Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

2025 – Ein Rückblick – Teil I

Dieses Jahr, am 1. Dezember kurz nach 11:30 Uhr, hörte das Herz meines Vaters für immer auf zu schlagen. Für ihn war es nach dem fürchterlichen letzten Jahr eine Erlösung, für uns bleibt ein Verlust und die Erinnerung und die Traurigkeit. So ist das Leben, von dem meine Mutter zuweilen sagte: „Denkst du, es geht ewig so weiter?“. Und insgeheim hoffte ich: Ja. Immerhin hatte er unsere Hochzeit im September auf Korfu noch mitbekommen. 

Das Jahr fing schon traurig an. Erst kam mein Vater nach einem seiner zahlreichen Stürze ins Krankenhaus.  Und als er sich eigenmächtig den Katheder entfernte, dachten wir schon, sein letztes Stündlein hätte geschlagen – doch er bekam tatsächlich noch einmal die Kurve. Im Januar erreicht mich zudem die Meldung, dass mein langjähriger Freund Thomas aus Berlin gestorben ist. Noch im November waren wir zusammen bei And also the trees und da ich Weihnachten schon wusste, dass ich Mitte März wieder in Berlin sein werde, war seine letzte SMS: Ich freu mich. Ich war dann sogar schon Anfang März in Berlin. Bei seiner Beerdigung. Dazu später mehr.

Im Januar ging es erstmal mach Hamburg, die Eintracht kickte auf St. Pauli und siegte verdient durch Marmoushs letzten Treffer. Doch der Sieg geriet in den Hintergrund, durch völlig hirnrissige Banner, die einige Fans glaubten, aufhängen zu müssen. Mein folgender Blogbeitrag erreicht eine Wahnsinnsaufmerksamkeit und brachte mich um mein Hamburg Wochenende. Auf dem Handy tippend tappste ich an der Elbe entlang und beobachtete die Schiffe. Schön wurde es erst dann abends in der Elbphilharmonie.
Immerhin ging ich wieder ins Kino, in den ersten vier Wochen gleich in vier Filme. Und – so viel sei gesagt – es wurden noch etliche mehr. Und ich beschäftigte mich erstmals mit Hörgeräten. Der Test beim Ohrenarzt fiel wenig überraschend verheerend aus. Mit der Eintracht ging es auf Spurensuche ins KZ Osthofen.

Der Februar war dann relativ unspektakulär. Die Eintracht Frauen kamen zwar zu ihrem höchsten Bundesligasieg überhaupt, 9:0 gegen Potsdam, Marmoush kickte jetzt in Manchester und wir demonstrierten gegen Rechts. Im Mal Sehn guckte ich mir Hundreds of Beavers an, im Cinema: Der Lehrer, der uns das Meer versprach. Pia schenkte mir an diesem Tag eine Filmfreund:in Karte, die ich fortan fröhlich nutzen sollte. Mein Vater pendelte derweil zwischen Krankenhaus und zuhause, meiner Mutter fiel die Pflege zunehmend schwerer

Im März dann Berlin. Pia und ich nahmen einen frühen Zug in die Hauptstadt und trudelten rechtzeitig bei Susi ein. Sie und ihre Tochter Karla waren die engsten Freunde von Thomas und Susi hatte wie immer alles organisiert. Zur Beerdigung kam Andi noch hinzu sowie etliche Freunde der letzten 30 Jahre, die ich zum Teil lange nicht mehr gesehen hatte. Beigesetzt wurde er auf dem Dorotheenstädtichen Friedhof, dort liegt er mit Bertolt Brecht, Heinrich Mann, Herbert Marcuse oder Anna Seghers in guter Gesellschaft. Abends liefen wir mit Andi durch Berlin und sausten wenig später durch die Nacht. Überraschender Weise über Wolfsburg. Das stand zwar nicht im Fahrplan, sorgte aber dafür, dass wir nicht zwei Stunden in Braunschweig oder Göttingen versauern mussten.

