Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Überdenken

Letztmals habe ich die Eintracht gegen Paderborn vor Ort gesehen, ein lässiges 4:0 ließ mich wenige Tage später beruhigt in den Flieger steigen. Seither sind sechs Spiele vergangen, die ernüchternde Bilanz: Zwei Unentschieden, vier Niederlagen.

Als ich 2004 für zwei Monate in Indien weilte, habe ich zuletzt sechs Spiele am Stück verpasst, die damalige Bilanz: Drei Siege, zwei Unentschieden und eine Niederlage, just als ich zuhause ankam. Was sagt uns das? Genau: Nichts. Ob ich vor Ort bleibe oder sonstwo, spielt keine Rolle für die Ergebnisse, für mein Gemüt indes ist die Tatsache, sechs Nichtsiege nicht vor Ort miterlebt zu haben von Vorteil. Obgleich, ich gebe es unumwunden zu, ich sofort nach dem Ende der letzten Partie den Tabellenrechner angeworfen habe und feststellen musste, dass bei extrem ungünstigen Verlauf der letzten Spieltage ein Abstieg durchaus drin ist. Und der ungünstige Verlauf begann mit dem Sieg des HSV in Mainz.

Jetzt bin ich schon solange dabei, dass mich wahrscheinlich nur noch wenig im Fußball und speziell bei der Eintracht erschüttern kann. Wer miterlebt hat, wie einst Dr. Peter Schuster Vorstandsvorsitzender der Eintracht wurde, kann das sicher nachvollziehen, von Fußballspielen an der Ostsee einmal ganz abgesehen. Immerhin gab es Zeiten, in denen es nicht völlig absurd war, vom Titel des Deutschen Meisters zu träumen, heutzutage verbietet sich dies nahezu für jeden Club, der nicht aus München kommt. Es sei denn, sie werden fremdfinanziert. Und damit nehmen wir die Situation der Eintracht mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis und werfen ganz kurz einen Blick auf den letzten Gegner, Werder Bremen. Was lange für die Eintracht galt, gilt noch heute auch für Werder: Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Werder als Sechster oder Siebter für die Euro-League, den einstigen Uefa-Cup qualifizieren wird. Und dennoch wird der Club von der Weser eines seiner größten Talente zur kommenden Saison in einem anderen Trikot sehen. Dies wäre nichts besonderes, so Davie Selke, im vergangenen Jahr Europameister mit der U19, zu einem Verein wechseln würde, dessen internationale Teilnahme schon jetzt verbrieft und gestempelt wäre. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Selke wechselt zu einem Verein, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in der kommenden Saison in der Zweiten Liga antreten wird, konkret nach Leipzig zum dortigen Rasenball. Dessen Geschichte wurde erzählt, sollen die Fans in den Stadien deutlich machen, was sie von diesem Club halten.

Aber gab es das schon einmal, dass ein aufstrebender Spieler, der mit seinem Verein den Einzug ins internationale Geschäft erreichen kann, aus sportlichen, selbstverständlich sportlichen Gründen, in die Zweite Liga wechselt? Und ist damit nicht alles über den Fußball im Jahr 2015 gesagt? Wobei ich der Ansicht bin, dass sich die Eintracht nicht an der Entscheidung Selkes orientieren sollte.

Das Bild auf der Startseite entstand übrigens bei einem Stadionrundgang in Frankfurt, einen Tag nachdem Selke das 1:0 für Werder gegen die Eintracht erzielt hat, es war der Siegtreffer für Bremen.

13 Kommentare

  1. ThorstenW

    Danke für die klasse Stadionführung. Hauptsache die nächste Generation Eintracht Fans ist vollauf begeistert und schrie in leere weite Rund „Eintracht, Eintracht“. Den älteren und mir fiel es echt schwer dieser Tage mit zubrüllen….

    • Beve

      Wenn man bedenkt, dass einer derjenigen, die Eintracht gebrüllt haben, ein Bayern Trikot anhatte, ist mir in dieser Hinsicht für die Zukunft nicht bange. Möge der Nachwuchs ran :-)

  2. Eintracht-Laie

    Schnell die Tabelle am 31. Spieltag der Saison 2003/04 und 2010/11 angesehen, und daraus etwas Hoffnung geschöpft.
    Aber es ist schon bitter derzeit, und es besteht wenig Hoffnung für die kommende Saison. Wieso sollte sich etwas ändern, gerade wenn der Klassenerhalt geschafft wird?

    Moderner Fußball, Leipzig und die Kohle?
    Kein neues Thema, auch wird es nicht schöner mit der Zeit, unterschreibe ich.
    Die aktuelle Misere und Situation beim Verein meines Herzens ist aber völlig unabhängig davon entstanden, grundlos. Vielleicht schafft es in 10 Jahren immer nur einmal ein anderer Verein als die Bayern Meister zu werden, vielleicht gehen die Gehälter weiter durch die Decke…mag sein.
    Aber diese Entwicklung ist nicht der Grund für unseren Zustand, was bei der Eintracht passiert hat nichts oder nur sehr wenig mit Geld haben oder nicht haben zu tun.
    Wäre es anders, man könnte es fast tröstlich nennen.

