Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Oberfinanzdirektion Frankfurt

Diesen Beitrag hatte ich vor einigen Tagen eingestellt, ahnungslos, welche Tragik das Schicksal bereit hält. Nur wenige Tage später ist ein junger Mann an seinem 23sten Geburtstag genau an dieser Stelle tödlich verunglückt. Ich war und bin schockiert und habe den Text vorrübergehend unkommentiert aus dem Netz genommen. Noch immer fehlen mir eigentlich die Worte. Bleibt, den Hinterbliebenen mein Beileid auszusprechen und die Warnung an euch: Passt auf euch auf.

Frankfurt, 30.09.2014

Folgender Text wurde mir anonym zugespielt, ich komme der Bitte um Veröffentlichung gerne nach, weise jedoch auf die Illegalität des nun Folgenden hin:

Es war ein eher grauer Sonntag Morgen. Das lag zum einen daran, dass die Eintracht tags zuvor trotz Führung und späterer zahlenmäßiger Überlegenheit nur einen Punkt auf Schalke mitnehmen konnte und zum anderen, dass der Herbst mächtig an die Tür klopfte. Da der Tag des Friedhofs auch nicht gerade der Bringer war, kam uns die Idee, das leerstehende Gebäude der einstigen Oberfinanzdirektion an der Adickesallee einmal anzuschauen.

Dessen Abriss steht bevor, der Anfang ist gemacht. Eigentlich könnte das Gebäude ja schützenswert sein, vor allem der auf Stelzen stehende Vorbau. Doch allem Anschein nach, wurden in den 70ern bei der Sanierung grobe Fehler gemacht und mit nachhaltig giftigen Materialien gearbeitet – und so wird der denkmalgeschützte Bau demnächst dem Erdboden gleichgemacht, ein Neubau wird die Frankfurt School beherbergen. Eine Lücke im Bauzaun flüsterte uns zu: Kommt doch mal rein und dieser Aufforderung sich zu widersetzen wäre grob unhöflich gewesen.

Eingeschlagene Fenster am Gebäude begrüßten uns, die nicht die Ersten waren, die sich hier historisch interessiert umschauten. Graffiti und leere Flaschen sprachen beredt Zeugnis vergangener Besuche. Da die Eingangstür nicht wirklich verschlossen war, wagten wir einen zaghaften Blick hinein. Dort, wo bis 2009 ordentlich gekleidete Angestellte freundlich nickend und Mahlzeit sagend durch die schmalen Gänge gewandelt sind, lagen nun Müllsäcke, Scherben und Schutt. Die Büros waren geräumt, die Wertsachen verschwunden.

Eine Wendeltreppe führte Stockwerk für Stockwerk nach oben, überall das gleiche Bild, entglaste Fenster, schmale Gänge und Büros Tür an Tür. Beim nördlichen Blick aus dem Fenster erkannten wir auf den Hockeyplätzen des SC1880 emsige Aktivitäten, geschützt werden diese Plätze durch einen Containerwall. Je weiter wir nach oben kletterten, desto spektakulärer wurde der Blick auf die Skyline. Im obersten Stockwerk befand sich die Kantine, und wir fühlten uns förmlich in die Zeit der Nutzung zurück gesetzt. Tellerklappern, Mahlzeit Herr Direktor Schablonski, Mahlzeit Frau Müller, was macht der Nachwuchs? Und die Eintracht hat doch tatsächlich den Uefa-Cup gewonnen, großer Tag gestern, nicht wahr, Herr Schlurch. Wer früh kam, setzte sich ans Fenster, löffelte seine Suppe und blickte nachdenklich auf die Stadt. Auf der Adickesallee brauste der Verkehr, weiter hinten wackelte die Leuchtreklame der PX, der Zylinder, der Stock. Der Blick in den Aufzugschacht machte gruseln, ein Sturz nach unten und vorbei wäre es mit der Herrlichkeit.

Und siehe da, der Neugierige wird belohnt, eine Stiege führte aufs Dach, das wir zaghaft betraten. Vorsichtig die Dichte des Daches geprüft und schon schweifte der Blick über Frankfurt, die neue EZB drohte umzukippen, nur zu. Unten waren die Hockeyspiele in vollem Gange, bei einem stand es 6:3, wir plädierten für Abpfiff. Daneben konnten wir sogar ein Rugbymatch beobachten. In der Stadt standen die Hochhäuser dicht an dicht, während die Hügel des Taunus im Grau versanken. Auch hier waren wir nicht die Ersten, ein Flaschensammler hätte sich ein nettes Zubrot verdienen können. Handgeschriebene Texte an den Wänden kündeten von Beziehungsprobleme junger Menschen, ein Wind umwehte unsere Nasen.

Beeindruckt wanderten wir nach unten und begrüßten vor dem Eingang zwei junge Menschen, die wohl die gleiche Idee hatten. Doch zuvor wollten sie unsere Ausweise sehen, die wir selbstredend dabei hatten. Ganz in Blau gewandet, machten sie einen ernsten Eindruck, später kamen noch Kollegen hinzu, die aber freundlich lächelten. Nach dem Willkommensprozedere kam es noch zu einem netten Plausch und wir wurden nicht nur ob der Gefahr unseres Vorhabens belehrt, sondern gefragt ob alles ok wäre. Auf die Antwort, dass ob des Wetters die Aussicht jetzt nicht gerade überragend gewesen sei, kam der Hinweis auf die Nacht.

