Das Pfingstwochenende begann eigentlich schon am Donnerstagabend, als das Museum der Eintracht zu einer Veranstaltung anlässlich des Aufstiegs vor 25 Jahren lud, die ich mal wieder moderieren durfte. Als Gäste konnten wir wie angekündigt Alex Schur und Thomas Zampach begrüßen – nur Ansgar Brinkmann hatte kurzfristig abgesagt. Für ihn kam Uwe „Zico“ Bindewald. Dazu gesellten sich mit Guido Derckum und Andy Klünder zwei Eintrachtler, welche die Fanszene Ende der 90er maßgeblich mitgeprägt hatten. Ultras, Fanabteilung, Museum oder der Internetauftritt gingen damals mit auf ihre Kappe. Tradition zum Anfassen as its best.

Natürlich wurde es ein hochinteressanter Abend vor quasi ausverkauftem Haus. Und lustig dazu. Natürlich erinnerten wir uns an den damaligen Präsidenten Rolf Heller, der den Fans die Tür zur Mitsprache öffnete, an Trainer Horst Ehrmantraut, der die Eintracht wieder auf Kurs brachte und seinen bewegenden Abgang, den niemand der damals dabei war, jemals vergessen wird. Wir begaben uns auf eine Zeitreise ins alte Waldstadion, die Eintracht führte nach fünf Siegen die Tabelle an, Fußballgott Zampach zelebrierte das 4:1 gegen Nürnberg mit einer Taucherbrille samt Schnorchel, die Physio Lutz Meinl schon vor Anpfiff parat legte. Alex Schur hatte noch heute mit seiner Leistung gegen Bernd Schneider zu kämpfen, der damals für Jena kickte und keine der Partien gegen die Eintracht verlor. Zico absolvierte alles Spiele und war auch dabei, als die Eintracht es versäumte, den Aufstieg auf St. Pauli klar zu machen. Dafür durfte die Truppe am nächsten Morgen im Ausgehanzug im Park auslaufen. Eine Woche später reichte das 2:2 gegen Mainz dann drei Spieltage vor Schluss zum Aufstieg – und wir fluteten den Rasen. Nach dem 4:2 gegen Fortuna Köln wurde Eintracht Frankfurt sogar zum ersten und einzigen Mal Zweitligameister. Der Deutsche Meister Friedel Lutz hingegen war in der Saison 1997/98 Zeugwart und sorgte für manch bleibende Erinnerung. So fragten ihn neue Spieler, wo den die Titus-Therme sei, in der die Mannschaft zuweilen ihr Krafttraining absolvierte. Seine Antwort. „Weißt du, wo der Bahnhof ist?“ Der Spieler bejahte brav und Lutz fuhr fort: „Da isses net!“

Kurz, es war ein vergnüglicher Abend, an den wir erfuhren, dass es später unter Magath zur Strafe Kaiserschmarrnverbot gab. Oder um es mit den Worten von Alex Schur zu sagen: „Magath holte alles aus uns heraus. Solange, bis nichts mehr drin war.“

Einen Tag später konnten wir auf der Waldtribüne Michael Brehl begrüßen, der beim Auswärtsspiel im Marseille durch Pyrotechnik schwer verletzt wurde und bis heute zwar das Gröbste überstanden hat – aber noch nicht vollständig genesen ist. Kurz nachdem ihn die Leuchtmasse am Hals getroffen hatte, dachte er, sein letztes Stündlein hätte geschlagen . Doch seine Lebensgefährtin und eine zufällig in der Nähe stehende Ärztin leistende Erstverorgung und verhinderten Schlimmeres. Was Michael nicht wusste, dass die Ärztin, die er seither nicht getroffen hatte, ebenfalls anwesend war. Eintracht-Vorstand Philipp Reschke hatte ihre Anwesenheit organisiert, und so enterte er die Bühne, holte Julia Treiber dazu, auch Präsident Peter Fischer gesellte sich zu uns  und wir können sagen, dass es im Folgenden recht emotional zuging. Julia wurde mit einer lebenslänglichen Mitgliedschaft geehrt und als ihr noch zwei Dauerkarten in die Hand gedrückt wurden, kullerten die Tränchen. Michael freute sich riesig über ihre Gegenwart und bedankte sich aufs Herzlichste. Anschließend sprach der Präsident warme Worte – und wir können uns in einem halben Jahr auf einen sentimentalen Abschied einstellen. Zuvor allerdings werden wir uns den Pokal holen.

