Die fünfte Reihe der Spurensuche, die das Eintracht Museum gemeinsam mit der Fanbetreuung und dem Fritz Bauer Institut ins Leben gerufen hatte und sich vorwiegend mit der Eintracht in der NS-Zeit auseinandersetzt, führte uns am 25. Januar 2025 (Zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz) ins ehemalige KZ nach Osthofen.

Nach zähem Ringen mit der hiesigen Bevölkerung, beherbergt die einstige Papierfabrik seit Mitte der 90-Jahre eine Gedenkstätte, die 2004 vollendet wurde. Osthofen, zwischen Mainz und Worms gelegen, damals im Voksstaat Hessen, war eines der ersten Konzentrationslager. Errichtet kurz nach der „Machtergreifung“ 1933 hatte es bis Juli 1934 Bestand. 3.500 Häftlinge durchlitten das Lager, fast alle waren politische Gefangene. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftler. Auch viele Juden, die hier inhaftiert waren, engagierten sich politisch, andere wurden denunziert. Richard Kirn, ein Wormser Journalist, der auch über die Eintracht berichtete, wurde im Januar 1934 hier eingesperrt – und leitete nach Kriegsende viele Jahre die Lokalredaktion der Frankfurter Neuen Presse.

Die Verweildauer variierte zwischen einem Tag und mehreren Monaten, die Bedingungen waren hart. Die Namenslisten der Häftlinge sind heute unvollständig, sicher dokumentiert ist der Aufenthalt von acht Frauen, die jedoch das Lager vor Nachtanbruch verlassen durften. Gleichwohl ist im KZ Osthofen niemand verstorben, obgleich Misshandlung, Schikane und Folter auf der Tagesordung stand, auch die Ernährung war mangelhaft. Ein Drahtverhau, die sogenannte Arena, diente dazu, die Häftlinge bis zur Erschöpfung im Kreis laufen zu lassen. Bis zu 350 arme Seelen hausten gleichzeitig in der ehemaligen Lagerhalle, die noch heute feucht und eisigkalt ist. Die Reinigung der Latrinen oblag den jüdischen Gefangenen – mit Essgeschirr oder den bloßen Händen, die Wachleute drangsalierten sie zudem und der Gestank isolierte sie von ihren Mitgefangenen, deren Antisemitismus jedoch oftmals keinen Grund brauchte.

Lagerleiter war Karl D’Angelo, ein Osthofener Druckereibesitzer, der seine Arbeit ehrenamtlich verrichtete, sich selbst nicht die Hände schmutzig machte (dafür hatte er seine Leute) – und Häftlinge auch für sich privat arbeiten ließ. Einschüchterung und Brechen des Widerstandes standen im Vordergrund, auch die regionalen Zeitungen berichtet damals (anders als bei Auschwitz) über das Lager. Etliche Häftlinge dachen bei der Entlassung, sie hätten das Schlimmste hinter sich. Eine Einschätzung, von der wir heute wissen, dass sie ein fataler Irrtum war. Andere stellten in der Hoffnung, der Spuk habe bald ein Ende, ihren Widerstand ein, wurden vorsichtig

Zwei Fluchtversuche sind sicher geglückt, Wilhelm Vogel, Widerstandskämpfer aus Worms, schloss sich im Anschluss den Internationalen Brigaden an, kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco und überlebte den Bürger- aber auch den Zweiten Weltkrieg. Max Tschornicki , dessen Aufzeichnungen womöglich die Grundlage für Anna Seghers Werk „Das siebte Kreuz“ bildeten, starb 1945 wenige Tage vor der Befreiung Dachaus in einem Außenlager.

Nach Auflösung des KZ (die größere Anlage in  Dachau waren nunmehr in Betrieb) wurde das Gelände eine Möbelfabrik, es beherbergte nach dem Krieg einen Recyclingshof und verfiel zusehends – bis ehemalige Häftlinge 1972 vor Ort eine Gedenkstunde abhalten wollten: „Ich kann mich noch gut daran erin­nern, als wir hier vorm Tor standen und als Nestbe­schmutzer beschimpft wurden“, sagt Philipp Wahl, ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Osthofen.“ 1978 wurde dem damaligen Besitzer abgerungen, eine Gedanktafel anbringen zu dürfen. Erst 1982 begann der schleichende Prozess, das Lager als Gedenkstätte zu etablieren – trotz des Widerstandes eines erheblichen Teils der Bevölkerung, die in einer Nacht- und Nebelaktion einen zigmeterhohen Schornstein eigenhändig demontierte, um zu verhindern, dass er als KZ-Wahrzeichen wahrgenommen wird, obgleich hier kein Krematorium stand. Die Menschen sorgten sich um den Ruf des Ortes, um den Weinverkauf und wussten von nichts, nur dass es nicht so schlimm war, das wussten sie sicher. Aber es gab auch Unterstützung in Osthofen und letztlich wurde mit der Eröffnung der Dauerausstellung „Verfolgung und Widerstand in Rheinland-Pfalz 1933-1945“ im Mai 2004 … auch der Ausbau des Hauptgebäudes der Gedenkstätte KZ Osthofen beendet.

Sorgen wir also dafür, dass sich die Verhältnisse nie wieder in Richtung Faschsimus bewegen. Es begann nicht mit Vernichtung, es begann mit der Ausschaltung der Widerworte und der Gleichschaltung, auch der Medien. Um es mit den Worten von Sonny zusagen: Bleibt hellhörig.