Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Mal wieder Tatort: Melinda

Saarbrücken also, dort wo die Frankfurter Eintracht in der Saison 88/89 dem drohenden Abstieg mit Ach und Krach von der Schippe gesprungen ist. Um Fußball ging es nicht, wobei natürlich im Büro des Kommissars resp der Kommissarin ein Wimpel des FCS eine Nebenrolle spielte. Man muss das machen, das zeugt von einer gewissen Erdung. Und weist den Zuseher auf den Ort der Handlung hin, den man sonst nicht wirklich erkennen könnte.

Seit Jahren bemühen sich die Tatortmacher darum, möglichst originell zu erscheinen, auf dass man sich nicht den Dingen zuwenden muss, die den Zuschauer wirklich fesseln, irritieren oder gar in den Bann ziehen. Dass dies durchaus möglich ist, beweisen einige Folgen wie Borowski und die Frau am Fenster oder Weil sie böse sind. Manchmal gelingt es den Schauspielern, die Sache rauszureißen – wie Simone Thomalla oder der von mir hoch geschätzte Martin Wuttke im Leipziger Tatort. In der Regel aber scheut sich der Tatort wie der Teufel das Weihwasser davor, irgendjemandem zu nahe zu treten, verstörende Bilder zu zeigen oder ein Thema substantiell anzupacken. So haben wir es in Melinda mit Gangstern zu tun, welche aus dem arabischen Raum kommen, hochoffizielle Vertreter des Landes sind in kriminelle Machenschaften verwickelt – nur aus welchem Land sie kommen, wird nie gesagt. Stets ist von „Heimat“ die Rede, man will ja niemandem zu nahe treten – und erreicht im Grunde damit das Gegenteil, es könnten ja schließlich alle sein. Geschenkt, es ist ja nur ein Film.

Neuer Hauptkommisar ist Devid Striesow, dessen Name bislang meist für zumindest annehmbare oft gar für hervorragende Produktionen steht, welches nicht zuletzt wiederum ihm zu verdanken ist. Eine gute Wahl also. Mit Saarbrücken hatte er bislang nicht allzuviel am Hut, von daher kommt er auch im Film neu in die Stadt. Für Lokalkolorit soll seine Kollegin Lisa Marx sorgen, deren Darstellerin Elisabeth Brück aus der Region stammt. Diese sympathisiert letztlich auch mit dem hiesigen Fußballverein.

Während Lisa Marx rein optisch als saarländische Lara Croft inszeniert wird, inclusive Pferdeschwanz, Sonnenbrille und Top und sich im Laufe der Sendung als recht statisch erweist, gibt Striesow – oder besser muss Striesow den asiatisch angehauchten entspannten Clown mit Herz geben, der mit Shorts und Gummistiefel durch einen Baumarkt stolpert und mit schweren Kopfhörern Reggae, es war doch Reggae, hört. Und dort ganz zufällig mit einem Verbrechen konfrontiert wird. Um genau zu sein, wird er mit einem Mädchen konfrontiert, welches auf der Flucht zu sein scheint. Melinda, gespielt von Mila Böhning, spricht kein Deutsch und sieht nett aus.

Und damit kommen wir schon zum ersten NoGo. Wenn ein Ermittler zufällig in ein Verbrechen gerät, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, es ist die einfachste Möglichkeit, schon zu Beginn jegliche gedankliche Leistung zu vermeiden. Und fortan ist der skurrile Ermittler mit dem netten Mädchen auf der Flucht, später sogar auf Socken, ohne Gummistiefel. Derweil eine Staatsanwältin zwischen einer Karikatur der Obrigkeitshörigkeit und gretelischer Ablehnung des Ermittlers schwankt. Diese Figur ist mit das greulichste, was im deutschen Fernsehen zu sehen war – und ich selbst schwanke noch, ob es an der völlig überzogenen Darstellung von Sandra Steinbach oder an der Inszenierung liegt, womöglich liegt es mittendrin. Sicher, es gibt sie, die Damen im Hosenanzug, welche die Hosen eben anhaben und in der Mischung zwischen versteckter Weiblichkeit und Karrieresucht jeglichen Geschmack verloren haben, so sie welchen hatten und in Macht und Pieksigkeit völlig aufgehen. Aber in der finalen Einstellung, als sie hin und her geht und dabei doziert, hören wir förmlich die Anweisungen der Regie. Oder sollen wir das alles womöglich gar nicht ernst nehmen? Märchenhaft leicht, augenzwinkernd, gar ironisch? Das Klischee als Stilmittel des Parodistischen? Dann wäre aber das Thema des Drogenschmuggels durch Kinder dezent verfehlt, denn dies scheint in der wirklichen Welt durchaus gängige Praxis zu sein und dies wiederum zu persiflieren wäre zynisch.

