Donnerstag, 11. April 2019

Matchday, die Eintracht spielt heute Abend bei Benfica Lissabon im Estádio da Luz um den Einzug ins Halbfinale des Europacups. Noch nicht einmal drei Jahre zuvor fuhren wir nach Nürnberg, um im Relegationsspiel eventuell noch den Kopf aus der Schlinge des Abstiegs zu ziehen. Es hat bekanntlich geklappt. Heute also Lissabon.

Es schickt sich an, ein warmer Tag zu werden, die Luft im Zimmer ist stickig, durch das geöffnete Fenster rauscht der Verkehr, auch die 28E rumpelt vorbei, die ersten Touristen sitzen in den Bähnchen und nutzen die frühe Stunde zur ersten Stadtrundfahrt. Wir brechen auf und stellen fest, dass „unser“ Café noch nicht geöffnet hat, aber ein paar Schritte daneben werden wir fündig, ein erstes Pasteis de Nata, dann der Umzug nach nebenan. Direkt neben dem Café do Largo steht ein kleiner tönerner Becher in einem Schaufenster, bunt bemalt – gedanklich ist er schon der meinige – morgen oder übermorgen werde ich ihn mir besorgen. Jetzt geht es erst einmal runter zum Platz Martim Moniz, von dort mit einer neuen Tageskarte zum Rossio und weiter per Pedes Richtung Alfama. Auf dem Flohmarkt der Diebe hatte Pia kleine Schlösser der Marke „Ante“ entdeckt – und der Ruf nach Mitbringsel wurde auf Twitter laut. Wir verstanden dies als Auftrag. Am Tejo direkt vor der Alfama lagen nun gleich drei Kreuzfahrtschiffe und versperrten auf mehreren hundert Metern den Blick, wären sie stante pede gesunken, ich hätte keine traurigen Lieder gesungen. Wir schieben uns die Wege und Treppen nach oben, noch ist es recht beschaulich hier, Wäsche hängt zwischen den Häusern zum Trocknen, ein Betonmischer versperrt uns den Weg, wir wandern außen herum und sehen an der Rückwand des Hauses, vor dem gebaut wird, ein Plakat, in dem dagegen protestiert wird. Es ensteht ein Hotel, welches den alten Wohnungen die Sicht versperrt, Gentrifizierung allenthalben. TucTucs schieben sich vereinzelt durch die Gassen, oft gesteuert von jungen Frauen, welche die Touristen gekonnt durch die schmalen Sträßchen steuern. Eine viertel Stunde kostet 15 Euro, davon könnte man zu zweit mit etwas Glück auch Essen gehen.

Wir aber wandern hoch zum Platz des Flohmarktes, doch heute parken hier Autos, der Markt findet nur dienstags und samstags statt, die Schlösser müssen warten. Wir pausieren oben im Park und spazieren dann an der Kathedrale Sao Vicenze vorbei, durch eine geöffnete Tür landen wir an einem Vorplatz mit einem fantastischen Blick über die Alfama, linker Hand streckt sich die 17 Kilometer lange Brücke Vasco da Gama über den Tejo, vor uns lachen uns die Kreuzfahrtschiffe aus. Die Sonne lacht gleichfalls und so sitzen wir hier und lassen Blick wie Gedanken schweifen – bis uns der Hunger wieder in die Parreirinha do Paraiso treibt, die wir jedoch finden müssen. Die Häuser bedeckt mit den vielen Azulejos, den bemalten Fliesen, an den Ecken die schmiedeeisernen Straßenlampen, in allen Ecken und Eckchen stehen kleine Tische mit Stühlen, man lässt es sich gut gehen, unten an der Treppe spielt jemand Gitarre, wir lauschen ein paar Minuten und landen wenige Schritte sweiter tatsächlich wieder in der kleinen Gaststätte – und werden wieder nicht enttäuscht. Man könnte verweilen, wie auch zuvor schon oben an der Kirche mit Blick über die Dächer, doch lässt sich die Zeit nicht einfrieren, so sehr wir es auch versuchen.

