Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Wir schämen uns für alle, die gegen uns schreien …

… schrieben Tony Baffoe, Souleyman Sané und Tony Yeboah im Jahr 1990 anlässlich wiederholter rassistischer Diskriminierungen in einem offenen Brief in der BILD. Dass diese Aussage keineswegs der Vergangenheit angehört, zeigen regelmäßige Berichte über Ausfälle vermeintlich Ewiggestriger. Beschimpfungen, Bananenwürfe und Schmähgesänge gehören in unschöner Regelmäßigkeit auch heute zum Fußballalltag.

Hier ein Auszug aus Wikipedia von Vorfällen, die in den letzten Jahren Schlagzeilen machten:

  • Kevin-Prince Boateng verließ bei einem Freundschaftsspiel gegen den Viertligisten Pro Patria vorzeitig das Spielfeld, nachdem er und Teamkollegen von gegnerischen Fans rassistisch beleidigt worden waren. Das Team solidarisierte sich, das Spiel musste abgebrochen werden.

  • Im Mai 2013 wurde eine Partie wegen rassistischer Gesänge gegen Mario Balotelli unterbrochen.

  • Kevin Constant verließ ebenfalls nach rassistischen Gesängen bei einem Vorbereitungsturnier den Platz. Das Spiel ging weiter, der Schiedsrichter ließ in dem Spiel Mario Piccinocchi als Ersatz auf den Platz.

  • Dani Alves konterte die Rassisten aus: er nahm die auf ihn geworfene Banane und aß davon. Alves zeigte Humor: „Ich weiß nicht, wer die Banane geworfen hat, aber ich möchte ihm danken. Er schenkte mir Energie für zwei weitere Ecken, die zu einem Tor führten“. Gary Lineker lobte Alves: „Großartige Reaktion von Alves. Behandelt die rassistischen Dummköpfe mit Missachtung“, twitterte Lineker.

Was also dagegen tun?

In Deutschland reagiert der DFB immerhin gutmeinend aber letztlich wenig konsequent. Zwar gibt es alle naslang wohlmeinende Aktionen gegen Rassismus, verlesen Mannschaftskapitäne ellenlange Erklärungen, doch wenn es ernst wird, wird gekniffen; zuletzt in Hamburg, als die Nationalmannschaft am Millerntor auf St. Pauli trainierte. Dort hängt seit geraumer Zeit ein Banner mit der Aufschrift: „Kein Fußball den Faschisten.“ Als Löws Truppe dort trainierte, wurde das Transparent offiziell überklebt, zu lesen war nun: Kein Fußball. Immerhin folgte eine fadenscheinige Entschuldigung: Der DFB spreche sich „gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Faschismus“ aus, sagte Nationalmannschafts-Sprecher Jens Grittner danach. Es gebe eine Stadion-Muster-Ordnung, die eine „Neutralisierung“ vorsehe, so dass jedes Stadion frei von Werbung und politischen Bekundungen sein müsse.

Na, solange die Ordnung gewahrt bleibt, verzichtet man gerne auf eine Haltung.

Haltung zeigen, dies hat sich eine Initiative auf die Fahne geschrieben, die derzeit in Frankfurt am werkeln ist. Wer jetzt vom Niederräder Bahnhof Richtung Niederrad blickt, wird sehen, dass an der Hausfassade der Melibocusstraße 86 ein gigantisches Wandgraffiti entsteht, ein Graffiti welches nicht nur den Zweck hat, zur Verschönerung beizutragen, sondern gleichfalls als Statement gegen Rassismus und für Toleranz steht. Zunächst war nur der Spruch: „Wir schämen uns für alle, die gegen uns schreien“ zu lesen, nun wird dazu ein Bild von Tony Yeboah gesprayt – und wenn das Ganze fertig ist, kommt es zur großen Einweihung; just an dem Tag an dem bei der WM Deutschland auf Ghana trifft, dem Heimatland des bis heute verehrten Stürmers der Eintracht.

Ausgehend vom Projekt „Im Gedächtnis bleiben“ des Frankfurter Fanprojektes enstand die Idee, eine Hausfassade in ein Wahrzeichen gegen Diskriminierung und Intoleranz zu verwandeln. Das Fanprojekt fand diese Idee auszeichnungswürdig und so konnte Ideengeber und Preisträger Mathias Weinfurter die Aufgabe angehen. Hauptaufgabe war nun, eine geeignete Häuserwand zu finden, deren Besitzer zudem mitspielen würden. Die Nassauische Heimstätte zeigte sich vom Vorhaben begeistert und ein Motiv war schnell gefunden: Tony Yeboah, einer der ersten dunkelhäutigen Fußballer in Deutschland, der vor seinem Wechsel zur Eintracht sogar von SGE-Anhängern beschimpft wurde, exemplarisch auf den Punkt gebracht von Badesalz im auch heute noch brandaktuellen Sketch „Anthony Sabini“.

Und so entsteht in diesen Tagen ein unübersehbares Statement, geschaffen von Anhängern der SGE und fotografisch begleitet von Dominik Dresel, welches am 21. Juni hochoffiziell eingeweiht und ganz nebenbei hier dokumentiert wird.

Bloggerkollege Hackentrick war schon vor Ort, ebenso die Frankfurter Neue Presse. Vielleicht kommt ja noch der ein oder andere dazu, um sich den Arbeitsprozess einmal anzusehen. Und wenn es fertig ist, wird groß gefeiert:

Flyer

7 Kommentare

  1. Schnellinger

    Du hast recht, leider ist „de Sabini” noch immer brandaktuell.
    Möchte nicht wissen wie viele, auch Eintrachtfans, an jenem Abend beim Ghana-Spiel vor der Glotze hocken werden und eingebildete Weisheiten über angebliche Eigenschaften des „Neeschers“ im Allgemeinen und Besonderen aus dem hohlen Kopp rülpsen.

    Während im normalen Ligabetrieb der soziale Druck doch Deppen meist die Fresse halten läßt, spülen nationale Festspiele wie die WM noch immer das Dümmste aus dem Minderpigmentierten.

    • Beve

      Minderpigmentierte – hört sich gut an!

  2. Schnellinger

    Mensche mit Frühafrikanischem Migrationshinnergrund, die wo sich da so e bissi an des schlechte Licht hier obbe angepasst hawwe.
    Um es mal politisch korrekt neutral auszudrücken :)

  3. rotundschwarz

    Hallo ihr Studendeköpp,
    Großartig. Die Idee, die Umsetzung, der Tag der Einweihung, der Text. Und natürlich der Tony. Ob er vielleicht demnächst dann auch mal persönlich in Niederrad vorbeischaut?

    • Beve

      Ja :-)

  4. Kid

    Wenn die Aktion mit der Häuserwand nur einen einzigen (potenziellen) Rassisten zum Um- und Andersdenken verhilft, hat sie etwas zum Besseren verändert.

    Aber für andere schämen? Kommt nicht infrage. „Die Scham fiel auf ihre Seite“, singt David Bowie. Und da bleibt sie auch.

  5. Beve

    Irgendwie hat er recht, der Herr Bowie. Obgleich ich natürlich Tony und co nicht widerspreche, denn sie müssen mit dem klar kommen, was wir niemals in dieser Form erleben werden.

    Ob es einen potentiellen Rassisten zum Umdenken verleitet? Potentielle Rassisten sind auch die Kids z.B – und wenn diese in einem weltoffenen Umfeld aufwachsen, ist schon viel gewonnen.

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