Sonntag kurz nach 13 Uhr, wir fliegen über Frankfurt, tief unten mäandert der Main durch die Stadt, dahinter ragt die Skyline in die Höhe. In knapp vier Stunden werden Pia und ich auf der Waldtribüne stehen, kurz danach wird der Anpfiff zur Bundesligapartie der Eintracht gegen Schalke erfolgen. Hinter uns liegen 13 Stunden Reise. Und vier fantastische Tage. Davon wird nun die Rede sein.

Alles begann mit einem Tweet von Basti_Red, der einen Pauschalurlaub anlässlich der Europapokaltour der Eintracht zum Spiel gegen Apollon Limassol in Nikosia gebucht hatte. Die Unterkunft lag in Nordzypern, also im türkischen Teil der Insel, eine Hotelanlage mit Pool, ein paar Schritte vom Meer entfernt. Das klang verlockend, aber wir waren gerade auf Korfu und hatten die Reise zum Auswärtsspiel in Rom im Dezember schon gebucht. Aber nach einigem hin und her entschieden wir uns doch dabei zu sein, irgendwie ist das Leben ja dann doch zu kurz, um auf europäische Auswärtsspiele der Eintracht zu verzichten. Mittlerweile hatten sich noch eine ganze Menge andere Eintrachtler dem Projekt „Reisegruppe Zypern“ angeschlossen – und aus der anfänglichen Idee, mit dem Taxi am Spieltag anzureisen, wurde am Ende ein 18er Bus, doch dazu später.

Letztlich buchten wir einen Trip über vier Tage, natürlich im gleichen Hotel – und da Niko mit Ariane den gleichen Joker gezogen hatte, startete unsere kleine Reisegruppe am Mittwoch gegen elf Uhr im Frankfurter Nordend mit der Straßenbahnlinie 12 Richtung Konsti. Das Gepäck war überschaubar, nicht mit dabei waren für Pia und mich die grauen Hoodies, welche die Ultras hatten anfertigen lassen. Ich hatte grad keine Lust auf neue Klamotten, mein Kleiderschrank quillt sowieso über und Pia hatte die Aktion nicht wirklich auf dem Schirm. Aber dann denkst du doch, wäre ja eigentlich ganz schön, so ein Teil zu haben, zumal mich die kleine Reisegruppe argumentativ schwer bearbeitete. So versuchten wir dann doch noch zwei Pullis auf dem kurzen Dienstweg zu organisieren.

Seit geraumer Zeit geht mir die Fliegerei ja schwer auf den Senkel. Anstehen, einchecken, anstehen, Passkontrolle, anstehen, Sicherheitscheck, rumlungern, warten, anstehen, boarding, warten, kleine Sitze, zumal wir über Istanbul flogen und dort das Procedere noch einmal auf uns wartete – aber was macht man nicht alles für die Eintracht. Zwischendrin die Suche nach Raucherräumen, den Unorten, wie Freund Flo diese Plätze traditionell bezeichnet, es ist schon recht zermürbend. Als wir endlich im Flieger saßen, zog ich mir die Kopfhörer über, hörte Lisa Gerrards Album Farscape, das sie gemeinsam mit Klaus Schulze aufgenommen hatte und begann zu lesen. Natürlich waren wir nicht die einzigen Eintrachtler im Flugzeug, andere plünderten die Biervorräte und schon bald ähnelte die Reise einer Auswärtsfahrt im Bus nach Köln, die Crew gab später noch klare Ansagen durch und ich dankte meinen Kopfhörern.

Der Flug verzögerte sich ein bisschen, ebenso der Umstieg in Istanbul, dazwischen lagen diverse Zeitumstellungen – während der folgenden Tage wusste ich nie, wie spät es gerade war. Aber irgendwann landeten wir in Ercan, auch der Shuttlebus zum Hotel war pünktlich vor Ort und so rollten wir bald durch die nordzypriotische Nacht, müde und ausgelaugt aber voller Vorfreude auf die kommenden Tage. Der Blick aus dem Fenster zeigte Casinos und Hotels, Hotels und Casinos, wir stoppten an verschiedenen Orten, ließen andere Mitreisende aussteigen und landeten kurz vor Mitternacht am LA Hotel in Lapta. Zu essen gab es zwar nichts mehr, dafür eine große Begrüßung der zuvor angekommenen, die bei Longdrinks und Efes am Pool saßen und es sich gut gehen ließen. Katzen schlichen umher und das wasserblau des Pools leuchtete in die Dunkelheit. Jetzt fehlten nur noch Maj und Pauline, die noch später als wir ankommen sollten, ansonsten war die Gang vollzählig und unbeschadet vor Ort. Caro hatte sogar zuvor schon einen Shuttle nach Nikosia organisiert, der große Tag konnte also getrost kommen. Schade nur, dass unser reserviertes Zimmer mit Blick auf Poolseite nicht verfügbar war und wir in der ersten Nacht das Bett mit dem Straßenlärm teilen mussten, aber wir schliefen dennoch wie die Murmeltiere und schon am nächsten Morgen konnten wir das Zimmer tauschen.

