Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

I am going, I am going … Die Pogues in Köln

Last night as I slept
I dreamt I met with behan
I shook him by the hand and we passed the time of day
When questioned on his views
On the crux of life’s philosophies
He had but these few clear and simple words to say

Manchmal schließt sich der Kreis auf seltsame Art und Weise. Neulich waren wir auf einem Festival auf der Loreley. Und diese liegt bekanntlich am Rhein. Und über jene Loreley gibt es einen Song von den Pogues. Und jene Pogues gaben am 7. August ein Konzert in Köln. Und jenes Köln liegt bekanntlich am Rhein.

Dienstag morgen, der Tag beginnt gut. Der Golf springt nämlich an. Dies macht er seit geraumer Zeit nicht immer und wenn er läuft – lass ihn laufen. Ich hole Pia im Bahnhofsviertel ab, an der Messe vorbei geht es Richtung A66, die Tanknadel nähert sich den unteren Bereichen, somit heißt es Tanken mit laufendem Motor, der Liter für 1,62 – Unterwegssein will bezahlt werden. An der Tankstelle sitzen zwei junge Menschen, in der Hand ein Schild mit Düsseldorf or next Gas Station, die beiden machen einen netten Eindruck, wir nehmen sie mit, verstauen die Rucksäcke im Kofferraum. Bis nach Amsterdam geht unsere Reise zwar nicht – aber bis kurz vor Köln ist ja auch ein gutes Stück.

I am going, I am going
Any which way the wind may be blowing
I am going, I am going
Where streams of whiskey are flowing

Rauf auf die A3, unsere Mitreisenden kommen aus Portugal, der Versuch, von dort zu trampen war fehl geschlagen, der Flieger brachte sie nach Frankfurt – und nun Daumen im Wind. Seit zwei Stunden hingen sie an der Tanke fest, nun endlich die richtige Richtung. Der Golf schnurrt, die Pogues musizieren, die Autobahn ist frei.

I have cursed, bled and sworn
Jumped bail and landed up in jail
Life has often tried to stretch me
But the rope always was slack
And now that I’ve a pile
I’ll go down to the chelsea
I’ll walk in on my feet
But I’ll leave there on my back

Wir bringen die beiden nicht ganz nach Köln, an der Raststätte Siegburg halten wir an, dort ist die Möglichkeit, einen Anschlusslift in die Niederlande zu bekommen wahrscheinlicher, urlaubende Landsleute mögen noch ein Plätzlein frei haben. Wir verabschieden uns und wenige Kilometer später rollen wir in Köln ein. Da das Konzert im Tanzbrunnen ist, also auf der rechtsrheinischen Seite halten wir die Augen nach einem Parkplatz offen – in Köln ein schwieriges Unterfangen, auch in Deutz. Es gibt so gut wie keine öffentlichen Stellflächen, entweder Anwohner oder Parkschein. Wir gondeln ein paar Meter durch Deutz, landen am jüdischen Friedhof und entdecken dort tatsächlich eine freie Fläche. Der Golf wird hier bleiben, wir stellen den Motor ab – nun bleibt die Hoffnung auf den Abend und den guten Willen des silbernen Wagens.

Because I am going, I am going
Any which way the wind may be blowing
I am going, I am going
Where streams of whiskey are flowing

Es ist noch keine 14 Uhr, Zeit zum Marschieren. Das Wetter meint es gut mit uns, es regnet nicht. Über die Deutzer Brücke geht es vorbei am eingestürzten Stadtarchiv Richtung Chlodwigplatz – und immer wenn ich dort bin, fällt mir das Lied Bahnhofskino von Bap ein, wie ich damals in meinem Jugendzimmer lag und auf ein Leben träumte, das angst- und verheißungsvoll noch vor mir lag. Große Welt: Die Straßenbahn am Chlodwigplatz.

Oh the words that he spoke
Seemed the wisest of philosophies
There’s nothing ever gained
By a wet thing called a tear
When the world is too dark
And I need the light inside of me
I’ll walk into a bar
And drink fifteen pints of beer

Später bei Habibi die Falaffel, runter durch die Fußgängerzone zum mächtigen Dom, unfassbar die Bauleistung in einer Zeit in der der Mensch so klein und Gott größer als Geld schien. Weiter unten der Rhein, vom Bahnhof kommend die eiserne Brücke. ICEs schleichen darüber hinweg und unzählige Schlösser säumen den Zaun, Schlösser, welche die Liebenden einst dort anbrachten, Schlösser, die nun dem Wind und dem Wetter ausgesetzt sind, wie die Liebe und die langsam verrosten und verrotten – wie so manche Liebe, wenn man nicht aufpasst. Ich versuche aufzupassen.

