Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Marcus Wiebusch in der Peterskirche

Es war im Jahr 2002. Ich suchte in einer großen Suchmaschine nach Songs, die sich in irgendeiner Art und Weise ums Taxi drehen. Klar, Jawoll mit Taxi fällt dir sofort ein oder das Taxi nach Paris von Felix de Luxe. Vanessa Paradise Joe le Taxi, DÖF Taxi, Westernhagen Taximann und natürlich der Soundtrack von Taxi Driver.

Und während dieser Suche fiel mir ein Lied auf, ein Lied von einer Band, die ich bis dahin noch gar nicht kannte. Ich konnte sie auch nicht kennen, da sie wenige Wochen zuvor erst ihr erstes Album veröffentlicht hatte: Kettcar mit Du und wieviel von deinen Freunden, für meinen Geschmack auch die bislang beste Platte der Hamburger. Der Song heißt Im Taxi weinen und ist bis heute einer meiner Allzeitfavoriten.

Der Sänger von Kettcar, Marcus Wiebusch, hatte zuvor eine Band namens … But Alive, die eher punkig daherkamen, und veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Soloplatte (mit eigener Band). Diese trägt den Namen Konfetti und daraus wurde vor allem der Song Der Tag wird kommen populär, der Homsexualität und Fußball zum Thema hat:

All ihr homophoben Vollidioten, all ihr dummen Hater
All ihr Forums-Vollschreiber, all ihr Schreibtischtäter
All ihr miesen Kleingeister mit Wachstumsschmerzen
All ihr Bibel-Zitierer mit euer’m Hass im Herzen
All ihr Funktionäre mit dem gemeinsamen Nenner
All ihr harten Herdentiere, all ihr echten Männer
Kommt zusammen und bildet eine Front
Und dann seht zu was kommt

Marcus Wiebusch und Band traten am 1.11 in der Peterskirche in Frankfurt auf. Am angrenzenden Friedhof hatte ich vor über zwanzig Jahren zwar eine Fotosession, immerhin liegen hier auch die Eltern Goethes begraben, als Konzertort hatte ich bislang jedoch noch nicht das Vergnügen. So war mir auch neu, dass in der Peterskirche keine Gottesdienste mehr abgehalten werden – von daher kam der Veranstaltungssaal keineswegs sakral daher, im Innen erinnert nichts an das Äußere der Kirche, die derzeit renoviert wird. Bedauerlich, nicht die Renovierung, sondern die weltliche Gestaltung des Innenraumes, ich mag sie ja, diese kryptische Atmosphäre alter Kirchen, durchdrungen von imaginären Chören alter, weiser Mönche.

Das Konzert war gut besucht und erstaunlicher Weise waren sehr viele sehr junge Menschen anwesend. Erstaunlich deshalb, da Marcus Wiebusch auch schon über zwanzig Jahre Musik macht. Aber die einstigen… But Alive Anhänger haben wohl bei Kettcar die Segel gestrichen. Irgendwie hatte das Ganze einen sehr studentischen Einschlag, alle brav. Acht Musiker tummelten sich auf der kleinen Bühne, der Sound war ordentlich und leere Pfandflaschen wurden für das Wasserprojekt Viva con Agua gesammelt. Das Projekt kommt übrigens aus St. Pauli, die Vorband aus Mainz und die Aftershow sollte in Offenbach stattfinden. Ersteres ist ja völlig in Ordnung, der Rest: Naja.

Der Auftritt ähnelte in etwa der Konzert-Cd Live aus dem Heimathafen, aber was soll ein Musiker groß anderes spielen, der Solo nur eine CD veröffentlicht hat und die Kettcar-Songs eben mit Kettcar spielt. Auffällig die Bläserarrangements. Um eine Show in voller Länge zu präsentieren, präsentierte die Band neben allen Liedern der Platte auch einige Kettcarsongs und auch ein Stück von … But alive. Dazu kam ein alter Song von einem früheren Demo Tape: Was hätten wir denn tun sollen. Auf Zurufe des Publikums nach bestimmten Songs reagierte Wiebusch freundlich unwirsch: Hier ist kein Wunschkonzert. Immerhin wurde aus Konfettikanonnen buntes Konfetti versprüht, passend zum Albumtitel.