Matchday

In aller Herrgottsfrühe klingelte der Wecker – und dies mit voller Absicht. Jetzt waren wir schon acht Stunden auf Zypern und ich hatte noch nicht einmal das Meer gesehen. Durch eine Unterführung kommst du vom Hotel aus direkt an den Beachpool und dahinter wogte das Mittelmeer in die Weite. Ich hatte den Blick zuvor schon im Netz gesehen, es sieht in Wirklichkeit noch größer aus; als läge die Kante des Pools exakt am Mittelmeer. Dazwischen lugen kleine Sonnenschirmchen in die Höhe. Wir genossen die Aussicht, lauschten den Wellen und hockten alsbald beim Frühstück im Freien. Überall wanderten Katzen umher auf der Suche nach Resten des Buffets. Der kleine Supermarkt, ein paar Schritte vom Hotel entfernt, offerierte sogar an exponierter Stelle Unmengen von Katzenfutter. Mittlerweile waren auch Maj und Pauline eingetroffen und winkten fröhlich vom Balkon gegenüber.

Pünktlich wie die Maurer meldete sich unser Chauffeur vor Ort und auf die Minute genau, startete die Reisegruppe Zypern nach einem Gruppenfoto in Richtung Nikosia. Knapp eine Stunde Fahrt lag vor uns und als Hauptaufgabe der Grenzübertritt in der letzten geteilten Stadt Europas. An der Grenze selbst war wenig los, du kommst hier auch nur zu Fuß oder mit dem Rad rüber. Die ersten schafften es auch problemlos in den griechischen Teil Zyperns, doch dann durfte ein Teil der Gruppe tatsächlich nicht einreisen. Die Problematik bestand darin, dass du mit dem gleichen Pass ausreisen musst, mit dem du auch eingereist bist. Da einige von uns jedoch mit dem Reisepass eingereist sind und nun mit dem Perso raus wollten, hieß es: Stopp. Da half kein bitteln und kein betteln, sie mussten zurück ins Hotel, um die Originaldokumente zu holen.

Der Rest spazierte durch die Fußgängerzone, die schon fest in Frankfurter Hand war und fand ein Plätzchen in einem Straßencafé – und je länger wir dort saßen, um so mehr Eintrachtler liefen auf, überall ein Gudewie. So warteten wir, einerseits auf die Rückkehrer, andererseits auf schusch, der die beiden Hoodies von Pia und mir dankenswerter Weise im Gepäck hatte. Irgendwann ploppten die ersten Schöppchen auf, ich hielt mich nach den ersten Tees am hiesigen Krautzer fest, wanderte mal nach oben, mal nach unten, derweil die Griesheimer um die Ecke einen festen Platz gefunden hatten und Fässchen um Fässchen leerten. Jetzt trugen fast alle die grauen Hoodies, und irgendwann trudelte die Kunde ein, dass es sogar noch vor Ort kistenweise Pullies zu kaufen gab, so dass auch wirklich jede/r die Möglichkeit hatte, sich einzudecken. Auch die Hotelrückkehrer trafen unbeschadet ein und dann kam auch schusch um die Ecke, in der Hand eine Plastiktüte mit unseren Pullis. Kurz darauf brachen wir auf und landeten in einem kleinen Restaurant ein paar Ecken weiter – auch dort trafen wir auf etliche Eintrachtler; wir speisten gut und gerne, hatten großen Spaß mit unserer Bedienung uns suchten alsbald die Stelle auf, von der die Shuttlebusse abfahren sollten. Wir waren viele, aber keine Busse weit und breit. Die Fanbetreuung hing am Telefon und als dann doch der erste Bus eintraf, gab es kein Halten, vergessen alle gute Manieren. Letztlich sind wir dann doch alle am Stadion gelandet. Zuvor war noch die Nachricht durchgesickert, dass Gürteltaschen nun auch erlaubt seien und zu guter Letzt schafften es auch etliche Feuerzeuge durch den Einlass – beides war noch gestern als Ding der Unmöglichkeit angekündigt worden, so dass in Nikosia wohl mehr Streichhölzer als je zuvor verkauft wurden und die Mädels ihren Krempel zunächst in Plastiktüten durch die Gegend schleppten.

