Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Sebastian Jung, Nationalspieler

In der 71. Minute des Länderspiels in Hamburg gegen Polen wurde ein junger Mann mit der Nummer 2 für Kevin Volland eingewechselt. Keine große Sache eigentlich – aber für Sebastian Jung in Diensten von Eintracht Frankfurt war es das Debüt im Nationaldress – nachdem er im vergangenen Dezember bei der Partie gegen die Niederlande 90 Minuten auf der Bank schmoren musste.

Jung, der schon als Knirps zur Eintracht kam, durchlief dort alle Jugendmannschaften bis hin zur U23, ehe er unter Trainer Funkel auch in der ersten Mannschaft zum Einsatz kam. Am 8.3.2009, am 110. Geburtstag der Eintracht also, wurde er im Spiel bei Arminia Bielefeld in der 75. Minute für Patrick Ochs eingewechselt. Wenige Wochen vor seinem 19. Geburtstag sicherte er das 0:0. In jener Saison absolvierte er insgesamt sechs Spiele für die Eintracht, gewinnen sollte er keins davon.

Mit Beginn der Saison 2009/2010 übernahm Michael Skibbe das Traineramt – und Jung musste sich gedulden. Erst am neunten Spieltag durfte er ran – für eine einzige Minute – und prompt konnte er gegen Hannover seinen ersten Sieg feiern. In der Vorrunde spielte er noch ein einziges Mal, zu wenig für den talentierten Rechtsverteidiger. Doch in der Rückrunde kam auch Skibbe nicht mehr an ihm vorbei, je länger die Saison ging, desto weniger war Sebi aus der Mannschaft wegzudenken. Sein erster Treffer für die Eintracht gelang ihm mit einem fulminanten Schuss beim 3:2 Auswärtssieg in Dortmund.

In den folgenden vier Jahren zählte Sebastian Jung zum unverzichtbaren Stamm bei der Eintracht und trug mehrfach die Kapitänsbinde, die Eintracht stieg ab, wieder auf, verzauberte die Liga, reiste durch Europa und blieb so manches Mal hinter den Ansprüchen zurück – aber auf den Verteidiger war stets Verlass, schnörkellos verteidigte er und bereitete als Flankengeber so manchen Treffer vor, in der abgelaufenen Saison deren acht. Gesperrt war er aufgrund einer fünften gelben Karte nur ein einziges Mal in den vergangenen fünf Jahren, eine gelb-rote oder glatt rote Karte gab es für ihn gar nicht.

Dennoch dauerte es bis zum Winter 2013, ehe er von Bundestrainer Löw erstmals in den Kader der Nationalmannschaft berufen wurde, sein Einsatz aber war erst gestern in Hamburg fällig. Auch wenn die Bayern und Dortmunder ob des bevorstehenden Pokalfinales nicht dabei waren, so ist das Debüt hochverdient. Zu einer Teilnahme an der WM in Brasilien wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht reichen, Jogi Löw wird wissen warum.

Sebastian Jung ist der erste Nationalspieler der Eintracht seit 1999. Damals debütierte ein gewisser Horst Heldt im Spiel gegen Schottland (übrigens gemeinsam mit Michael Ballack) und durfte beim Confed-Cup Wochen später noch ein einziges weiteres Mal ran – und er ist der erste deutsche Nationalspieler der Eintracht der Neuzeit, der am Riederwald groß geworden ist, sieht man einmal von Jermaine Jones ab, der bei seinem ersten Länderspiel allerdings schon länger nicht mehr das Trikot der Eintracht trug.

Auch wenn derzeit alles für einen Wechsel Jungs nach Wolfsburg spricht, so ganz habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er weiter bei der Eintracht bleibt. Der Mann der in Frankfurt die 24 trägt, in Erinnerung an sein Vorbild Alex Schur – der in Frankfurt eine Legende geworden ist. Und eine Eintracht-Legende kann er werden, der Mann aus Königsstein, der beim Aufstieg der Eintracht 2005 gegen Burghausen noch Balljunge gewesen ist. Dazu müsste er allerdings noch ein paar Jährchen hier spielen. Wir aber müssen im Museum die Vitrine mit Autogrammkarten der Nationalspieler der Eintracht öffnen und ein neues Exponat dazu legen. Das machen wir natürlich gerne. Herzlichen Glückwunsch Sebastian Jung, die Eintracht ist stolz auf dich!

