Kaum aus Berlin angekommen, hieß es für uns schon wieder: Rucksack packen. Und so marschieren Pia und ich am Montag in aller Herrgottsfrühe in Richtung Straßenbahn. Diesmal heißt unser Reiseziel Porto, die verfallende Schöne im Norden Portugals.

Keine 50 km von Porto entfernt liegt Guimaraes – und beim dortigen SC Vitoria wird die Eintracht am Donnerstag im Europacup antreten. Ein wenig habe ich ja mein Herz an Portugal verloren, insbesondere an Porto, obgleich unser Ausflug im April nach Lissabon gleichfalls noch nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Porto schien mir stets rauer, ehrlicher, sterbendschöner. Umso größer natürlich die Freude, dass der Eintracht wieder einmal ein portugiesischer Club in unmittelbarer Nähe zugelost wurde. Durch frühzeitige Buchung erwischten wir einen gerade noch erschwinglichen Direktflug von Frankfurt nach Porto inklusive „priority boarding“, was nichts anderes heißt, dass du neben geldbeutelgroßem Handgepäck auch noch eine Zahnbürste und eine Socke mit in den Flieger nehmen darfst.

Obgleich die RMV App unsere Tickets nicht anzeigt, gleichermaßen selbstverständlich die Abbuchung, erreichen wir den Flughafen pünktlich, müssen weder am Security Check noch beim Boarding lange warten und natürlich sind mit uns schon die ersten Eintrachtler an Bord. Pia und ich sitzen mehrere Reihen getrennt, auch so eine moderne Errungenschaft der Neuzeit. Ereignislos aber müde schweben wir über Frankreich und Spanien, Anna Ternheim oder British Sea Power vertreiben mir musikalisch die Ödnis des trüben Fliegens, bis wir pünktlich in Porto landen und über Landebahn und Airport zur Metro spazieren.

In fremden Städten ist so ein Ticketkauf an der Metro ja auch immer ein Abenteuer, wer fremd nach Frankfurt kommt, weiß ein Lied davon zu singen. Wir ziehen uns ein Kärtchen, laden es auf und vergessen dabei, es vor das Lesegerät zu halten. Also steigen wir an der nächsten Station wieder aus, entwerteten das Ticket ordnungsgemäß, nehmen die nächste Bahn und rollen entspannt Richtung zur Station Carolina Michaelis. Von dort ist es noch eine gute viertel Stunde zu Fuß bis zur Unterkunft nahe der Rua da Cedofeita. Autos schieben sich durch die Straßen, hupend, zeternd, Meter für Meter erkämpfend. Da wir erst gegen Mittag einchecken können, halten wir Ausschau nach einem Café – und werden prompt an der nächsten Ecke fündig. Linker Hand zieht sich im Monte Carlo ein länglicher Tresen durch den schmalen Raum, dahinter werkelt ein freundlicher älterer Herr an der Kaffeemaschine, packt Pasteis und Croissants auf einen Teller. An kleinen Tischen sitzt vereinzelt Kundschaft, herrlich unmodern, wie aus der Zeit gefallen, wirkt der Raum, das Interieur, die Menschen. Wir trinken einen Galao, fragen, ob wir unser Gepäck für eine Weile abstellen können, radebrechen mit den wenigen Brocken portugiesisch, arbeiten mit Händen und Füßen, es gelingt. Befreit von Rucksack und Trolley schlendern wir die nahe Fußgängerzone hinab ins Leben.

Natürlich müssen wir uns nach über fünf Jahren Abwesenheit erst einmal orientieren. In der Hosentasche stecken Reiseführer und Stadtplan, erste Anlaufstelle ist der Torre dos Clérigos. Ein paar Schritte daneben wartet eine Menschenschlange auf Einlass in die Buchhandlung Lello, berühmt durch die Architektur und nun auch noch dadurch, dass Joanne Rowling sich hier während ihrer Zeit in Porto für Harry Potter inspirieren ließ. Mit der Folge, dass Eintrittskarten verkauft werden und die Leute über die Straße anstehen. Vor fünf Jahren sind wir einfach in die Buchhandlug gegangen, wie man halt so in eine Buchhandlung geht. Heute kostet es fünf Euro Eintritt. Da aus unerfindlichen Gründen auch die Wartezeit auf den Turm über 40 Minuten beträgt, schlendern wir weiter.