I am going, I am going
Any which way the wind may be blowing
I am going, I am going
Where streams of whiskey are flowing

Auf der anderen Rheinseite wandern Konzertbesucher Richtung Tanzbrunnen, man erkennt sie an den ergrauten Haaren, den verwaschenen Tourshirts der vergangenen Jahrzehnte und an einer Flasche Bier in der Hand. Ich glaube, letztmals habe ich die Pogues Ende der Achtziger gesehen, damals bin ich extra aus München, wo ich für ein paar Wochen arbeitete, nach Frankfurt gefahren, besser nach Offenbach um noch in der gleichen Nacht nach Rosenheim zurück zu kehren. Als ich mitten in der Nacht  in der Pension ankam war alles verschlossen und es gab ein Mordstheater als ich klingelte. Damals war Shane McGowan ein junger dürrer Mann mit großen Ohren und merkwürdigen Zähnen. Ich war ein merkwürdiger junger Mann.

Neben dem Tanzbrunnen liegen die Rheinterassen, Strandkörbe mit Blick auf den Rhein und den Dom. Niemand jedoch tummelte sich dort in diesem Sommer, der eigentlich keiner ist. Wir spazierten zum Messegelände und dann zum Eingang zurück. Ohne großes Gedrängel gings auf das Gelände, Open Air. Mächtige Sonnenschutzschirme entwuchsen dem Boden vor der Bühne – selbst wenn es regnen sollte, blieben wir einigermaßen geschützt, das Bier zu vier Euro, der Becher mit Pfandmarke. Die meisten der Besucher hatten die Pogues wohl gleichfalls vor über zwanzig Jahren schon gesehen, ein Panoptikum der Zeit und ein Blick in die Gesichter verrät, dass jene Zeit uns alle in Beschlag genommen hat, uns gezeichnet hat und dennoch das Hier und Jetzt mit uns statt findet. Nicht jeder hat es bis hierhin geschafft. Eine Frau beschwert sich, als ich mich vor sie stelle, damit muss sie leben. Alte Oper geht anders.

Gegen halb acht geht es los; Straight to hell von Clash verkündet den bevorstehenden Auftritt. Go straight to hell boys, go straight to hellJoe Strummer hat selbst mit den Pogues gespielt, seit bald zehn Jahren schon hat er seinen finalen Zug genommen, wo auch immer er jetzt ist.

Und dann kommen sie, die Pogues, die seit 1995 keine neue Platte mehr veröffentlicht haben und es geht los mit Streams of Whiskey; der vordere Bereich fängt an zu pogen, Bierbecher fliegen (ohne Pfandmarken) und Shane Mc Gowan kommt wacklig auf die Bühne, leichenblass, begrüßt München, trinkt Gin und hält sich am Mikro fest. Ich bin nah dran, doch zu weit für meine kleine Kamera.

I am going, I am going
Any which way the wind may be blowing
I am going, I am going
Where streams of whiskey are flowing. (Streams of whiskey)

If I should fall from grace with god folgt und die Herren auf der Bühne versetzen die Besucher in Exstase, ältere Herren schubsen sich wie einst im Mai, Bierduschen und der ältere Herr in mir wippt grinsend mit. Pia lacht. Nach ein paar Songs verschwindet Shane von der Bühne – aber alles im grünen Bereich, Tuesday morning wird sowieso von Spider Stacy gesungen, dem Mann mit der Tin Whistle. Jedes Pogues-Konzert ist immer ein Best of … auch wenn natürlich nicht alles gespielt werden kann. Greenland Whale Fisheries, Sick Bed of Cuchulainn, Sally Mc Lenanne, Dirty Old Town, Sunny Side of the street – ein Song jagt den nächsten, Jim Finer am Banjo behält stoisch die Übersicht, James Fearnley bearbeitet sein Akkordeon, Andrew Ranken hinter den Drums, Philip Chevron an der Gitarre ebenso wie Terry Woods und am Bass Daryl Hunt – die Besetzung, die seit über zehn Jahren wieder tourt. Der Sound ist nicht all zu laut, manchmal klingt das ganze etwas wacklig – aber es passt zu Shane McGowan, dem tragischen Trinker mit der großen Poesie der Straße, der es aber bislang geschafft hat, den Weg straight to hell zu vermeiden. Gut sieht er nicht aus, aber er ist da, das zählt.

Nach nicht ganz einer Stunde ist der Auftritt zu Ende, aber die Jungs kommen wieder – und beenden ihren Auftritt in Köln mit dem grandiosen Fiesta. Die Musik geht an, Bühnenarbeiter beginnen mit dem Abbau, der Ausflug in die gegenwärtige Vergangenheit ist vorbei. Immerhin erstehe ich ein Tourshirt von einem fliegenden Händler, für 15 Euro ein Stück sichtbare rebellische Wildheit.  Zurück am Rhein wandern wir Richtung Parkplatz, die untergehende Sonne taucht Dom und Eisenbahnbrücke in ein Spätsommerlicht, der Golf steht noch – und er springt anstandslos an. Die nächtliche Autobahn ist wenig befahren, wir rollen zurück nach Frankfurt, auf den Lippen ein Lied und die Gewissheit im Hirn, dass es unser Leben ist, welches wir gerade leben.

