Es war jetzt schon das dritte Mal, dass wir uns auf die Reise nach Korfu machten, zum dritten Mal in die gleiche Unterkunft. Zum dritten Mal mit Mietwagen, wir hatten Glück, der kleine zerschrammte Hyundai i10 brauchte keine fünf Liter Sprit und kostete inklusive Versicherung keine 30 Euro am Tag, das geht auch anders. Eigentlich bin ich ja kein Freund von ritualisierten Urlauben, aber hier passt einach alles.

Flug und Übernachtung sind nicht allzuteuer, die Unterkunft ist sehr relaxed, die Gastgeber nunmehr fast schon Freunde, der Weg zum Strand durch einen Olivenhain zu Fuß machbar, und ins Dorf hoch sind es auch keine 10 Minuten. Dort gibt es zwei taverneske Cafés eine fantastische Pizzeria und zwei Minimärkte, wobei wir regelmäßig im kleineren Notwendiges einkaufen, für größere Einkäufe fahren wir ein paar Minuten nach Lefkimmi, der nächst größere Ort, der kaum Touristen beherbergt. Überhaupt ist der Südwesten im September recht ruhig. Natürlich drängen sich an manchen Spots auch hier die Urlauber, aber wenn du zur richtigen Zeit unterwegs bist, oder an den richtigen Orten, hast du auch in Meerestavernen oder am Sandstrand deine Ruhe. Das ist ja das Schöne an den Menschen, sie legen sich alle in der brütenden Hitze an den Strand, mieten sich alle  für Geld Liegen und Sonnenschirme und können den heißen Sand kaum betreten. Am späten Nachmittag gehen sie alle dann erschöpft nach Hause, jetzt kannst du dich entspannt in den Sand legen, brauchst keinen Sonnenschirm, und läufst später in den Sonnenuntergang. Dabei musst du von Zeit zu Zeit aufpassen, dass dir kein Instapärchen vor die Linse springt. Alles in allem kann ich sagen, dass Korfu sehr unterschiedlich ist und es viele Orte gibt, vor allem je nördlicher du kommst, die nicht zu meinen Lieblingsplätzen gehören – aber rund um unser kleines Dorf bin ich schon ausgesprochen gerne. Von mir aus auch wieder im nächsten Jahr. Wir haben neue Tavernen und Cafés ausprobiert, neue Wege entdeckt und uns auf vertrautem Terrain bewegt. Dieses Jahr war geprägt von einigen Wandertouren, von ein paar Tagen Regen zu Beginn und von einer entspannten Zeit. Und zum dritten Mal traf ich in Korfu auf Bekannte. Diesmal Alex und Andi, die sowohl beim Hin- als auch beim Rückflug im gleichen Flieger saßen.

Zwei Ereignisse ragten dann doch neben vielen schönen Begenungen heraus. Zum einen der Moment, als ich auf dem Heimweg in den sternenklaren Nachthimmel blickte und etwas entdeckte, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Eine sich am Himmel bewegende Lichterkette, als hätte der Schlitten des Weihnachtsmannes beleuchete Fensterrahmen. Es war zu langsam und zu niedrig für ein Flugzeug, zu lange präsent für eine Sternschnuppe und wir starrten in die dunkle, nahezu magische, Sommernacht und blickten verzaubert dem seltsamen Gefährt nach. Die Auflösung der Erscheinung erbrachte ein Blick ins Internet. In jener Nacht sahen wir einen der Starlink Satelliten von Elon Musk über  uns vorüberziehen, eine durchaus posaische Aufklärung eines poetischen Momentes.

Die andere Geschichte klingt ein wenig skurriler. Wir gondelten mit dem Auto die Südostküste von Boukari  bis Petriti entlang, untermalt von den Klängen Pablus (So weit weg wie es geht), Weils (du) und Franceys (Letzten Sommer). Die kleine Straße führt direkt am Wasser entlang, wenn dir jemand entgegen kommt, muss eine Lösung gefunden werden – und es findet sich stets auch eine. In Petriti bog der Weg ins Landesinnere, wir fuhren hoch bis nach Notos und von dort wieder nach unten. Bei der Taverne Electras Garden fanden wir einen eleganten Parkplatz und stiegen durch die Stufen der Taverne, die auf einigen Ebenen Sitzpätze mit fantastischem Ausblick bietet und unten dazu  ein paar Liegen an der kleinen Bucht, hinunter. Ein Steg führt ins Meer, von dessen Ende eine rostige Leiter ins „Tiefe“ führt. Wir besorgten uns einen Café, legten uns auf freie Liegen, schwammen an der Ostküste mit Blick aufs Festland und genossen die Ruhe, wie die paar Menschen neben uns auch. Ganz vorne auf den Steg legte sich eine junge Frau mit gelben Bikini auf ihr Handtuch, sonnte sich und es war Sommer.

Dann durchdrang eine Signal die Stille. Ein zweites. Ich schlug die Augen auf. Blinzelte.

Ein Ausflugsboot schickte sich an, am Steg festzumachen, wie gebannt schaute ich auf das nun folgende Szenario, auf den Einbruch der wirklichen Welt ins Idyll. Es war kurz nach 15 Uhr. Routiniert legte das Boot an und binnen Sekunden verließen 60, 70 Menschen eventbeachmäßig gekleidet aufgeregt das Schiff, kesselten die sich sonnende junge Frau quasi ein, sprangen vom Steg ins Wasser, liefen mit Taucherbrillen den Weg entlang, drängten sich auf das steinerne Plateau, auf dem die paar Liegen kaum Platz hatten, quetschten sich in jede freie Ecke, zogen sich um, Socken wurden in Riechweite ausgezogen, Kinder lautsstark zurecht gewiesen, und die ersten schnorchelten dort, wo du in 70 cm Tiefe die wenigen Fische auch mit bloßem Auge übder dem sandigen Boden erkennst. Es war ein Schwatzen, ein Jauchzen, ein aufgeregt Geschnatter rund um uns  und die Urlauber füllten die kleine Bucht vollständig aus. Urlaubsfeelingdruckbetankung. Ich kam gar nicht dazu, mich aufzuregen oder zynisch zu reagieren, weil mein Hirn sich weigerte, zu glauben was sich vor unseren Augen abspielte. Bin ich in einem Film von Gerhart Polt gelandet? Kommt gleich ein lachender Kurt Felix um die Ecke?

Als ich realisierte, was sich hier gerade abspielte, schoben sich die fröhlichen Menschen wie auf einen geheimen Befehl hin wie durch einen Trichter zurück ins Boot, ein kurzes Hupen und schon legte das Schiff nach exakt 45 Minuten wieder ab und binnen Kurzem war es  außer Blickweite. Die Stille klatschte auf uns hernieder, die Frau im gelben Bikini lag einsam vorne am Steg, sie sonnte sich – und es war Sommer. Ich ging ins Wasser.