Uns zieht es durch die Rua da Flores runter zur eisernen, von Eiffel entworfenen, Brücke Dom Luis I und schon jetzt fällt auf, dass an allen Ecken und Enden gebaut wird. Es knackert und tackert, sägt und hämmert, während das Stadtbild durch rote Ziegeldächer und orangene Kräne geprägt wird. Dazwischen schieben sich tausende Touristen durch die Gassen. Waren all die Jahre zuvor der Verfall Portos prägend, derweil die Menschen nach Lissabon drängten, so wandelt sich jetzt auch Porto gewaltig, wird zurecht gemacht, Substanz erhaltend und touristifiziert. Noch immer der traumhafte Blick über den grünen Douro, auf die Reklameschilder der Keller der Taylor’s oder Dow’s, derweil die alten Ausflugsboote Touristen auf Flussrundfahrten zwischen den Brücken umher schippern. Wir lassen uns treiben, wandern über die Universität zurück in unser Viertel, holen unser Gepäck im Café ab und sind bereit für den Check In.

Unsere Unterkunft ist nett, eine kleine Wohnung etwas außerhalb der Hotspots, eine lebendige aber nicht überlaufene Fußgängerzone führt nach unten in die Stadt, die bei Touristen begehrt ist. Und es sind viele Touristen. Sehr viele. Der Blick in die Höhe aber wird definiert durch Kräne. Egal was du fotografierst, du hast immer einen Kran im Bild. Auch der Park rund um den einstigen Chrystal Palace wird renoviert. Dies aber stört die hier ansässigen Pfauen wenig. Von der dortigen Parkmauer ergibt sich ein fantastischer Blick über die Dächer und den Douro, wir durchwandern die Straßen, treppauf, treppab, finden einen Weg runter zum Ufer und machen vor dem belebten Kai eine Pause, eine alte elektrische Straßenbahn rumpelt vorbei, drinnen sitzen Fotografierende, außen hängen zwei Jugendliche und werden einst Geschichten erzählen, wie sie früher noch an der Bahn klebten, die selbst heute nur noch Besucher befördert. Wer hier lebt, nimmt den Bus. Vom Atlantik her zieht ein dichter Nebel über den Fluss, verhüllt die Autobahnbrücke in ordentlicher Entfernung beinahe gespenstisch. Je näher du der eisernen Brücke kommst, desto trubeliger wird es. Überlaute Straßenmusiker blasen die Trompete, Touristen sitzen in den zig Restaurants, Stände bieten Souvenirs an, ein Geheimtipp ist Porto nicht mehr. Aber anstrengend, wir nehmen die Stufen an der Brücke hoch zur Kathedrale, vorbei an Streetart, die hier überall zu finden ist.

Über die mondäne Rua de Santa Catarina geht es an Geschäften vorbei steil nach oben. Auch vor dem angeblich schönsten Café Portos, dem Majestic Café, wird kräftig fotografiert. Wir sind müde, holen uns eine kleine Flasche Portwein und sitzen auf unserer Terrasse mit einem Gläschen in der Hand. Aber noch einmal geht es raus in den Abend, wir sind schließlich hungrig. Bei Rotwein und Francesinha endet der erste Abend, natürlich haben wir in der Churrascaria Lameiras noch Frankfurter getroffen und über Gott und die Welt gebabbelt. Ein letztes kleines Bier aber gibt es noch in einer Seitenstraße, das Super Bock Mini für 50 Cent. Nach 20 Stunden auf den Beinen fallen wir in den Schlaf der Gerechten. Ola Porto.

