Immerhin 500 Eintrachtler durften zum Auswärtsspiel der SGE nach Köln, das ist nicht gerade viel, aber wenigstens etwas – und wir hatten Glück und bekamen Tickets, wofür wir uns extra auf den Seiten des 1. FC Köln registrieren mussten, geschenkt. Hauptsache wir sind mal wieder unterwegs. Und das waren wir auch. Am Abend zuvor machte ich noch ein kleine Nachtführung durch unser Stadion.


In den vergangenen Tagen wehte ein Sturm über Deutschland hinweg, Züge fielen aus, Kinder mussten nicht in die Schule, doch der Dacia stand vollgetankt bereit. Ein Vermögen floss in den Tank – doch da wir zu viert waren, sollte die Fahrt mit dem PKW im End weitaus günstiger werden als mit der Bahn. Pünktlich um halb zwölf trudelt Götz bei uns ein, keine halbe Stunde später holen wir Kathrin in Kalbach ab und rollen gemächlich auf die A661. Natürlich gemächlich, mit dem 75-PS Kombi und vier Personen kommt es anders gar nicht in Frage, zumal wir anschließend durch den Taunus fahren und bei jeder Steigung die Taunus-Radler schnurstracks an uns vorbei ziehen. Wir hätten auch erst bei Bad Camberg auf die A3 auffahren können, doch die Gefahr, durch umgestürzte Bäume am Weg gehindert zu werden, erscheint uns riskanter als auf dem kürzeren Weg über Königstein und Eppstein. So tuckern wir ungehindert über Berg und Tal und entern bei Sonnenschein nahe Niedernhausen die A3. Pia hatte in weiser Voraussicht meine Sonnenbrille eingepackt, ein in den vergangenen Wochen fast vergessenes Utensil. Von Zeit zu Zeit schallen Gesänge durch das Auto: „Sieben Tage brennt der Kölner Dom …“, dann pluggert ganz brav leise Musik aus den Lautsprechern – auf dem Highway to Köln.

Der Verkehr auf der A3 ist überschaubar, ab und an verlasse ich sogar die rechte Spur, um einen LKW zu überholen, linker Hand der Limburger Dom und ehe wir uns versehen, erblicken wir den Kölner Dom – als wir über die Severinsbrücke „Deutschlands schönste Stadt“ (Eigenwerbung) erreichen. Ein paar Minuten später parken wir den Wagen an einem kleinen Kanal in Alt-Lindenthal, schwenken kurz das Eintracht-Fähnchen und wandern auf die Dürener Straße auf der Suche nach einer Gastwirtschaft und entdecken die Adler-Apotheke – ein Zeichen? Ja, aber kein Gutes. Im Haus Schwan werden wir fündig, gutbürgerliches Ambiente, freundliche Bedienung. Unaufgefordert wandern die kleinen Kölsch-Gläschen auf unsere Plätze, anschließend Schnitzel, Currywurst oder Kartoffelpuffer. Man hätte hier versacken können – und wie sich nach Spielende herausstellte, vielleicht auch sollen. Aber wir sind wegen der Eintracht hier und machen uns pappsatt auf den Weg Richtung Stadion, wobei die Bedienung uns noch zuflüstert: „Hoffentlich gewinnt ihr“. Dies sieht der Wirt naturgemäß anders, doch guter Dinge wandern wir durch den nahe gelegenen Park. Zeichen des Sturms liegen auf den Wegen, Gänse, Samstagspaare und Passanten sind unterwegs und so erreichen wir über die Sportanlagen und das Landhaus Kuckuck wenig später das Müngersdorfer Stadion, welches heutzutage RheinEnergieSTADION heißt.