So entfernten wir uns hochbeeindruckt und vergessen nicht, darauf hinzuweisen, dass die ganze Aktion natürlich streng verboten und gefährlich ist, die Krankenkasse bei eventueller Verkrüpplung nicht für die Kosten aufkommt und man solchen Unfug besser lässt, will man nicht unnötig mit Gesetzeshütern in Konflikt geraten. Uns war das in unserer grenzenlosen Naivität gar nicht bewusst und es kommt auch nie wieder vor. Vom Maintower soll man ja auch einen schönen Blick haben. Fragt sich nur, wann dieser abgerissen wird …

12 Kommentare

  1. Eintracht-Laie

    Verrückte Welt, früher wollte keiner freiwillig die Oberfinanzdirektion besuchen, heute wird Kopf, Kragen & Krankenkassenleistung riskiert um illegal dort einzudringen.

    Dann mal einen schönen Gruß an den anonymen Verfasser.
    Highlight neben den Bildern, das Horchen auf frühere Konversationen und „…zwei junge Menschen, die wohl die gleiche Idee hatten. Doch zuvor wollten sie unsere Ausweise sehen…“
    :-)

    • Beve

      ich weiß gar nicht, wer der Verfasser ist und habe alle digitalen Unterlagen schnustracks vernichtet.

  2. Pia

    Das waren bestimmt wieder so ungezogene Rotzlöffel. Denen sollte man mal die Ohren lang ziehen. Ignorieren „Betreten verboten“ Schilder, begeben sich in Lebensgefahr und beschäftigen mit einem solchen Unfug auch noch die arme Polizei. Junge, warum haben die nichts gelernt? Bereiten ihren braven, rechtschaffenen Angehörigen nur Kummer! Deutschland, quo vadis?

    (Kommentar, anonym zugespielt)

    • Eintracht-Laie

      Du meinst, der nächste Gesprächskreis der AM* sollte diesen Vorfall mal thematisieren? Ach komm, lassen wir den kleinen und großen Jungs doch ihren Spaß. ;-)

      * Anonymen Mütter

  3. DariLux

    Zum Glück aber wird der Vorbau auf Stelzen nicht abgerissen. Er soll in den Neubau integriert werden. Also so war’s mal geplant…

    • Beve

      Na, da bin ich mal gespannt, der Vorbau ist ja mit dem Hauptgebäude verbunden.

  4. Kid

    Den freundlichen Herren in Blau sei der mir eben – natürlich anonym – zugespielte § 52 SGB V zum näheren Studium empfohlen. Der besagt im Absatz 1 mitnichten, dass die Krankenkasse bei einem vorsätzlichen Vergehen nicht für die Behandlungskosten aufkommt, sondern lediglich dass die Krankenkasse den Versicherten in diesem Fall „an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen kann“. Kann bedeutet bekanntlich nicht muss.

    Anders sieht das bei denen aus, die ohne medizinische Notwendigkeit an sich herumschnippeln, Löcher in oder Bilder auf die Haut stechen lassen. Da nämlich „hat“ – oder mit einem anderen Wort: muss – die Kasse den Versicherten angemessen an den Behandlungskosten beteiligen.

    Ob das gerecht ist? Keine Ahnung. Ich kann mit dem Begriff Gerechtigkeit so wenig anfangen, dass ich trotz Abo nicht eine Zeile zu diesem Thema in der FR gelesen habe. Und wenn ich bei etwas mitbabbeln will, von dem ich keine Ahnung habe, aber ungefähr weiß, was ich will, bleibe ich lieber beim Fußball und damit der Eintracht.

    PS: Die Herren in Blau wissen wahrscheinlich auch ohne näheres Studium des besagten Paragrafen Bescheid. Wenn sie dann dennoch das erzählen, was dazu geeignet ist, am meisten Angst zu machen und einzuschüchtern, passt das. Zu den Gesellschaften und Systemen, die Menschen überall auf der Welt entwerfen, und wie sie ihre Kinder erziehen, damit sie in diesen Systemen auch möglichst reibungslos funktionieren.

  5. Beve

    Na, da sitzt ja der Richtige am Thema, danke. Da die beiden Anonymen selbstverständlich nicht in die Praxis der Krankenkassen eingeweiht sind, lasse ich ihnen deine Ausführungen mal zukommen.

    Nicht dass sie sich hätten einschüchtern lassen, aber es ist gut, im Zweifel Kompetenz nicht nur vorzutäuschen, sondern gleichwohl zu beitzen.

  6. pelo

    Nur mal gugge, jaja. Dreggische Hausbesetzer, Stadionverbot sollt mer so nem Pack verpassen.

  7. ppffm

    „Heute Morgen kurz vor 07.00 Uhr ist ein 23-jähriger Mann vom Dach des ehemaligen OFD-Gebäudes an der Adickesallee gestürzt und tödlich verletzt worden.“
    http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/4970/2840463/pol-f-140926-659-nordend-23-jaehriger-toedlich-verunglueckt/rss

    • Beve

      Das ist tragisch, mein Beileid an die Angehörigen und Freunde. Danke für die Information.

  8. GrußGottAugust

    Tja, das gute alte OFD-Gebäude. Immer wenn ich die Adickesallee entlangfahre muß ich daran denken daß ich in dem auf Stelzen befindlichen Vorbau einst meine Prüfungsklausuren geschrieben habe. Früher dachte ich immer daß sich darin die Kantine befände – wegen der aussicht. Aber dem war nicht so, die Räume wurden für den schnöden Alltag einer Steuerbehörde genutzt.

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