Foto Eingangsbild: Stefan Krieger

18 Kommentare

  1. pia

    Auch hier nochmal mein gestern formulierter Gedanke:
    „Ich hoffe ja, dass Sebi Jung bleibt. Auch wenn es unwahrscheinlich ist. Die Fußballromantikerin in mir (jaja, die gibt es noch, es ist noch nicht gänzlich erloschen) wagt zu hoffen, dass der Kerl VW absagt. Und zwar sollte er das mit einem Eintrachttrikot auf der Geschäftsstelle in WOB machen und dann sagen: “Schiebt euch euer Geld in den … “, grinsen und dann lässig zur Tür heraus. Hachja, das wär was.“

    Sebi, bleib!!! Wir in FFM sind stolz auf dich! Scheiß auf die VW-Kohle! Gib den Fußballromantikern dieser Welt einen Funken Hoffnung!

    • Beve

      Wäre klasse, wenn’s so kommt :-)

  2. fg-sge

    Wie du das alles immer noch so gut weißt Beve :-) Find ich auch gut das unsere Eintracht wieder einen Nationalspieler hat, sehr gerne noch viele Jahre ! Nur der Glube fehlt. (Leider)

    • Beve

      Ganz ehrlich, manchmal guck ich nach :-)

  3. Kid

    Sebastian Jung. Er war der einzige Grund, warum ich mir nach einer Saison mit vielen schwachen Spielen der Eintracht das torlose Unentschieden gegen Polen angetan habe. Aber das tat ich nicht, weil er seit dem Einsatz des damals gerade zur Eintracht gewechselten Horst Heldt am 30.7.1999 gegen die USA der erste Spieler ist, der für den DFB ein A-Länderspiel bestritt und dabei bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag steht. Nein, ich tat es einfach und nur aus Wertschätzung gegenüber dem jungen Mann. Und als er dann endlich 20 Minuten vor Schluss an der Seitenlinie stand, jubelte ich so laut, dass aufmerksame Nachbarn wohl einen deutschen Treffer vermutet haben.
    Vor meinem geistigen Auge sah ich in diesem Moment wieder den Jungen, der Anfang 2010 seitlich am Tresen des Eintracht Frankfurt Museums stand und den damaligen U17-Spielern Erik Wille und Julian Dudda vor der Veranstaltung „Stars von Morgen“ von seiner Bäckerlehre berichtete, die ihn nachts aus dem Bett bat und meist hundemüde zurückließ. „Noch muss er mit anpacken, wenn es im Trainingsspiel gilt, die Tore aufzubauen – doch bald wird ein Jüngerer kommen und diese Arbeit übernehmen“, hast du damals in deinem Blogeintrag zu jenem Abend im Museum geschrieben. Und seit Dienstagabend ist der ehemalige Bäckerlehrling und Toreaufbauer Sebastian Jung Nationalspieler. Ob er bei der Eintracht bleiben oder ihn sein Weg aus Frankfurt fortführen mag: Ich gönne es ihm von Herzen.
    Er hat es sich verdient. Mit dem Talent, den Einsatz und den Leistungen, die er in den letzten Jahren gezeigt hat. Und weil er immer noch der ist, der er damals war. Er ist genau der Jung geblieben.

    • Beve

      Das ist ja auch schon wieder vier Jahre her. Die Option, bei Jungs Debüt am TV dabei zu sein, war auch mein Grund, das Spiel zu gucken. Wäre schön, so er bei der Eintracht bleiben sollte.