Man kann es drehen und wenden, gute Haare sind es indes nur wenige, so die Selbstverständlichkeit einer Aussage Jens Stellbrinks, wie der Ermittler in der Serie heißt, dass der Konsum eines Jointes durchaus zu Erkenntnissen im Rahmen einer Ermittlung führen kann oder die Wahl des Sets im verfallenen Märchenland. Sehr nett auch der Aktenordner im Regal mit der Aufschrift ACAB. Fotografisch bemüht ambitioniert schleicht sich der Film durch die Zeit, versucht den teils absurden, teils unerträglichen Humor der Münsteraner Kollegen zu streifen und vergisst dabei so manch Logik. So ist der Dolmetscher zielsicher einer der Bösen und zufällig in den Fall verwickelt, obgleich es keinerlei Grund gibt, genau ihn auszuwählen. Aber womöglich ist er der einzige im Saarland, der arabisch und deutsch spricht. Obgleich Melinda großes Zutrauen zu Stellbrink hat, gibt sie zunächst keinerlei Hinweis darauf, dass die vermeintlichen Eltern gar nicht ihre Eltern sind – erst als wir uns dem Schlusspfiff nähern, erfolgt dieser. Und am Ende, als Melinda von den Verbrechern in Sicherheit gebracht wird, wird alles gut. Klar.

13 Kommentare

  1. pia

    ich bin nicht eingeschlafen, obwohl ich groggy war – das ist schon mal was.

    nach schlusspfiff, bzw. abspann war ich irgendwie sprach – und meinungslos. ich glaube ich hatte meine probleme, dass das ein tatort sein sollte. du hast das ziemlich gut beschrieben, parodie oder doch lieber ernsthaft?
    ich warte mal den nächsten ab. schaue mal, in welchem outfit der kommissar und lisa croft auftreten, wenn’s kälter wird. vielleicht wird aus lisa croft lisa peel!?

    übrigens, du hast den ACAB-ordner nicht erwähnt, den deine aufmerksamen augen entdeckt hatten :-)

  2. Beve

    stimmt, den bau ich oben noch ein :-)

  3. Herr Ärmel

    Ich würde gerne mal einen Tatort als gut gemachten spannenden Krimi – nicht mehr aber auch nicht weniger. Zum Jahreswechsel gabs drei auf einen Hieb, da schöpfte ich schon Hoffnung für dieses Jahr. Aber gestern Abend ist sie wieder verraucht…
    Deinen Post dazu finde ich sehr treffend

  4. Schnellinger

    Um mal ein wenig Lokalkolorit und Fußball hier rein zu bringen:
    Bei der ersten Verfolgungsjagd in diesem alten Vergnügungspark mit berühmten Bauwerken rennt Stellbrink kurz an einem vorbei was aussah wie ein Frankfurter Wahrzeichen das von auswärtigen Milliardärsöhnchen gerade unter Gesundheitsgefährdung der Arbeiter abgerissen wird. War nur ganz kurz (1-2s) zu sehen. Hab ich mir das eingebildet oder ist das noch jemandem aufgefallen?

  5. Beve

    ui, das ist mir entgangen.

  6. Beve

    cool, damit ist auch mein einstieg mit der relegation gerechtfertigt :-)

  7. Kine

    Ah, noch jemand, der die Staatsanwältin auch so entsetzlich fand wie ich :-)
    Mit etwas Klamauk im „Tatort“ kann ich persönlich als Fan des Ermittlerteams aus Münster ganz gut leben. Gestern war aber doch einiges arg an den Haaren herbeigezogen. Herr Striesow allerdings hat in meinen Augen seine Sache gut gemacht.

  8. Beve

    nuja, jedem anderen als striesow hätte man das gekasper nicht verziehen :-)

    • Schnellinger

      Mit dem Schweiger wird auf jeden Fall nicht so viel Nachsicht geübt.

      Der Striesow bekommt jedenfalls eine zweite Chance, ich stemple auch Eintracht-Neueinkäufe nicht nach dem ersten durchwachsenen Spiel ab.
      Gefallen hat mir übrigens Frau Müller „Dem paßt doch schon seit 30 Jahren nichts mehr…“ Beste Charakterisierung eines Lederhutes ever.;-)

  9. Beve

    yo, die war unterhaltsam, in der tat. und klar ist devid striesow ein toller schauspieler. herr schweiger weniger. aber im tatort bis du sklave des rahmens. ma gugge.

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