Tag II

Nachdem uns gestern der Besitzer der Confeitaria Monte Carlo so herzlich in Empfang genommen hatte, geht’s zum Frühstück wieder dort hin. Auf der Straße tobt der Verkehr, Stammgäste gehen ein und aus. Uns zieht es jetzt auf die andere Seite der Stadt, nach Vila Nova de Gaia. Vom dortigen Ufer aus hast du einen phantastischen Blick auf die Kulisse Portos. Obgleich eine Gondel vom oberen Teil am Park nach unten führt, nehmen wir die Treppe. Alte Lastkähne liegen am Ufer, die einst die Portweinfässer von den Weinhängen des Dourotals nach Porto geschippert haben. Bar an Bar reiht sich am Ufer, obenauf die Reklame der Portweinmarken, Sandeman, Calem, Kopke. Marktstände bieten Leder, Schmuck oder Korktaschen an, ein Riesenrad dreht sich.

Nach hinten raus wird es ruhig, wir nehmen den Uferweg Richtung Atlantik, vereinzelt überholen uns Radfahrer, stehen Angler auf einen Fang hoffend auf den Holzplanken. Am Ufer werden alte Boote restauriert, schwere Planken liegen auf dem Boden. Noch weiter hinten, nah der Autobahnbrücke parken die Wohnmobile, hier wird es ungemütlich und wir wandern zurück. Später geht es steil nach oben, Zeit für eine Rast. Eine alte Portugiesin wartet gegenüber unseres Cafés, ein elektrischer Fahrsevice kommt vorbei, pickt sie auf – dabei lässt sie ihre Einkäufe stehen. Der Cafégast nebenan bemerkt es, rennt dem Taxi hinter her – doch vergeblich.

Wir schlendern zurück, überqueren die eiserne Brücke, schauen uns im Bahnhof Sao Bento um, sehen den gekachelten Innenraum, angeblich wurden beim Bau die Wartesäle vergessen, aber schön ist er, der Bahnhof. Von hier wird unsere Bahn nach Guimaraes gehen, aber bis dahin sind es noch zwei Tage. Und diese nutzen wir, meist laufend. So treiben wir weiter durch die Stadt, inmitten der Bars, der Baustellen, der Touristen. Für uns geht es über die Uni zurück in die Fußgängerzone Richtung Heimat. Pia ersteht noch ein Handvoll Gläschen und eine Flasche Portwein für den heutigen Abend, wir sind zum Abendessen mit Basti und Marvin verabredet, da ist ein Appetizer nicht verkehrt.

Nach einem kurzem Abstecher auf unsere Terrasse laufen wir runter zum Rathaus, an den dortigen großen PORTO Buchstaben wollen wir uns treffen, die beiden sind mit Anna und Magdalena auch schon da, weitere Freunde stoßen dazu. Pia packt die Gläser aus, großes Hallo und schon sitzen wir in der Churrascaria Lameiras bei Bifstek Portugaise oder Brathahn, und kehren zum Abschluss noch in der 77er Bar ein, hier trifft sich die Jugend, da gehören wir selbstverständlich dazu. Nachts sitze ich auf unserer Terrasse, aus dem kleinen Lautsprecher pluggert Fischer Z, die Nacht wacht über uns, Fledermäuse schwirren durch die Dunkelheit.

Tag III

Nach einem Frühstück im Monte Carlo, wir gehören nunmehr zu den Stammgästen, werden wie alte Bekannte begrüßt, zieht es uns heute an den Atlantik nach Matosinhos. Hat es vor fünf Jahren noch aus Eimern geschüttet, lacht heute die portugiesische Sonne über uns. Von Carolina Michaelis bringt uns die Metro zum Markt in Matosinhos, nicht nachdem ich mir zuvor beim Ticketkauf noch die Rückfahrt zum Airport zerschossen habe. Ein bisschen Schwund ist immer.