An Tagen wie diesen vermengt sich dann doch die Erinnerung, tausend Leute, tausend Gespräche, tausend Schöppchen, unbekannte Wege, Nachtlichter, Fußball, Europapokal. Unsere Kurve war proppenvoll, fast alle im gleichen grau, dazu die Fahnen, die Lieder und gegenüber in der Heimkurve war … niemand. So ähnlich dürfte es nur zugehen, wenn der FSV Frankfurt ein Heimspiel gegen Nürnberg in Kasierslautern austragen muss. Es war ein skurriler Anblick. Für die Frankfurter aber war es ein großer Abend, die Eintracht ging beschwingt mit 3:0 in Führung, es gab ein bisschen Pyro und eine Hoodiechoreo, es gab zwei Gegentore, die außer Kevin Trapp niemanden groß juckten, eine gelbrote Karte für Marc Stendera und als Highlight den Auftritt von Trainer Adi Hütter vor der Kurve, der groß gefeiert wurde.

Zurück wurde es dann wieder ein bisschen aufregend. Zuweilen hieß es, dass einige zypriotische Fans Ärger vorhatten, niemand wusste genaues und wir rannten förmlich zum Ausgangspunkt, um irgendwie einen Bus zu erwischen. Doch es fuhren keine Busse, Taxis waren auch nicht in Sicht und so kauften wir zypriotischen Jungs, die das Geschäft ihres Lebens machten, ein paar Dosen Bier ab (Krautzer) und guckten, was passiert. Erstmal passierte nichts, dann zog die Polizei ab und als kaum noch jemand damit rechnete, trudelte doch noch ein Shuttlebus ein. Wieder großes Gedränge und Geschiebe, aber letztlich sind dann doch wieder alle am Ausgangspunkt gelandet, auch der Grenzübergang verlief geräuschlos, niemand ging verloren und auch der Bus zum Hotel war pünktlich. So rollten wir müde und aufgeregt zugleich durch die Nacht und fielen nach einem weiteren, leicht derrangiertem, Gruppenfoto kommentarlos in die Betten. Europacup im nächsten Jahr.

Urlaub

Der nächste Morgen brachte müde Helden. Nicht jeder schaffte es zum Frühstück und wir pendelten zwischen Pool und Meer und Supermarkt und Pool und Meer und Supermarkt. Erste Longdrinks wurden gegen Mittag gesichtet, sogar mit Alkohol, Stichwort Johanna: „Keine halben Sachen“ und so verplemperten wir hoch entspannt den Tag bei Sonnenstrahl und guter Sicht auf’s Meer und bequatschten Gott und die Welt und die Eintracht sowieso. Später wanderten wir zu einem Restaurant, blickten auf’s Wasser und futterten wie die Großen, bis wir die Nacht unter großem Gebabbel, Katzenfüttern und Gelächter am Pool ausklingen ließen. Für die ersten stand dann nur wenig später die Rückreise an, der Rest hatte noch mindestens einen weiteren Tag, den Ariane, Pia, Niko und ich noch für einen Ausflug nach Kyrenia (Girne) nutzten – nachdem ich noch einen Warmwasserpool entdeckt hatte und mich fröhlich auf einer Matratze liegend durchs Wasser treiben ließ, während es draußen in Strömen goss. In Kyrenia bejubelte ich später einen Auswärtssieg für Brighton & Hove, der gar keiner war, da Cardiff in blau spielte und in der letzten Sekunde traf, nicht wie ich dachte, die Seagulls. Mit vollgepackten Tüten ging’s ins Hotel, weiter zum Abendessen und zum Ausklang auf ein Abschiedsschöppchen ins Hotel. Während Basti und Kristian mit ihren Mädels noch ein paar Tage bleiben wollten, stand für die Reisegruppe Nordend mitten in der Nacht der Shuttle zum Flughafen bereit. Todmüde rollten wir zurück zum Flughafen, ließen das übliche Prodedere über uns ergehen, hockten auf viel zu engen Sitzen, schafften auch den Anschlussflug in Istanbul und schwebten zurück nach Frankfurt. Immer wieder fielen uns die Äuglein zu – doch auf uns wartete ja noch die Waldtribüne vor dem Schalkespiel, es war ja schon wieder Matchday.

Dankenswerter Weise holte uns Heike ab, das herbstliche Frankfurt hatte uns wieder – und kaum waren wir zuhause, mussten wir schon wieder los. Mit Bum-kun und Du-ri Cha begrüßten wir hochwillkommene Gäste, Niko war auch schon wieder da und wir waren schwer erleichtert, dass wir unseren Auftritt reibungslos über die Bühne brachten. Die erste Halbzeit sahen wir noch im Stadion, aber wir waren genau so konfus, wie das dargebotene – und so packten wir in der Halbzeit unser Bündel, fuhren nach Hause und sahen noch im TV einen weiteren Sieg unserer Eintracht. Und kaum war das Spiel abgepfiffen, war auch unser Spiel vorbei. Noch beim Zähneputzen schlief ich ein. Europacup, Europacup im nächsten Jahr. Und viele Grüße an die Reisegruppe Zypern. Schön war’s.