Auf dem Weg zurück landen wir wieder in der Innenstadt, der Duft von gerösteten Kastanien zieht über die gepflasterten Wege, Kellner locken dich in Restaurants, Sonnenbrillenverkäufer ziehen ihre Grastütchen hervor, wispern: „Koka?“ Wir aber verkaufen nichts. Nein, wir kaufen nichts.

Oben am Martim Moniz treffen wir auf Vatmier und Steffen, die auch glücklich und begeistert unterwegs sind, auch Sabine kommt uns entgegen und wir treffen tatsächlich noch ein paar Schritte weiter oben unsere Frankfurter Vermieter. Die Welt ist doch ein Dorf und mit zwei kleinen Sagres in der Hand, sitzen wir nur wenig später auf der Terrasse und bewundern die Häuschen der ansteigenden Alfama und dann ist endgültig Matchday. Mit der roten Linie geht es runter zu Baixa-Chiado und dann umsteigen in die blaue Linie zur Haltestelle Colegio Militar/Luz. Die Bahnen sind schnell getaktet, die Wartezeit wird digital angezeigt, ein effizientes System bringt uns hoch zum Stadion, schon beim Aussteigen sehen wir die roten Träger in rechter Nähe in die Sonne leuchten. Direkt vor unseren Augen wächst ein riesiger Komplex in die Höhe, der Verkehr rauscht und wir nutzen die Gelegenheit für einen kleinen Abstecher in den gigantischen Supermarkt im Einkaufszentrum, leider sind fast alle Getränke ungekühlt – bis auf einen kleinen Heineken Kühlschrank, acht winzige Fläschchen für 4 Euro, das ist besser als nichts. Und kaum stehen wir wieder vor dem Zentrum, fallen wir in die Arme von Niko und Ariane, von Marc und Maria, auch Michael ist dabei, wir könnten so auch am Gudes in Frankfurt stehen. So ploppen die kleinen Heineken auf, Prost ihr Helden, auf die Eintracht.

Nach einem weiteren Schöppchen an einem Stand, der auch Bifanas und ähnliches verkauft (wobei wir den wartenden Portugiesen vorgezogen werden) brechen wir auf. Es ist zwar noch früh, doch die angekündigten Kontrollen lassen schlimmes befürchten und wir sehen zu, dass wir vor dem Fanmarsch im Stadion sind. Die Fahnen der Händler wehen vor dem Stadion, wir erstehen einen recht kurzen Spieltagsschal und quetschen und durch eine enge Vorkontrolle zum offiziellen Einlass. Es dauert keine fünf Minuten, bis wir die Kontrolle erreichen, die ordentlich aber nicht unangenehm ist, einzig Ariane wird durchsucht als wir eintreten und sie wird auch noch durchsucht, als alle anderen die Kontrolle passiert haben. Sie wird auch noch durchsucht als wir warten, ihre Gesichtszüge sprechen Bände. Doch irgendwann darf sie auch durch, unsittlich berührt und peinlich betroffen. Oben trennen sich unsere Wege, die einen müssen Richtung Block 33, Pia und ich wandern hoch in die 28. Hoch die Stufen – und da ist er: Der Blick auf den Rasen des Estadio da Luz, dem Stadion des Lichtes. Eintracht Frankfurt international.

