Pia, Steffen und ich hatten Glück, wir konnten jeweils einen der raren Plätze in einem der Busse der Fanabteilung ergattern. Denn letztlich waren es zwei Busse, die uns am Bahnhof bzw Stadion einsammelten – und sich an einem schönen Donnerstag im August gegen 12:00 Uhr Richtung Straßburg aufmachten. High noon. Europacup in diesem Jahr.

Unsere Räder hatten wir brav in einem Hof in der Münchner angeschlossen, am Treffpunkt natürlich ein großes Hallo, wir waren eine kunterbunte Ansammlung von Wahnsinnigen, die sich wieder einmal unter der Woche aufmachten, um die Eintracht in Europa zu begleiten. Natürlich war der Andrang weit größer, als letztlich bewältigt werden konnte, Tickets für das Spiel der Eintracht bei Racing Straßburg waren rar, die geringe Kapazität des Meinau Stadions ließ aber nicht mehr zu. Immerhin hatten sich etliche Eintrachtler schon zuvor auf den Weg ins Elsass gemacht, um vor Ort Tickets zu besorgen, und zumindest bis Dienstag hat es auch geklappt. Europacup macht erfinderisch.

Bei strahlendem Sonnenschein rollen wir auf die Autobahn, nach dem Spiel in Vaduz wieder einmal eine Auswärtsreise, die uns nicht an den Rande von Asien führt, sondern nur knappe 230 Kilometer von Frankfurt entfernt ins benachbarte Frankreich. Im Vorfeld wurde das Spiel ja heiß gekocht, von Betretungsverboten in Eintrachtoutfit gewisser Bezirke war die Rede, und die Freundschaft zwischen Racing und dem KSC bekannt, derweil unser Nachwuchs ja bekanntlich mit den Karlsruhern nicht ganz so eng ist. Aber aufpassen musst du ja eh immer und nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Eigentlich wollten die beiden Busse ja Kolonne fahren, ein Vorhaben, welches irgendwie nicht ganz so geklappt hat. Während die einen Richtung Hockenheim fahren, halten wir am Rasthof Bruchsal. Natürlich war Familie Minden an Bord, Stefan hat die Reiseleitung inne, und alle naslang werden Informationen gesammelt. Wie sieht’s an der Grenze aus, was machen die anderen? Respekt haben alle vor den nächsten Stunden. Wie reagiert die Polizei, gibt es irgendwo Alarmsignale? Aber die Lage scheint weitgehend entspannt, in den Sitzen hinter uns feiern die Griesheimer. Noch am Stadion fiel Dario der tätowierte Busfahrer von Bus 1 auf, der uns auch schon nach Vaduz gebracht hatte. Wobei, genauer gesagt fiel ihm ein Tattoo ins Auge, das Symbol des italienischen Faschismus. Treuherzig erklärte der Fahrer, das Tattoo sei in Gedenken an seinen Großvater und hätte mit Politik nichts zu tun. Nun gut, so wie mein Hakenkreuz auf der Stirn. Sagen wir so, bei der nächsten Fahrt mit der Eintracht dürfte der Fahrer sein Tattoo abkleben. Und das ist auch gut so.

Linker Hand wachsen die Hügel des Schwarzwaldes in die Höhe, aus den Boxen klingt ein Best of Abi 1984, bei Baden Baden treffen beide Busse wieder aufeinander, um sich gleich darauf wieder zu verlieren. Kurz darauf verlassen wir die Autobahn und gleiten über die Landstraße nach Kehl, einen überschaubaren Ort am Rhein, der Grenze zu Straßburg. Dort soll nach unseren Informationen der Fanmarsch beginnen, dort soll unser erster Halt sein, der nächste dann am Stadion. Schon am ersten Kreisel im Ort werden wir von der Polizei angehalten, na das kann ja heiter werden. Doch außer dem Hinweis, dass ein Parkplatz besetzt sei und einigen anderen Infos können wir unsere Fahrt unbehelligt weiter fort setzen. So kann’s weiter gehen.

Kurz darauf spuckt uns der Bus in Kehl aus – mit der Ansage, letztlich vor dem Stadion auf uns zu warten, was ganz praktisch ist, da wir vorerst inkognito unterwegs sein wollten, im Stadion jedoch nicht. Und so machen sich Pia, Steffen und ich auf den Fußweg nach Straßburg, lassen Fanmarsch Fanmarsch sein und spazieren durch die Fußgängerzone. Mit einem Eis in der Hand geht’s über die Rheinbrücke, vorbei an einem kleinem Containerhafen. Die Sonne lacht, klarblau der Himmel und wir treiben per pedes Richtung Universtät, unbehelligt von Gott und der Welt. Unser eigentliches Ziel ist ja das Münster, aber der Weg zieht sich, so bleiben wir in einer Bar hängen. Zu Essen gibt’s zwar noch nichts, aber happy hour für Bier, der halbe Liter für 2,90 Euro, so setzen wir uns hin, treffen noch auf Annette und Bodo, schwatzen mit dem Wirt und nehmen dann die Straßenbahn Richtung Stadion, mit der wir dann auch für 1,60 hoch rumpeln.