In der Markthalle werden Tonnen von Fisch umgesetzt, die dann an den Restaurants rund um den Strand verkauft werden, wir haben aber keinen Hunger, wandern am Denkmal der Fischerfrauen, die um ihre ertrunkenen Männer trauern, barfuß an den Strand, tapsen durchs eiskalte Atlantikwasser, beobachten die Surfer wie die Möwen. Für das angedachte Fußballspiel von Basti und Marvin sind wir zu müde und zu früh, von daher staksen wir durch den Sandstrand, bis wir an den Felsen einen geplankten Weg erreichen, der sich am Strand bis hin zur Mündung des Douro zieht. Rechter Hand das Meer, das Rauschen des Glücks, erreichen wir eine kleine Bar inmitten der Felsen. Die roten Super Bock Sonnenschirme leuchten ins Himmelblau des Tages, wir nehmen einen Café und lassen uns die Sonne auf die Nasen scheinen, bis wir uns weiter auf den Weg machen, vorbei an einer steinernen Pergola, vorbei an Foz do Douro, bis wir die Mündung des Douro erreichen, den alten Leuchtturm erkennen. Wellen klatschen an die Felsen, ein Wind weht und wir nehmen den Weg am Douro, der grün in der Sonne glitzert, zurück in die Stadt. Ein weiter Weg, in einiger Entfernung haben wir die Autobahnbrücke jetzt von der anderen Seite vor uns, Ausflugsboote tuckern auf und ab, die alte Elektrische rumpelt ab und an vorbei, der Weg zieht sich.

Unterhalb des Kristallpalastes stärken wir uns mit einer Cola, dann geht es weiter am Kai entlang, an Bars und Restaurants hin zur Brücke Luis I. Diesmal nehmen wir die Stufen auf der anderen Seite, entdecken ein Café mit Terrasse und tollem Blick direkt am Aufgang, haben aber jetzt keine Zeit. In wenigen Minuten sind wir mit Stefan und Dario verabredet, wir wollen rüber zu Taylor’s, einen Portwein trinken, wie wir es auch schon vor fünf Jahren getan haben. Kaum oben angekommen, entdecken wir auch schon Stefan, Dario ist nicht weit – und so schlendern wir fotografierend über die Brücke, laufen treppab und dann wieder bergauf, bis wir den Portweinkeller, die Lodges erreichen. Nebenan wartet das gigantische Hotel „The Yeatsman“ auf Gäste, damals hatte die Eintracht hier halt gemacht und wir Sebastian Jung getroffen. Heute ist die Eintracht woanders untergebracht, also entern wir Taylor’s.

Der Platz auf dem wir damals gesessen haben ist noch frei, jedoch wird direkt nebenan gebaut, ein Kranausleger schwebt vor unserer Nase, der massige Neubau wirkt drückend. Von daher wandern wir auf die Besucherterrasse, nehmen Platz und schon stellt uns der Kellner zwei Gläser hin, er denkt, wir kämen von einer Führung. Das Missverständnis klärt sich schnell auf, wir ordern jeweils ein Pörtchen zu üppigen Preisen, bekommen aber noch einen geschenkt und dazu noch noch einen ausgegeben, von daher sitzen wir zufrieden am Tisch. Pia und ich hatten vor fünf Jahren noch an einer Führung teilgenommen. Seinerzeit kostete dies fünf Euro inklusive zweier Portwein, heute zahlst du dafür 15. Und während wir damals noch eine Führerin hatten, bekommst du heute Kopfhörer. Vielleicht verdeutlicht dieser Unterschied ähnlich wie die Situation an der Buchhandlung den Wandel Portos am deutlichsten.

Mit der anbrechenden Dunkelheit wandern wir nach wieder nach unten, zurück ans Ufer, zu Brücke. Die Dunkelheit legt sich über den Douro, die Abendlichter Portos glitzern, während wir über die Brücke wandern und uns dann Schritt für Schritt die Stufen nach oben schieben. In Cedofeita essen wir zu Abend, anschließend geht es für Pia und mich Richtung Heimat, derweil Stefan und Dario sich in die Nacht aufmachen. Morgen um 10 treffen wir uns wieder, dann geht es mit der Bahn nach Guimaraes.