Über die Miquelallee raus aus Frankfurt, die Scheibenwischer schieben das Wasser beiseite. Dienstag im Regen. Eine gute Zeit, in den Taunus zu fahren. Sobald es in die Höhe geht, muss sich der Dacia mächtig anstrengen, lumpige 75 PS zwingen in fast in die Knie – er wankt, aber er fällt nicht. Meistens darfst du eh nur 60 fahren, das schaffen wir, auch wenn hintendran manch eine/r ungeduldig wird.

Früher hieß „Taunus“ ja meist: Großer Feldberg. Am kleinen Kiosk gab es für einen schmalen Taler einen Becher heiße Boullion, 2016 sollte dieses wunderbare Relikt aus vergangenen Zeiten schließen, durfte nach Druck aber doch noch etwas länger betrieben werden. Heute dürfte er endgültig dicht sein, der Kiosk, wahrscheinlich folgt irgendwas mit „Event-Gastronomie“, ich weiß es nicht, ich war nicht oben. Als ich den Dacia gegenüber dem Gasthaus „Zum Roten Kreuz“ parke, nieselt es noch immer. Mein erstes Ziel sind die Reste einer alten Glasbläserei in der Emsbachschlucht. Große Pläne jedoch habe ich nicht, wenn es schütten sollte, wäre ein kurzer Weg zum Auto vorteilhaft. Bepackt mit einer dünnen Regenjacke und einer Wasserflasche sowie einer Wanderkarte marschiere ich los.

Und ich hätte es mir denken können: Wenn du oben parkst und nicht auf den Großen Feldberg willst, dann geht es bergab, was nichts anderes heißt, dass es am Ende bergauf gehen wird. Und zwar heftig. Der Schotterweg fällt wirklich rasant ab, schon nach wenigen Metern auf dem Schinderhannessteig verkündet ein Schild, dass es nur einige hundert Meter bis zur alten Glasbläserhütte sind – und tatsächlich weist bald ein metallener Glasbläser am Wegesrand auf die Abzweigung Richtung Emsbachschlucht, es sind nur ein paar Schritte bis zu den steinernen Überresten der alten Öfen mitten im Wald. Glasbläser hielt es seinerzeit nie ewig an einem Ort. Neben Wasser waren Buchen wesentlich für ihre schweißtreibende Arbeit, waren die umliegenden Bäume gefällt und verbrannt, zogen sie weiter an einen nächsten Ort.

Auch ich ziehe weiter, denke an diejenigen, die hier einst geschuftet haben. Das ist das Schöne am Wandern, die Gedanken drehen frei, inspiriert durch Geschichten und Gerüche, durch Blicke und Baumwald. Vorbei an der Gottschalk-Fichte laufe ich Richtung Oberems, zwei Frauen kommen mir entgegen, grüßen brav, derweil ich zurück grüße und bis zum Ort runter auf niemanden mehr treffe. Die Regenjacke reicht aus, obgleich es durchweg tröpfelt. Ich passiere den  Sportplatz in Oberems. Am Wegesrand mäht ein Unimog mit Seitenmäher den Hang, sein tackern verfolgt mich in der Stille.

Ein paar Metern hinter den ersten Häusern zweigt ein Weg rechter Hand in den Wald ab – und so marschiere ich auf der anderen Seite des Naturschutzgebietes rund um den Emsbach nach oben. Bin ich bislang nur bergab gewandert, so verkehrt sich dies nun ins Gegenteil, es geht schnurstracks in die Höhe. Hoffentlich führt mich der Weg auch zurück und knickt nicht irgendwo in eine völlig andere Richtung ab. Grob hatte ich mir, bevor es losging, einen Überblick verschafft, aber man weiß ja nie. Ob des Regens habe ich auch keine Lust, die Karte raus zu holen. Auf der Wiese nebenan grasen gelangweilt zwei Kühe, während ich mich nach oben schiebe und doch auf dem richtigen Weg bin. An einer zerfallenen Hütte raste ich kurz und bald lande ich wieder bei den Glasbläsern. Der letzte Kilometer zur Straße hin ist anstrengend, ich hatte es geahnt, für große Steigungen bin ich nicht gebaut, da geht es mir wie dem Dacia.

Hier ein Päuschen, da ein Päuschen und letztlich lande ich doch wieder am Parkplatz. Da ich noch keinen allzu großen Hunger habe, gleichwohl aber in der Gaststätte einkehren möchte, drehe ich noch ein Runde um das Feldbergkastell und lande an der Weilquelle. Die alten Römer, clever wie sie waren, hatten ihr Kastell nicht an der alten Straße erbaut, nein, sie nutzten die Nähe der Quelle – und konnten somit auch ein Bad betreiben – sogar mit warmen Wasser. Ob das die Glasbläser gewusst haben?

Durch das Kastell marschierend lande ich auf der anderen Seite an den Reifenberger Wiesen mit Blick ins Tal und auf die Burg Reifenberg. Drei Mountainbiker sausen an mir vorbei, auch ein Postauto, dann lande ich wieder am Gasthaus. Drinnen bin ich der einzige Gast, draußen tröpfelt es noch immer. Gemütlich ist’s in der Stube, das Schnitzel wohlverdient und in meinem Kopf tummeln sich Bilder von immer durstigen Glasbläsern und badenden Römern. Alsdann rollt der Dacia bergab Richtung Königstein, das kann er wie ein Großer, aufpassen auf die Blitzer, B8, A66, Frankfurt – immerhin ohne großen Verkehr und schon hat mich das hektische Großstadttreiben wieder. Aber ich bin halbwegs trocken geblieben und weiß nun, wo oben im Wald die Glasbläser ihrer Arbeit nachgingen, das ist doch was.