Oben sitzen schon Julian und Julian, die uns auch in Mailand ein Stück des Wegs begleitet hatten – doch ansonsten blicken wir auf viele freie Plätze im roten, weiten Rund, das sich nur langsam füllt. Auf den Sitzen liegen für uns weiße Shirts bereit – eine weitere kleine Choreo, vorbereitet von den Ultras, deren Fahne auch schon im nebenan liegenden Block hängt. Aus den Boxen pluggert in angenehmer Lautstärke Musik der 80er, Chris Reas „Road to hell“ wird zur „Road to nowhere“ von den Talking Heads, so zieht die Zeit ins Land, immer wieder ein „Gude wie“ hier und ein „Alles klar“ dort. Ich spaziere runter zu den Toiletten, nebenan gibt es bleifreies Bier und einen Hot Dog zu sieben Euro, lasst mal stecken. Polizisten verhindern, dass du zu nah an den Rand gehst, um das Treiben an den Eingängen zu überblicken. Mittlerweile haben es auch Maj und Jasmin zu uns geschafft und zwei Reihen hinter mir sitzt Özi samt Gattin, der vor vielen Jahren bei den Eintracht Amateuren kickte als ich Stadionsprecher war und heute im administrativen Bereich beschäftigt ist. Etwas später treffe ich unten auf Izet, dem ich noch eine Karte besorgen konnte (Danke Lukas), ich lotse ihn zu uns nach oben, während sich der Adler von Benfica anschickt, seine Runden zu drehen, majestätisch kreist er in der Höhe, doch statt im Mittelkreis zu landen, nutzt er die Gelegenheit für einen Ausflug in die Freiheit – und ward vorerst nicht mehr gesehen.

Langsam füllt sich das Stadion, Fahnenträger stehen unten am Rand zur Haupttribüne und wedeln eifrig und dann geht es los. Doch jetzt drängen auf einmal die Leute in die Blöcke, der Einlass muss später eine Katastrophe gewesen sein, endlose Wartereien und penible Kontrollen. Doch irgendwann ist auch dieser Ärger verdrängt, die Eintracht spielt in Lissabon. Unser Support ist kernig, alleine Megaphon und Trommeln sind nicht erlaubt, ein konzentrierter Fanblock von Benfica ist nicht auszumachen. Und schon ist sie da, die erste Chance, doch Jovic vergibt, Benfica ist schnell, die Eintracht hält dagegen – bis zur 20 Minute. Ein Schubser von N´Dicka führt folgerichtig zum Elfmeter für Benfica und zu unserem Entsetzen auch zur roten Karte für N´Dicka. Der Elfer ist drin, die Eintracht liegt zurück und ist nur noch zu zehnt. Oha. Doch sie hält dagegen – uns schafft in der 40. tatsächlich den Ausgleich. Rebic, der selbst hätte schießen können, legt quer auf Jovic – und unsere Nummer 8 trifft gegen seinen Ex-Club zum wichtigen Ausgleich und zum ebenso wichtigen Auswärtstor. Von den Rängen schallt es stakkatoartig: Eintracht. Frankfurt. Eintracht. Frankfurt. Doch nur wenig später die kalte Dusche, der hoch gelobte Joao Felix trifft mit einem ansatzlosen Schuss in die Ecke zum 2:1 für Benfica. Hah, mit dem Pausenpfiff trifft die Eintracht erneut – doch Kostics Treffer wird die Anerkennung verweigert, der Linienrichter hob nach gefühlten fünf Minuten die Fahne zum Abseits.

Direkt nach Wiederbeginn wird es bitter, erst das 3:1 durch Ruben Dias, dann das 4:1, erneut durch Joao Felix, der Stadionsprecher brüllt die Namen der Torschützen gleich fünf Mal ins weite Rund. Die ersten nehmen gedanklich Abschied von der Europaleague, es sieht kurzzeitig nach einem Debakel aus. Doch die Eintracht findet trotz 1:4 Rückstand und einem Mann weniger zurück ins Spiel – und Paciencia ist es, der tatsächlich das zweite Tor für die Eintracht erzielt, wir sind zurück im Spiel und im Wettbewerb. Ein wichtiges Tor – und nun hat Benfica die Hosen voll, die Eintracht ist dem dritten Treffer näher, als Lissabon dem fünften. Die Hoffnung lebt. Zumal der eingewechselte Haris Seferovic, der einst bei der Eintracht war, nun wie bekannt nicht wirklich Angst und Schrecken verbreitet. Möge dies im Rückspiel so bleiben, die Zuversicht ist zurück. Kostic hat noch einen Treffer auf dem Schlappen, doch der Ball geht über das Tor, es bleibt beim 2:4.