  4. gereizt

    Zu recht bleibt Jung der Spott erspart, dem einst dem Eintracht-Heldt-Horst nach seiner Mexiko-Reise mit der Nationalelf widerfuhr:

    „Es tut weh, wenn man die Spieler nun als Bratwürste hinstellt“, gab Heldt zu und versicherte, „dass alle ihr Bestmögliches gegeben haben.“ Dies sei diesmal aber nicht genug gewesen. Den Ärger der Fernsehzuschauer könne er trotzdem verstehen, „denn wir haben nun wirklich schlecht gespielt.“ (FNP 3.8. 1999 „Bratwurst Heldt: Das tut weh“ von uns Peppi).

    Ein schöner Text, den Jung verdient. Danke Beve. Jung bleibt bei mir in guter Erinnerung, auch wenn er jetzt zu denen da wechselt. Und wenn er bleibt, kriegt er nen Stein in meinem Kopfbrett. Ohne Bratwurst… die futter ich selbst.

    • Beve

      Genau, Bratwurst für uns :-)

  5. Goyschak

    Damals, im Jahr 2010, bei den Vorbereitungen zum PFYC Fabelweltrekord haben wir viele Spieler per Mail angeschrieben, ob sie etwas Werbung auf ihrer Homepage für das Event machen können. Rückmeldungen gab es damals zwei. Amas Management und als einziger Spieler, der sich persönlich gemeldet hat, Sebi Jung. Es ergab sich ein sehr netter Schriftwechsel. Sypathischer, bodenständiger Kerl, dem ich nur Gutes Wünsche und das „Label“ Nationalspieler von ganzem Herzen gönne.

    Es würde mich wahnsinnig feuen, wenn er hier bliebe.

    • Beve

      Wir sollten alle gemeinsam mal mit Sebastian sprechen :-)

  6. pia

    Sebi nach WOB.
    Und schon wieder stirbt ein Teil der Fußballromantik in mir. Es war zu erwarten, ich kann es ihm auch nicht verdenken – obwohl mir wohler wäre, es würde bspw. nach England gehen oder so. Könnte ich besser mit leben.
    Gehofft hab ich trotzdem, und ich hoffe, dass ich das Hoffen auch nicht so schnell aufgebe.
    Vielleicht werd ich ja irgendwann mal belohnt :-)
    Yeah, das ist Naivität!

    • Beve

      Pia, ich hoffe es für dich :-)

  7. Simone

    Kann mich Pia nur anschließen. Hatte auch irgendwie die Hoffnung, ins Forum zu schauen und zu lesen, dass er bleibt. Ganz naiv, ganz fussballromantisch, ganz sentimental.

    Kann es ihm natürlich nicht verdenken, wenn man sieht, wie die VWs die Jungs mit Kohle zusch….. , wenn er doch wenigstens nach England/Italien oder sonstwo hin wäre. Mag ihn nicht gegen uns spielen sehen.

    Schade, aber auch dem jungen Bäckerburschen reichen keine 8 Mio. in 4 Jahren…..

    Können uns jetzt wohl von dem Gedanken der ewigen Fußballtreue verabschieden.
    Aber immerhin haben wir ja noch unseren AM14FG und vielleicht packt Thomas Schaaf ja auch wieder 14 Jahre.

    Ein wenig desillusionierte Grüße
    Simone

    • Beve

      alex meier. 14. thomas schaaf – 14 jahre. wenn das mal kein zeichen ist.

  8. Schnellinger

    Ernüchternd.
    Man kann ja wechseln. Warum es aber ausgerechnet der Kackclub und nicht einer mit Renommee sein muß, naja. Verdammte Geldscheißer Werksclubs….

    • Beve

      So ist es. Traurig …

  9. Goyschak

    Nachtrag:
    Habe Sebi per Mail viel Glück in WOB gewünscht und er hat tatsächlich geantwortet. Ein Zeichen für mich, dass er trotz WOB immer noch ein Guter ist.

    • Beve

      Das ist er, der einzige Verlust, den ich hoch bedaure.

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