Die Gesamtauslastung liegt heute coronabedingt bei 10.000 Zuschauern, von daher ist der Andrang überschaubar. Da Götz keine Eintrittskarte hat, wandern wir über die Wiese Richtung Aachener Straße, Götz ist guter Dinge, doch er ist nicht der einzige der sucht. Diverse Optionen im Internet haben sich zerschlagen, darunter auch ein Abzocker, der die gleichen Tickets gleich mehrfach angeboten hat. Leute, passt auf, was ihr macht. Unterwegs treffen wir natürlich einige bekannte Gesichter, Hauptgesprächsthema ist gar nicht mal das bevorstehende Spiel, sondern die Vergabe der raren Tickets für das kommende Heimspiel gegen Bayern München. Viele, die in den vergangenen Monaten trotz Corona der Eintracht die Stange gehalten hatten, sind diesmal leer ausgegangen, die Bewerbungen für die Karten überstiegen das 10.000er Kontingent bei Weitem. Fragt sich schon, ob die Leute die Eintracht sehen wollen, oder die Bayern, zumal in der ersten Bewerbungsphase nur die Dauerkarteninhaber angesprochen wurden. Macht euch mal Gedanken.

Wir treiben uns mit Götz noch ein Weilchen vor den Toren des Stadions herum, doch dann wünschen wir ihm viel Glück und machen uns auf den Weg ins Innere. Einer der wenigen Vorteile der Pandemie ist, dass du in der Regel beim Einlass nicht viel Zeit brauchst, kein Gedränge kein Geschiebe, weder bei der Kontrolle des Impfnachweises, noch beim Passieren des Eingangs. Zwar konnten wir bei der Ticketbuchung nur definierte Plätze auswählen, doch der Brauch will, dass sich auswärts jede/r dort hin stellt, wo grade Platz ist. Unsere gebuchten Plätze waren ganz oben und wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich sowieso immer dort stehe. Von hier entdecken wir beim Blick durch die Glasscheiben Götz, der noch immer die Hoffnung in sich trägt, eine Karte zu ergattern. Irgendwann verlieren wir ihn aus den Augen – später kommt die Nachricht aus einem Kölner Brauhaus, dass es dann doch nicht geklappt hat. Dafür gesellt sich Frank, der mit der Fanabteilung gekommen ist zu uns. Sonst ist Frank immer einer der ersten im Stadion, diesmal musste er sich den Gesetzen der späten Anreise unterordnen – aber ist angekommen und der Anpfiff lässt noch ein Weilchen auf sich warten.

Der Kölner Karneval wirft dieser Tage schon seine Schatten voraus, entsprechend das Unterhaltungsprogramm, wir ignorieren irgendetwas mit „Dreigestirn“, während die Stadionregie unablässig irgendwelche Ver- und Gebote über die Lautsprecher verkündet. Maskenpflicht hier, Rauchverbot dort und auch über die Zäune klettern dürfen wir nicht. Das angekündigte bundesweites Stadionverbot schwebt über uns wie ein Damoklesschwert, dem wir trotzig widerstehen. Musik brüllt ins unsere Ohren, die Stadt mit K wird besungen und während wir noch überlegen, ob Kassel oder Kathmandu, stohn se zu dir FC Kölle. Ehrlich, das ganze inszenierte Kaspereletheater mit überhöhtem Traditionsgehabe, gesponsert vom örtlichen Kölschdealer samt marktschreierischem Animationsgetue wirkt auf mich nur noch überzogen. Je größer der ganze Ballon künstlich aufgeblasen wird umso lächerlicher wirkt er. Das gilt beileibe nicht nur für Köln. Dreht alle Regler einfach runter.

Egal, das Spiel beginnt, da es ganz oben recht zugig ist, wandern wir ein paar Meter nach unten, Köln zu Beginn ohne Modeste die Eintracht mit Kostic. Der EFFZEE scheint aufgeweckter, die Eintracht mit Chancen, die traditionell vergeben werden – von daher der Begriff „Traditionsverein“. Ich betrachte verträumt die rot-weiß beleuchteten Pylonen an den Stadionecken, zaghafte Supportversuche versickern in der dräuenden Kälte, und mit jeder Minute steigt die Erkenntnis, dass dieses Spiel trotz meines dezenten Optimismus vor Spielbeginn nicht gewonnen wird. In der Halbzeit gehe ich fest davon aus, dass Matthias Scherz in der 90. des Siegtreffer für Köln erzielen wird, so wie gefühlt immer. Okay, er hat 2009 seine Zeit beim FC beendet, doch man weiß ja nie.