Oben im Block 43 G hockten alle, die in den letzten Jahren immer da waren. Christian, Kathrin, Michi, Petra und Tom sowie Pia und ich vefolgten das Spiel gegen Freiburg zum letzten Mal auf unseren Sitzplätzen, die im kommenden Jahr Stehplätze sein werden. Die Eintracht begann sommerlich, die Freiburger hatten viele Fans mitgebracht und die größte Aufregung schien die Mainzer Führung in Dortmund zu sein. Und das 0-1 kurz vor dem Halbzeitpfiff. So entsponn sich ein Fußballnachmittag, der an historische letzte Spieltage erinnerte. Begonnen hatte alles eigentlich in der dritten Liga, als die Fans des SV Wehen-Wiesbaden im Gefühl des sicheren Aufstiegs den Platz stürmten, um dann mit zu erleben, wie der VfL Osnabrück bei Dortmund II durch zwei Treffer in der Nachspielzeit doch noch direkt aufstieg und Wehen in die Relegation schickte. Auch in der Bundesliga wurde es dramatisch. Erst legte Bochum gegen Leverkusen vor und schickte sich an, in der Liga zu bleiben. Dann ging die bereits abgestiegene Hertha in Wolfsburg in Führung – und damit hatte die Eintracht urpötzlich die Chance, zumidest den siebten Platz klar zu machen, der für die Konferenzliga berechtig. Es fehlten halt noch zwei Tore. Die Fans, die zuvor sich selbst und die Mannschaft in einen Tiefschlaf gesungen hatten, wachten auf und die gesamte Eintracht machte prompt wieder einmal Eintrachtdinge und drehte das Spiel durch Tore von Kolo Muani und Ebimbe. Eintracht Frankfurt international. Am End fehlten lumpige zwei Törchen, um auch noch Leverkusen einzuholen, die gegen Bochum mit 0:3 verloren und dem VfL zum Klassenerhalt gratulieren durften. Währenddessen vergeigte der BVB die sicher geglaubte Meisterschaft und schaffte es nicht, gegen Mainz zu gewinnnen, während die Bayern in der 89. Minute das Tor zum Titel erzielten. Alles wie immer also. Und da der VfB Stuttgart es nicht packte, Hoffenheim zu besiegen, durften sie in die Relegation während sich Augsburg auf ein weiteres Jahr Bundesliga freut und Schalke direkt absteigt. Da war was los.

Nach Spielende ging es erst im Museum hoch her, da dort das Pokalfinale 2018 lief und wir schon wieder Pokalsieger wurden – und selbst fünf Jahre danach noch mehr Gefühle offenbarten als Leipzig jemals. Anschließend tobte die Bembelbar am Gleisdreieck bei Apfelwein und Mispelchen und es wurde laut und schmutzig. Hey ho – lets go!

Am nächsten Mittag ging es ganz ohne Arbeit mit kurzen Hosen und Fischerhut Richtung Brentanobad. Im dortigen Stadion feierten die Eintrachtfrauen ihren Saisonabschluss bei strahlendem Sonnenschein gegen den abstiegsbedrohten SV Meppen. Die Eintracht, die Laura Feiersinger, Sjoeke Nuesken und Camilla Klüver verabschiedete, dachte keineswegs daran, hier Punkte zu verschenken und legte los wie die Feuerwehr, Meppen konnte nur in den ersten Minuten mithalten. Zuvor gab es eine kleine Choreo der Nutria Bande, die an die alten Zeiten des 1. FFC erinnerte und sich nun einer goldenen Zukunft zuwand. Die Schlangen am Bierstand wurden lang und länger – stoisch holten sich die Zuschauer ihren Sonnenbrand ab – ein Zustand, der sich das ganze Jahr hinzog und in der kommenden Saison sich sicher ändern sollte.

Die Atmosphäre im Brentanobad ist stets recht entspannt, hier ein bisschen Support, hier ein bisschen Gebabbel. Du siehst Eintrachttrikots der Männer, die der Frauen und auch die alten des FFC und was mir eigentlich zupass kommt, es fehlt eigentlich völlig die meist männliche Aggressivität rund um das Spiel, jene alkoholgeschwängerte Asozialität und Gruppendominanz. Ich mag das, gechillt Fußball gucken inmitten einer bunten rot-schwarz-weißen Gesellschaft.  Emotionen, egal welcher Art, kommen von ganz alleine. Wobei: Frag mich das nochmal während des Pokalendspiels. Gut, vor uns befanden sich zwei Jungs, die Härteres gewohnt sind und aus ihrer Verachtung gegenüber den Dingen sowie ihrer eigenen Überlegenheit keinen Hehl machten – und sogar Freundlichkeit unterdrückten, als sich diese unvermittelt Bahn brach. 6:0 hieß es am Ende für die Eintracht, die sich feiern ließ, Meppen musste runter, ebenso wie Potsdam, die bei ihrem vorerst letzten Bundesligaauftritt von den Bayern:innen 11:1 vermöbelt wurden.

Nachmittags schaffte es Heidenheim dann, durch zwei Tore in der Nachspielzeit den auf den Rasen stürmenden feiernden HSVlern den schon sicher geglaubten Aufstieg zu vermasseln – ein weiterer sinnloser Platzsturm in der Geschichte der digitalen Kommunikation. So oder so Leute, ihr solltet es langsam wissen: Schluss ist erst, wenn überall abgepfiffen wurde – und der VAR den Rechner zuklappt. Für die Eintracht aber gilt es,  noch eine Woche lang durchzuhalten, um dann in Berlin zum sechsten Mal den Pokal zu holen. Alles andere ist keine Option. Für uns. Und für den Fußball.