Nach Spielende leert sich das Stadion, wir singen noch im „Herzen von Europa“, müssen eine halbe Stunde verharren und wandern zu dritt Richtung Metro. Diese steht schon bereit, sie ist proppevoll, doch wir finden noch ein Plätzchen. Von hinten ruft es: „Beve“. Öri grinst mich an, Matze und Thor sind auch dabei, dann geht es los. Oben stehen noch zig Leute an den Fahrscheinautomaten, wir preisen die Tageskarte. Die Metro rauscht an der ersten Haltestelle vorbei, an der zweiten, an der dritten – und die ersten werden nervös. Tatsächlich, bis runter zum Terreiro do Paco fährt die Bahn durch, alle, die früher aus- oder umsteigen mussten haben gelitten. Und da die Haltestelle keine Möglichkeit zum Umsteigen bietet, müssen diejenigen mit Einzelfahrschein eine weitere Karte lösen, so sie nicht am Ziel sind. Wir haben Glück, müssen zu Fuß nur zur nahen Baixa-Chiado und sind nach zwei weiteren Stationen wieder zuhause. Es ist frisch geworden. An der Bar Josephine nehmen wir noch einen Absacker, bringen Izet zum Taxi und fallen in die Kojen. Der Traum lebt.

Freitag, 12. April 2019

Raus aus den Federn, die Sonne lacht. Unser heutiges Ziel lautet Cascais, ein Ort am Atlantik, leicht zu erreichen mit einem der Vorortzüge, für die du eine spezielle Tageskarte brauchst, aufzuladen an den klassischen Automaten, Kostenpunkt 10,40 Euro. Izet kommt zu uns runter, wir frühstücken und fahren dann runter zum Cais do Sodré. Von hier fahren die Fähren über den Tejo, von hier fahren auch die Bahnen nach Cascais – und wir wissen: Den schönen Fensterblick auf den Tejo hast du, wenn du in Fahrtrichtung links sitzt. Dies klappt tadellos und schon rollt die Bahn an, wir rollen an Belem vorbei, am Denkmal, am Torre de Belem, halten alle naslang, vor unseren Augen schiebt sich der Tejo in den Atlantik, vor unseren Augen offenbart sich das Meer, es schmeckt nach Sommer. Hinter Estoril liegt Cascais, wir steigen aus, schlendern durch den Bahnhof in die belebte Fußgängerzone, die Tische sind besetzt, Urlaub.

Jetzt lassen wir uns treiben, beobachten Jungs beim Beachsoccer, der Strand ist belebt, Sonnenanbeter lassen sich die Strahlen auf den Pelz scheinen, Tuchverkäufer lassen ihre Tücher im Wind flattern, Kristian kommt vorbei, auch hier ein Gude wie. Noch vor ein paar Monaten haben wir in Zypern am Pool gesessen, vor ein paar Wochen am Marktplatz in Charkiw gefroren. Jetzt schauen wir auf den wilden Atlantik. Von hier sind es übrigens um die 4,500 Kilometer bis Charkiw, eine andere Welt und doch die Welt des Europapokals.

Wir umrunden das Fortaleza da Nossa Senhora da Luz, marschieren einen kleinen Weg zwischen Felsen nach unten, ein Ausläufer führt Wasser in Landesinnere, gegenüber glänzt der blau-weiße Leuchtturm in die Sonne und wir bleiben sitzen und lassen uns die Sommersonne auf die Nase scheinen, bis ein Sonnenbrand droht, derweil sich eine Familie um uns scharrt und der festen Ansicht ist, sie sei alleine auf der Welt.