Kaum war ich in Frankfurt gelandet, ging es schon wieder nach Berlin, diesmal auf Spurensuche mit der Eintracht. Wir besuchten Plötzensee, wanderten durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, durch das Olympiastadion und über Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Und ich besuchte Thomas. Am letzten Abend bekamen Martin und ich Tickets durch glückliche Umstände für die Godfathers im Quasimodo geschenkt. Es wurde ein würdiger Abschluss einer denkwürdigen Reise.

Tocotronic spielten in Wiesbaden, die Traitrs im Nachtleben und ein Highlight war sicherlich das Konzert von Heather Nova im Kölner Gloria. Ich fuhr mit den Regionalzügen nach Köln, spazierte durch die Stadt, hörte inEar Bap am Chlodwigplatz und Heather im Belgischen Viertel. Das Konzert war toll, vielleicht hätte es mir noch besser gefallen, so sie mit Band gespielt hätte. Da ich für die Rückfahrt ein ICE-Ticket gebucht hatte – und meine Bahn eine Irrsinns Verspätung aufwies, fragte ich an der Info nach Alternativen. Ich hatte Glück. Da für zwei gestrandete Fahrgäste sowieso ein Taxi nach Frankfurt gecheckt wurde, konnte ich aufspringen und fand mich unvermittelt in einem Kölner Taxi auf dem Weg nach Frankfurt wieder. Einer der beiden anderen Fahrgäste musste in der Nähe von Montabaur raus, der andere in Rödelheim. So gondelten wir zunächst durch den Westerwald, anschließend zurück auf die A3 und nach Rödelheim. Dort stellten wir fest, dass der erste Fahrgast den Koffer des zweiten mitgenommen hatte und dieser wiederum in einigen Stunden nach Brasilien fliegen wollte. Als Pilot. Immerhin hatte er sich der erste bereits bei der Zentrale gemeldet, sah sich aber nicht in der Lage, den Koffer zeitnah nach Frankfurt zu bringen. Nach einigen Hin und Her hatte der Taxifahrer die Situation geklärt, fuhr mich nach Hause – um anschließend den Koffer in Montabaur zu holen, um diesen auf Kosten des ersten Fahrgastes (der diese teilen wollte) wieder nach Rödelheim zu bringen. Da  schlief ich schon den Schlaf des Gerechten.

Der April hielt ein besonderes Highlight in Petto: Ich hatte Pia breitschlagen können, mit mir nach Norwegen zu kommen. So flogen wir nach Oslo, wanderten durch Grünerløkka und über das Dach der Oper und ich konnte mir im Museum das Floß Kon Tiki anschauen. Mein Vater hatte mir das Buch vererbt, als ich noch klein war – ich hatte es verschlungen. Und jetzt stand ich tatsächlich davor. Groß auch der Ausflug an den Holmenkollen und die dortige Sprungschanze. Ist Ist spielten im John Dee und wenig später saßen wir in der Bahn nach Tønsberg. Von dort aus ging es mit dem Bus nach Nøtterøy – und genau dort sollte am Abend Kari Bremnes konzertieren. Unsere Unterkunft war klasse, eine Einliegerwohnung mit Platz und Gemütlichkeit und wir drehten eine Runde über die Insel. Abends bewegten wir uns zum Kulturhus, spazierten über den Friedhof und saßen dann ziemlich weit vorne. Im Gegensatz zum November, trat Kari nur mit ihrem Keyboarder auf – aber es war wieder überragend. Von mir aus hätten sie noch ewig spielen können, aber alles hat einmal ein Ende und so wanderten wir beseelt durch die Dunkelheit. Sogar Pia hat es gefallen – und sie ist ja eigentlich nur wegen Ist Ist und Urlaub mitgekommen.

Am folgenden Tag fuhren wir mit dem Bus nach Tønsberg und erlebten dort einen sonnigen und herrlich entspannten Tag. Noch im April radelte ich durch Mannheim und freute mich über Bob Wayne im Alten Volksbad. Und ich spazierte seit langem mal wieder über die Dippemess.

1 Kommentar

  1. Bernd Lehmann

    Lesenswert. Hat mir sehr gefallen.

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