel in Frankfurt dafür ist die Wiesenstraße in Bornheim. So wie neulich. Ich zöckel mit meinem 50 Jahre alten Rad mit Einkaufskörbchen auf dem Gepäckträger die Wiesenstraße hoch. Natürlich parken etliche Spacken im absoluten Halteverbot „Nur ganz kurz“ und verengen die Straße mehr als nötig. Von oben kommt mir so ein Tanker entgegen. kaum sieht er mich, lenkt er n Tacken nach links, um die Straße dicht zu machen. Er glüht schon jetzt. Es wird eng, ich mache langsam, er drückt mich mit unveränderter Geschwindigkeit fast an die Bürgersteigkannte. Was macht der geneigte Radler? A: Sich klein und B: Reflexartig an die Scheibe rotzen, der Tritt in die Tür kann teuer werden. Ok, dass die Scheibe unten war, habe ich erst später gesehen. Natürlich bremst der Vogel, während ich noch zitternd am Bürgersteig stehe, steigt aus und bläst sich auf. Natürlich ist er mit mir gleich per Du, ich verstehe nur: „Verboten und aufs Maul“. Mit Argumenten brauche ich nicht zu kommen. Er will gar nicht wissen, dass ich hier fahren durfte, er will gar nicht wissen, dass es sogar im Falle einer Regelmissachtung meinerseits bei entsprechendem Entgegenkommen locker für beide gereicht hätte. Er bläst sich auf, die Augen treten aus den Höhlen, die Faust geht hoch, er textet mich wutentbrannt zu. Ich habe nur zwei Möglichkeiten. Ohne Worte ihm sofort eins auf die Nase zu geben oder sofortige innere Emigration. Wie meist entscheide ich mich für Letzteres. Ein bisschen Gepöbel und das war’s. Ein anderer Radler, der das Ganze mit angesehen hat, beruhigt mich. Zitternd fahre ich weiter. Klassiker.

Es ist völlig absurd, als Radler auf seinem Recht zu bestehen, es würde nach einem Tag entweder in der Unfallklinik oder auf dem Friedhof enden. Macht mal den Versuch. Fahrt nur mal an einem Tag an der Ampel geradeaus, ohne auf den Wagen nebenan zu achten, der nach rechts abbiegt. Fahrt mal sorglos auf dem Fahrradweg ohne darauf zu achten, welcher Beifahrer im Begriff ist, die Tür zu öffnen. Fahrt mal entgegen der Einbahnstraße ohne auf die zu achten, die im Begriff sind, den Bürgersteig zu verlassen. Fahrt mal mit Schmackes auf den Radwegen in der City. Ruckzuck hast du eine Selfiepappnase umgenietet. Oder klebst an der Beifahrertür.

In all den Jahrzehnten habe ich allerdings auf dem Rad noch nie großartige Auseinandersetzungen mit Fußgängern oder anderen Radlern gehabt – außer einmal im Jahr mit den Deppen, die gewaltsam auf ihrem Recht bestehen. Das sind die Fußgänger, die dich auf dem Bürgersteig schon von weitem sehen und die die letzte Minute nur dich im Visier hatten, um in allerletzter Sekunde dir absichtlich vor die Speichen zu laufen, um in allerallerletzen Sekunde wieder zurückzuziehen, nur um zu beweisen, WIE gefährlich dein Verhalten gerade ist – obgleich es noch nicht einmal guten Willens bedurfte, diese Gefahr nicht mal im Ansatz entstehen zu lassen. Oder die Radler, die dir auf dem Radweg entgegen kommen, weil du nicht einsiehst, fünf Kreuzungen zu überqueren, nur um auf der richtigen Seite zu fahren, da der Radweg breit genug für drei ist. Siehe auch: Miquelallee. Da kommt er dann, der Allesrichtigmacher, drängt dich zur Seite – und hat RECHT. Fick dich.

Aber in den allermeisten Fällen, sogar auf der Zeil, umgondelt man Gefahren, macht langsam, klingelt kurz bei Bedarf oder ruft lässig „Obacht“, bedankt sich und fährt seines Wegs. So mache ich es, so machen es die meisten und so kommen wir damit eigentlich ganz gut durch, vorausgesetzt die Neurotiker haben mal kurz Sendepause. Noch nie hat ein Radfahrer eine Kreuzung zugestellt, noch nie in zweiter Reihe auf dem Radweg geparkt und noch nie ist einer rückwärts aus einer Einfahrt auf die Straße geschossen.

Der Radfahrer kann sich in relativer Entspanntheit seine Freiheit nehmen. Freiheit. Er kann rote Ampel ignorieren, auf dem Bürgersteig fahren und Abkürzungen nehmen, ohne jemanden außer sich selbst zu gefährden, weil er gelernt hat, aus Selbstschutz Rücksicht zu nehmen. Und anstatt es dem Autofahrer beizubringen, aus Selbstschutz Rücksicht zu nehmen, läuft die Choose genau andersrum. Die Freiheit wird weiter eingeschränkt. Das darf man nicht, dies wird strenger kontrolliert, hier muss noch gegängelt werden und da noch verboten. Die Folge sieht man dann im Straßenverkehr: Die Volltrottel sehen nicht zu, wie sie elegant für alle durchkommen, nein sie beharren auf ihrem beschissenem Recht. Und dafür scheinen dann alle Mittel recht. Wie im richtigen Leben.