Zurück geht’s in die Altstadt, mit einem Eis in den Händen ans Ufer. Surfer nutzen die Wellen, an den kleinen Stränden wird schon im April gebadet und wir schlendern die Uferpromenade entlang, bis wir in Estoril einen schönen Platz in einem Strandcafé finden und wieder auf den Atlantik schauen. Erneut möchte man die Zeit anhalten, doch diese gerinnt zur Erinnerung an Etwas, das eben noch Gegenwart und jetzt schon tiefe Vergangenheit scheint.

So kommt auch hier die Zeit des Aufbruchs, wir sind nur ein paar Schritte entfernt von der Station Estoril, beim letzten Tuchhändler erstehe ich noch ein großes Strandtuch, es ist nicht das schönste, aber das letzte – und so suchen wir den Bahnsteig, der freundliche Tuchhändler taucht wie aus dem Nichts auf und erklärt uns den Weg, wahrscheinlich hat er Feierabend und ein paar Euros verdient. Lange müssen wir nicht auf die Bahn warten, die uns in den sonnigen Abend nach Lissabon zurück bringt. Mit unseren sonnenroten Nasen nehmen wir die Metro zur Alfama, verfluchen an der Station Santa Apolonia die Kreuzfahrtschiffe und wandern hoch zum Park, nehmen einen Galao mit Blick auf den Tejo und entern nur wenig später eine Taverne, auf deren Grill Chorizos und Sardinen, Doraden und Barsche darauf warten, von uns verzehrt zu werden. Doch noch ist der Tag nicht zu Ende, mit einem Bähnchen der Linie 28 geht es zurück in die Innenstadt. Und diese Fahrt hat es in sich, es ist wohl die schnellste Fahrt aller Zeiten. Während die Electrico ansonsten gemächlich durch die Gassen zuckelt, rasen wir durch das Viertel, als gäbe es kein Morgen. Wir werden hin und her geschleudert, Fahrgäste halten sich nur mühsam an den Griffen fest und binnen Sekunden sind wir wieder in der Baixa. Möge der Fahrer noch rechtzeitig zum Tatort zu Hause sein.

Mit der Metro geht es hoch zur Station Intendente, die Bar Josephine hat noch geöffnet und so sitzen wir bei Weißwein und Sagres draußen und lassen die schönen Stunden Revue passieren. Es ist ein emsiges Treiben auf dem Platz, die Tische sind gut besetzt und es wird spät, bis wir uns von Izet verabschieden und zufrieden und mit leichtem Sonnnenbrand in die Betten fallen. Und während draußen der nächtliche Verkehr rauscht, ist unsere letzte Nacht angebrochen. Wir verschlafen sie, ohne aufzuwachen, ob sie traumlos war, vermag ich nicht zu sagen.

Samstag, 13. April 2019

Der finale Morgen. Aus der kleinen Box im Zimmer ertönt Falujas do Tejo von Madredeus, der Presslufthammer übertönt den Verkehr, vielleicht war das auch gestern, wir packen unsere Sachen zusammen, rauchen eine letzte Zigarette auf der Terrasse, lassen unser Gepäck an der Rezeption und treffen uns mit Izet zum Frühstück. Wieder sitzen wir im gleichen Café, vor mir die letzten Pasteis und Rissois de Camarao, ein letzter Galao und dann nutze ich die Gelegenheit, mir die kleine tönerne Tasse im Laden nebenan zu kaufen, Pia kommt kurz mit, hat ein Auge auf einen bunten Untersetzer geworfen. An jedem Tag bin ich hier vorbei gelaufen, an jedem Tag hat mich die Tasse angelacht, so auch heute. Der Laden scheint geschlossen, doch er hat geöffnet, es ist eine Art Café mit Souvenirverkauf, die Verkäuferin zeigt mir die Sachen im Geschäft, die Tasse ist nicht dabei. Aber sie steht ja im Schaufenster, kostet 4,50. Eher widerwillig kommt sie mit, die Verkäuferin, nicht dieTasse, klappt eine Lade nach unten – und will sie mir dennoch nicht verkaufen. Bedröppelt stehe ich da. Und sie kümmert sich nicht weiter um mich, nicht um Pia, die eigentlich ja auch noch einen Kauf vor hatte. Und so schleichen wir uns langsam mit leeren Händen aus dem Laden.