In der Halbzeit macht sich Kathrin auf den Weg zum Getränkestand und da sie nach einem Weilchen noch nicht wieder auftaucht, schaue ich, ob ich ihr beim Tragen helfen kann. Sie steht immer noch ganz hinten in der Schlange, die sie einmal gewechselt hat. Natürlich ziehen jetzt die Wartenden der anderen Schlange an ihr vorbei. Die Sache zieht sich, nebenan steht Gerre. Freudige Begrüßung. Dann will er Pia um den Hals fallen und merkt kurz vor dem Abschluss, dass es gar nicht Pia ist, die neben mir steht. Kurze Irritation, dann kommen unsere Getränke und wir kämpfen uns nach oben, das Spiel läuft schon. Aber es wird nicht viel besser. Nach einer guten Stunde wird Modeste eingewechselt und jedem hier ist klar, was passieren wird. Es wird hin und her gewechselt, doch bei uns im Sturm laufen nicht Ylenia oder Zeynep auf, von daher ist der Kölner Strafraum recht aufgeräumt. Als sich das Spiel dem Ende zuneigt, passiert, was passieren musste. Kamada spielt den Ball beim Spielaufbau einem Kölner in die Füße, dieser wiederum schickt Modeste auf die Reise und prompt steht es 1:0 für die Kölner. Da die vierminütige Nachspielzeit irgendwann austrudelt und nichts Nennenswertes mehr passiert, verliert die Eintracht das Spiel. Und wir stehen dumm da. Gelernt ist gelernt.

Stande pede verlassen wir das weite Rund, beim Ausgang treffe ich noch auf die Fanbetreuung und während ich auf Kathrin und Pia warte, drückt mir Christian einen Kölner Karnevalsorden versehen mit den Wappen des FC und der Eintracht in die Hand, den er von einem Kölner bekommen hatte. Ich bin ja kein großer Sammler, aber im Eintracht-Museum haben wir solch ein Exponat noch nicht, dort ist es gut aufgehoben. Bald darauf ist unsere kleine Truppe wieder beisammen, und wir machen uns in der Dunkelheit auf den Weg zur Straßenbahn. Während die erste vor unserer Nase weg fährt, nimmt uns die zweite mit – und sechs Stationen sowie 10 Minuten Fußweg später landen wir wieder am Dacia. Leicht bedröppelt und durchgefroren, aber wohlbehalten. Ein paar Minuten danach taucht auch Götz wieder auf, in der Hand ein 5-Liter-Fässchen Kölsch einer kleinen Kölner Brauerei. Alles wird sachgerecht verstaut, dann geht‘s über die Severinbrücke zurück auf den Highway. Bald landen wir wieder auf der A3, es ist leise im Dacia, nur die Musik untermalt die Fahrt, mal ist es Xavier Rudd, mal Sea Power, die früher British Sea Power hießen, mal sind es Tocotronic. Wir überqueren die „Sieg“, halten ihr den Mittelfinger entgegen und kämpfen uns tapfer durch den Westerwald. Jetzt liegt das pittoresk beleuchtete Limburg vor uns im Tal und schon nähern wir uns Frankfurt.

In Frankfurt bringen wir erst Götz nach Hause, der mit seinem Kölsch-Fässchen in die Dunkelheit wandert und ein paar Minuten später verlässt uns Kathrin, die gar nicht weit von uns entfernt wohnt, so dass wir nach einem Wimpernschlag den Dacia parken und alsbald die Treppen nach oben marschieren. Pia trinkt noch einen Absacker, ich mache mir einen Tee und so lassen wir den Tag noch einmal Revue passieren. Schön war es, wieder einmal waren wir unterwegs, sammelten Eindrücke und Erlebnisse, selten genug in den vergangenen 24 Monaten. Wenn nur der verdammte Fußball nicht wäre.