12 Kommentare

  1. Herr Ärmel

    Frankfurt ist eine der deutschen Städte, die zu den ungünstigen für Radfahrer zählt. Fahr nur mal die Eschersheimer Landstrasse vom Weissen Stein in die Innenstadt. Das dreimal in der Woche und die Taler für einen Ädwendscher-Sörweiwelurlaub sind eingespart. Der absolute Wahnsinn. Du hast es hervorragend beschrieben.

    Meine Lebensversicherung ist die dynamoähnliche seit Jahrzehnten verbotene Zugglocke – Horrido!

    • Beve

      Strategien des Überlebens. So wichtig wie ein kleines Steak :-)

  2. F.D.Trautmann

    Fick dich Radweggeisterfahrer. Hoffe dich nietet mal einer um. Erst erzählst du uns wie im recht du bist gegnüber einem Autohonk in der Wiesenstrasse, und im nächsten Moment laberst du Müll weil du zu faul bist die richtige Strassenseite zu benutzen. Fährts du mit dem Auto auch gegn die Einbahnstrasse weil es sonst zu unbquem wird?

    • Beve

      Ah, wird lustig. Nein, ich erzähle nicht, dass ich im Recht war, sondern, dass ich mich nicht umfahren lassen möchte. Warst du der Trottel neulich?

    • Pia Zorn

      Getroffene Trottel bellen. Wuff.

  3. Kid

    Ich gehe und fahre – früher meist Rad, heut meist Auto. Und Trottel hat’s dabei überall. Und Rücksichtslose. Die, die mit der Gesundheit und dem Leben anderer spielen. (Was sie mit ihrem machen, ist mir dabei egal.)

    Sie kotzen mich alle an. Die, die auf ihrem „Recht“ bestehen, und die, die gerne der Stärkere sind. Die, die andere erziehen wollen, und die, die in Kauf nehmen, andere umzunieten.

    Es stimmt natürlich, Beve. Fahrradfahren in der Stadt ist gefährlich. Fußgänger zu sein, aber halt auch. Mittlerweile selbst im Wald, wo die „ich-fahr-gegen-meine-Uhr-und-du-löst-dich-besser-in-Luft-auf“-Biker unterwegs sind. Und Autofahren ist auch kein Spaß. Wegen der vielen Trottel. Und längst nicht alle fahren Auto. Ein Trottel, bleibt nun mal ein Trottel. Ob er zu Fuß geht oder fährt.

    Ein bisschen mehr Rücksicht täte allen gut – auf der Straße, auf dem Fahrradweg und dem Bürgersteig. Passiert halt nicht. Weil Menschen so sind, wie sie sind. Egoisten. Rechthaber. Besserwisser.

    Und irgendwas davon bin ich sicher auch. Vielleicht nicht immer, aber manchmal. Und damit immer noch zu oft.

    • Beve

      Der Fußgänger lebt vor allem dann gefährlich, da er permanent Gefahr läuft, mit dem Smartphone in der Hand gegen einen Laternenmast zu knallen oder auf die Fahrbahn zu latschen. Im Ernst, die Biker im Wald laufen unter „Speedmacher“, da gebe ich dir Recht und Trottel bleibt Trottel, egal wo. Wobei ich der Überzeugung bin, dass die Aggression geschützt durch den Blechrahmen exorbitant steigt. Viele mutieren im Auto. Klappt bei mir auch :-)

      • Kid

        Ein paar von den Smartphone-Junkies / Smartphone-Zombies verdanken mir den Fortbestand ihrer Gesundheit. Gemerkt haben sie es allerdings nicht. Mit einer Ausnahme: Die hat mich beschimpft, weil ich gebremst habe und sie sich erschrocken hat, weil plötzlich ein Auto vor ihr stand. Ich zweifle aber daran, dass es ihr auf oder unter meiner Motoraube besser gefallen hätte. ;-)

        Das mit der Aggression und dem Blech kann gut sein. Wie eine Rüstung. Helm auf. Augen zu und durch. Oder so. ;-)

  4. Andi

    Hab jetzt nicht alles gelesen, schliesse mich aber von der Grundstimmung her dem hochgeschätzen Autor an!

  5. Andi

    So, hab jetzt alles gelesen und muss mich korrigieren:

    Du. Hast. Ja. So. Recht!

  6. propain

    Ich fahre hauptsächlich Auto, merke aber immer wieder wie schwer es viele Radfahrer haben. Alleine die ganzen Autofahrer die meinen auf Radwegen parken zu müssen sind schwer zu ertragen, denn deswegen müssen Radfahrer auf die Straße ausweichen und das führt immer wieder zu gefährlichen Situationen. Aber mir gehen auch die Radfahrer auf den Sack die trotz Radweg meinen auf der Straße fahren zu müssen oder die die ohne Licht auf unbeleuchteten Landstraßen unterwegs sind. Kurz und knapp, es gibt auf allen Seiten Narren, der Unterschied dabei ist nur das es für Radfahrer richtig gefährlich werden kann.

    • Beve

      Genau so ist es.

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