Da wir nicht genau wissen, wo unsere Plätze liegen, steigen wir an der ersten Haltestelle am Stadion aus und laufen geradewegs KSC und Racing Ultras in die Hände. Die lassen uns links liegen, wofür wir recht dankbar sind und spazieren hoch zum Gästeeingang. Unterwegs treffen wir natürlich noch die FUSSBALL 2000 Gang. Unser Bus parkt noch nicht im Käfig, sondern ein paar Meter entfernt, so trinken wir noch ein Schöppchen, ehe wir uns an der Polizei vorbei in den wahren Gästebereich schieben. Überall natürlich ein Gude wie, die Einlassnummer geht lässiger als gedacht, nur unser Block ist schon mächtig gefüllt. Wir schieben uns nach oben, stehen irgend wann im Weg, bis jemand ruft: „Hier ist noch Platz“. Prima, wir also hoch in die allerletzte Reihe und schon sind wir in bester  Gesellschaft. Genau vor uns stehen Basti und Kristian, nebenan winkt Anno, daneben Filzi, hintendran Ernst und direkt neben uns steht der alte Bockenheimer Haudegen Tommy. Naja, ihr wisst ja wie das ist, kann mir die ganzen Pappenheimer ja gar nicht alle merken, die Woche für Woche unterwegs sind. Grüße an alle.

Das Stadion erinnert mich ein wenig an Bochum, das ist immer ein gutes Zeichen. Schon eine halbe Stunde vor Anpfiff singen wir uns in Trance, dies sollte mehr oder weniger bis zum Schlusspfiff und noch danach so weitergehen. Die Straßburger begrüßen uns mit einer blauen Choreo, dann raucht und blitzt es ein bisschen, inmitten wehen die Fahnen, zuweilen verdecken sie mir die Sicht auf’s Spielfeld, was ich ja gar nicht mag. Heute geht’s, die Atmosphäre passt. Ganz ausverkauft ist das Meinau Stadion nicht, aber alle die vor Ort sind, machen ordentlich Rabbatz, diesmal auch die Fans der Heimmannschaft, so etwas ist man ja gar nicht mehr gewöhnt. Es ist auf jeden Fall eine grandiose Fußballatmo, ein Leben für den Support würde Flo sagen, der heuer nicht dabei ist.

Und dann geht’s los, die Eintracht in Schwarz-Weiß, Stracing in Blau-Weiß und der Schiri in Stabilo Boss rosa. Die erste Halbzeit ist aus Frankfurter Sicht ein arges Gewürge, unsere Pokalhelden Gacinovic und Rebic bekommen gar nichts gebacken, sind aber nicht die einzigen. Straßburg ist clever und giftig – und geht folgerichtig in Führung, worauf sie direkt vor unserer Kurve jubeln. Ahhhhh, nach der ganzen Liebelei mit Tallinn und Vaduz endlich Hass.

In Halbzeit zwei kommen mit Paciencia und Rode für die Pokalhelden zwei frische Spieler. Und die Eintracht macht Druck. Kamada gibt den Okocha, aber der Ball geht daneben. Unten regt sich alles auf: Hand, das war Hand. Ich hab’s dank der Fahnen nicht gesehen, klar, wer will schon Fußball gucken, wenn man auch supporten kann. Hallo, hier, ich.

Irgendwann gibt es neben mir Grumpel, zwei Jungs bekommen sich in die Wolle, ich versuche kurz, den Sozialarbeiter zu geben, dies klappt auch halbwegs und weiter wird gesungen. Oh Eintracht Frankfurt, Europapokal, wir singen weiter, der Rest ist egal. Zumindest fast. Trotz Überlegenheit fällt aber kein Tor für uns, ab und an müssen wir die Luft anhalten, um nicht noch einen zweiten Gegentreffer zu fangen, zumindest dies gelingt. Und so kassiert die Eintracht mal wieder eine Niederlage, gar nicht mal unverdient, das Rückspiel wird eine heiße Kiste. So oder so.

Nach Abpfiff müssen wir noch etwas im Stadion bleiben, aber aus unserer Sicht bleibt weiterhin alles entspannt. Später landen wir bei unserem Bus, treffen unsere Museumkollegen, die es auf unterschiedlichen Wegen auch bis hierher geschafft hatten. Maj und Sebastian waren mit dem Auto hier, Pauline mit einem Fanbus. Als einzige Frau im Bus, das ist auch nicht immer ein Spaß. Jungs, lasst unsere Mädels in Ruhe.

Bald sitzen wir wieder im Bus, rollen auf eine Autobahn in Frankreich, die Fahrt zieht sich, auch eine Burger Braterei am Rastplatz in Deutschland hat schon zu, da muss ein Twix weiter helfen. Mittlerweile pennt der halbe Bus, der Tag fordert seinen Tribut. Am Stadion verlässt uns ein Teil der Mitfahrer, der Rest fällt an der Südseite in die Frankfurter Nacht. Pia und ich schleppen uns hoch zu den Fahrrädern und radeln müde hoch ins Nordend. In drei Stunden klingelt mein Wecker, der Alltag wartet – aber das darf er auch. Und im Rückspiel biegen wir das Ding noch um. Europa ist einfach unsere sportliche Heimat. Allez allez allezhooo …