Wie von der Live-CD gekannt, war der Tag wird kommen keine Bestandteil der Zugabe, sondern der letzte Song davor, natürlich der Höhepunkt des Konzertes, obgleich mir die Präsentation von Deiche am Besten gefallen hat, wie mir generell die druckvollen Sachen meist näher stehen und ich mit den Ausflügen in Rap-ähnliche Gefilde nicht so viel anfangen kann. Das mag Geschmackssache sein. Letzlich aber war es ein freundliches Konzert an einem ungewöhnlichen Ort, der gar nicht so ungewöhnlich daher kommt. Hier für euch ein weniger bekannter Song: Das Böse besiegen. Und das geht so:

Hier noch die Setlist des Abends:

Springen – Das Böse besiegen – Jede Zeit hat ihre Pest – Wir waren eine Gang – Balkon gegenüber – Off – Schwarzes Konfetti – Nur einmal rächen – Was wir tun werden – Haters Gonna Hate – Lattenmessen – Vergiss den Quatsch – Der Tag wird kommen –

Zugabe:

Was hätten wir denn tun sollen – Der Fernsehturm liebt den Mond – Deiche

 

9 Kommentare

  1. rotundschwarz

    Es ist immer gut zu wissen, wie man das Böse besiegen kann. Was und wo auch immer es ist. Konfetti in der Paulskirche dagegen finde ich ausgesprochen garstig.

    • Beve

      Ganz so garstig war es dann doch nicht, da der Raum in der Tat ein Veranstaltungsraum geworden ist. Zumal der Albumtitel Wiebuschs so lautet.

  2. Pia

    @Rotundschwarz
    Nicht die Paulskirche, es war die Peterskirche! In dem verlinkten Wikipediaartikel ist das beschrieben, dass der Umbau zur Jugend-Kultur-Kirche erfolgte.
    Das Konzert war großartig, mir haben insbesondere die die Band begleitenden Bläser gefallen.
    Und Marcus Wiebusch ist schon ein cooler Typ!

    • Beve

      Ah. Paulskirche.

    • rotundschwarz

      Klarer Fall von „Vor lauter P die Kirche nicht mehr gesehen“

      Cooler Typ? Yep :)

  3. Schnellinger

    Und von wegen Paulskirche und Konfetti. Wenn ich daran denke was wir damals dort bei der Theateraufführung von Faust I+II, bei der ich Bühnentechniker war, alles so herumgeworfen haben. Allabendlich bin ich oben ins Kuppeldach geklettert und habe Geldscheine regnen lassen. Unkonfettiert. Sind ja nicht in Mainz.
    Garstig :D

  4. rotundschwarz

    Hihi. Danke sehr für die Erläuterungen. Wie gut, dass beim Zug in Meenz nicht mit Kreuzen geworfen wird. Geldscheine würde ich nehmen. Aber was wollte Faust damit? Gretchen kaufen? Mephisto bestechen?

    Bühnentechnik? Heey…spannender Job!

    • Schnellinger

      Das arme Gretchen ist da schon hinüber.
      In Faust II, Mummenschanz, jammert der Kaiser gegenüber Mephisto „Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn“ Und Mephisto erschafft das Papiergeld.
      Eine Szene, die man unzufälligerweise auch als großes Wandgemälde in der Eingangshalle der Hessischen Landeszentralbank findet. Papiergeld! Und alle Bankster so : YEAH!. ;-)

      »Zu wissen sei es jedem ders begehrt: / Der Zettel hier
      ist tausend Kronen wert. / Ihm liegt gesichert als ge-
      wisses Pfand / Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland./
      Nun ist gesorgt damit der reiche Schatz / Sogleich ge-
      hoben, diene zum Ersatz.«

      Ich vergaß zu erwähnen das in der gleichen Szene natürlich auch anständig Bühnen-Pyro abgefackelt wurde. Amtlich genehmigt ;-)
      »Ein flammendes Inferno, das die Masken der Anwesenden verbrennt und schließlich von Faust gelöscht wird, beschließt den Mummenschanz.«

  5. Beve

    Schnelliger. Faust. Geldregen. Pyro. Hört sich gut an :-)

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