Was soll’s, andere Mütter haben auch schöne Tassen und so fahren wir runter in die Stadt, Izet, dessen Flug früher geht, braucht noch ein paar Souvenirs, die auch flugs in die Taschen wandern. Bald verabschieden wir uns, Izet verschwindet mit einem Winken in der Metro am Praca da Figueira und wir spazieren runter zum Tejo, versinken im Blick auf das Wasser bei Gitarrenmusik, ach Augenblick, verweile doch, du bist so schön. Da wir noch ein bisschen Zeit haben, spazieren wir ein letztes Mal in die Alfama – heute ist wieder Flohmarkt, vielleicht findet sich ja doch noch ein Ante-Schloss. Doch so sehr wir auch gucken, es ist nicht aufzutreiben und so genießen wir das Getümmel, trinken oben noch einen weiteren Galao und brechen dann auf Richtung Rua do Paraiso. Erstaunt stellen wir fest, dass unser kleines Restaurant brechend voll ist, Menschen warten bereits auf der Straße. Wir bummeln also weiter durch die Gassen, kehren zurück – und müssen tatsächlich noch eine gute halbe Stunde warten, bis wir zwei Plätze finden, doch es lohnt sich. Meergesalzener Wolfsbarsch, Käseomelette und ein letzter Wein entschädigen für die Warterei – und schon naht die Zeit des Abschieds. Ein letzter Bummel durch die Alfama, ein letzter Blick unten auf den Christo Rei – und dann erstehe ich doch noch meine Tasse. Es ist zwar eine andere, aber es ist meine, handgemalt in Portugal und schon sind wir wieder an der Unterkunft.

Mit gepacktem Bündel laufen wir hoch zur Metro Intendente, an der wir doch eben erst gelandet sind, ich vermisse meine Lesebrille, renne noch einmal zurück, kann sie aber nicht finden. Etwas Schwund ist ja immer. Pia wird ob der Zeit leicht nervös, aber ich mache mir keine Sorgen, wenn keine Katastrophe geschieht, sind wir locker am Flughafen – und so kommt es auch. Da wir wieder online eingecheckt haben, müssen wir nur durch die Sicherheitskontrolle, dies geht flugs und auch den Duty Free Bereich durchqueren wir locker. Da unser Flug überbucht ist, verzögert sich der Abflug, aber auch der Moment des Abhebens folgt so sicher wie das Amen in der Kirche und schon sind wir hoch oben in den Wolken und schweben Frankfurt entgegen. Meine Lesebrille war aber doch in der Jackentasche. Die einzigen, die wir übrigens dort unten nicht wie sonst getroffen haben, war die Familie Minden. Das war wohl der wahre Grund für die Niederlage.

In Frankfurt angekommen, müssen wir noch eine ganze Zeit lang durch das Terminal latschen, bis wir endlich an der S-Bahn sind, natürlich müssen wir länger warten als in Lissabon und zudem noch kurzfristig den Bahnsteig wechseln, doch schon rauschen wir am Stadion, in Niederrad und an der Hauptwache vorbei und springen bei frösteliger Kälte an der Konsti in die 12 Richtung Nordend. Dann schlurfen wir die letzten Meter nach Hause. Es ist Mitternacht. Es ist kalt, die Gedanken aber führen uns nach Lissabon, an den Tejo, in die Alfama, an das Restaurant auf der anderen Seite des Flusses und an den Leuchtturm von Cascais. Meine bunte Tasse füllt sich mit Tee, wir sind müde. Danke für die schöne Zeit Lissabon, muito obrigado Lisboa, wir kommen wieder.

Hier findet ihr den ersten Teil der Reise und unten die Bilder. Bis bald!