    • Beve

      Die Eintracht, und da gebe ich dir völlig recht, hätte mit dieser Truppe weitaus besser dastehen können, als es derzeit der Fall ist. Jedoch sehe ich keinerlei Hinweise für die kommende Saison, wir wissen ja noch nicht einmal, wer in der nächsten Saison erstklassig spielt, wer bleibt, wer geht. Und vorhersehbar war die jetzige Situation meines Erachtens nicht wirklich, dazu waren einige Leistungen auch in der Hinrunde zu stark. Wie es dazu kommt, dass weder gegen Gladbach noch gegen Wolfsburg verloren wurde, dafür aber gegen den VfB und Hannover nur einer von 12 möglichen Punkten geholt wurde, ist mir ein Rätsel; siehe auch: Flum, Johannes. Aber das Schöne ist, dass es mir derzeit gelingt, an einer alten Weisheit festzuhalten: Bevor isch misch uffresch, isses mir liewwer egal.

  3. Pia

    Ich finde die Eintracht Tweets zur Zeit echt faszinierend.
    Da werden keine Tore geschossen und keine Punkte geholt und man zwitschert fröhlich optimistisch vor sich hin.
    Einerseits frage ich mich, ob die das wirklich ernst meinen. Andererseits ist es fast schon eine Kunst, in der ganzen Misere etwas zu finden, was man positiv verpacken kann und dann auch noch raushaut.

    „Auch wenn die #SGE-Abwehr die Null nicht ganz halten konnte, Kevin Trapp zeigte mehr Paraden als jeder andere Keeper am 31. Spieltag: 8. *vs

    „Nur noch 6 Tage bis zum nächsten Heimspiel gegen Hoffenheim – unsere Eintracht ist seit 9 Heimspielen unbesiegt! *pi“

    • Beve

      ja, das ist mir auch aufgefallen, da fehlt es etwas an selbstironie.

  4. UliStein

    Doch, Beve. Ich finde schon dass diese Situation vorhersehbar war. Zumindest seit dem Beginn der Rückrunde als wieder der gleiche konfuse Käse gespielt wurde wie in der Hinrunde.

  5. Beve

    wir haben unter veh die letzten drei halbserien auch den gleichen käse gespielt, das ist nicht neu. dennoch dachte ich als ich los bin eher an europa als an heidenheim, sie haben ja noch immer nach grottenkicks die kurve bekommen. das hat sich geändert.

  6. alex

    Bevor ich mich über die vorhersehbare Misere einlasse, schwelge ich ausnahmsweise einmal in Nostalgie. Die meisten waren ja Mitte/Ende der Siebziger schon dabei. Vorhin mal wieder Manfred Mans Earthband mit Mighty Quinn gehört. Erinnerte mich an meine ersten Blog G Erfahrungen, dass der Song seinerzeit knarzend kurz vor dem Einlauf aufgelegt wurde. Weiß bis heute nicht, wer das damals der etwas angestaubten Stadionregie aufgetragen hatte, so kurz nach dem unvermeidlichen „Eisenbach Leut‘ vom Dach…“. Weiß das jemand? War nämlich immer groß. Hoffentlich wendet es sich noch zum Guten, egal ob wir den Club als ewiger Depp ablösen und dafür endlich mal mit kompetenten ,,, Hm, sorry wollte mich ja nicht aufregen. Gute Nacht!

  7. Goyschak

    Sei froh, daß Du das Spiel in Stuttgart nicht sehen mußtest. Spätestens dieses Spiel, als nach eigener Führung gegen diese völlig verunsicherte Trümmertruppe, deren Spieler reihenweise mit dem Ball am Fuß ins Aus gelaufen sind, die tot, mausetot war, noch aus der Hand gegeben wurde, hat mir die Augen geöffnet.

    Erinnert mich an diese Spirale des Mißerfolgs.
    http://www.fussballdaten.de/vereine/eintrachtfrankfurt/2011/#Saison
    Damals waren es acht Spiele in Folge ohne eigenen Torerfolg. Sieben in Folge kann die Eintracht in dieser Saison noch schaffen…

  8. owladler

    „Quinn,The Eskimo“ im Waldstadion? Schade, dass ich daran keine Erinnerung mehr habe. Ich erinnere noch das wohl deeskalierend gemeinte „Always look at the bright side of life“ nach Niederlagen Anfang der achtziger Jahre. Und bitte nicht G-Block mit Blog G verwechseln. Ersteres brachte mir Freude und letzteres nimmt sie mir…

    • alex

      Ja, lief meiner Erinnerung nach vor jedem Heimspiel.

      https://www.youtube.com/watch?v=QtrTJP26qxE

      bis dann ca. Mitte der 80-iger „Erbarme, zu spät…“ dran war. Klar, G-Block.

      • owladler

        Ich amüsiere mich gerade über Frank Schöbel und Frank Zander: “ Wir lieben das Leben.“ Überraschung:

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