On the first day of march it was raining
It was raining worse than anything that I have ever seen
I drank ten pints of beer and I cursed all the people there
And I wish that all this raining would stop falling down on me

And it’s lend me ten pounds, I’ll buy you a drink
And mother wake me early in the morning (Boys from the county hell)



22 Kommentare

  1. rotundschwarz

    Hatte auf einen Bericht gehofft – und da ist er ja :-)

    Der Tanzbrunnen in Köln an einem lauen Sommerabend ist ein schöner Ort für ein Konzert. Trotzdem haben wir uns nicht getraut, Shane noch einmal live zu zu hören und zu schauen. Vor drei Wochen, am Rande eines Bob-Konzerts, hat mir jemand vom letztjährigen Pogues-Konzert in Berlin erzählt und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sollte nicht mehr daran rühren.

    Joe Strummer. Großartiger Joe Strummer. 10 Jahre ist er jetzt schon tot, unglaublich. Mir ewig unvergesslich als wir vor ein paar Jahren den wundervoll-anrührend-wilden Dokumentarfilm über ihn im Kino gesehen haben. The Future is unwritten. Er lief nur eine Woche, wir dachten, es wäre knackevoll am letzten Tag. Und wir waren die einzigen, wirklich und wahrhaftig einzigen Zuschauer in einem großen, großen plüschigen Kino mit Riesenleinwand. Wir setzten uns auf die Empore – es war ein fast unwirkliches Erlebnis.

    „Guess what? Shane MacGowan is still alive.“ Oder um es mit Joe Strummer zu sagen und zu singen: “And something in my soul – it’s always Rock and Roll.“

    Danke fürs Mitnehmen!

    Lgk (nein, ich bin nicht auf dem Weg nach Holland ,-)

  2. Beve

    erstaunlich, wie manchmal die schönen dinge für einen alleine bleiben und die schlechten überfüllt sind – selten genug (wg strummer)

    der ausflug hat sich allemal gelohnt, auch wenn vergangenes vergangen ist. straight to hell …

  3. Fritsch

    Unterwegs sein kostet zwar aber es bildet auch die Daheingebliebenen. Leben will ich sehen, wenn ich in die Gesichter sehe. Leben will ich spüren, wie Musik in meinen Ohren, wie Benzin im Blut.

    And hell is place I wanna know well. Vielen Dank, Beve!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

  4. Ulrich

    Staight to hell gefahren ist das hinterteil unseres italieners aus brasilien down to the ground where the dead car`s go am di. Abend in Ffm klar der unfallschuldige hatte OF als kennzeichen nur klein der trost die heutige 4te niederlage des selbsternannten aufsteigers, wir hätten wohl lieber nach Pogues fahren sollen. Aber auch wir wollten nicht im vergangenen rühren wußten wir doch unseren Hofberichterstatter in Hell`s Ditch
    Danke dafür

  5. Beve

    oh, hoffentlich ist euch nichts passiert. was heißt eigentlich „ditch“ genau? wäre dankbar über eine antwort.

    good luck

    beve

  6. Herr Ärmel

    Dein poetisch stimmungsgeladener Bericht ist klasse! Vielen Dank dafür.
    Sonnige Grüsse vom Schwarzen Berg

  7. Ulrich

    Zum ersten mal gehört habe ich den Zusammenhang Hell`s Ditch natürlich bei den Pogues
    Kann aber wohl auf verschiedenes angewendet werden, auf uns, die wir unverletzt überlebt haben, das die verbeulte karre im Graben gelandet ist zur Hölle. (Ja von einem Fahrzeug mit Kennzeichen aus unserer Lieblings Nachbarstadt mit einem kräftigen Bums weggerammt!)
    Auf euch nach Köln gereiste die ihr euch vielleicht den Dämonen der Vergangenheit gestellt habt also selber in hells ditch wart oder hineingekommen wäret, ein schlecht aufgelegter Shane Mc Gowan hätte mich in länger anhaltende Depressionen gestürzt .
    Kann aber auch alles ganz anders sein !
    Auf der Pokal Karte für Aue sind zwei geballte Fäuste drauf abgebildet …

    • Beve

      letztlich hat sich der ausflug gelohnt, durch geschichten und bilder wusste ich ja um mcgowans zustand, und es war nicht schlimmer als befürchtet. aber auch die anderen helden waren es wert, sie zu hören.

      hells ditch = höllengraben. ok.

  8. ThorstenW

    … das ich bei Dir noch mal was über meine immer noch Lieblingsband BAP lesen würde ;-)

    Danke schön !

    • Beve

      oh bitteschön. anfang der achtziger fand ich bap klasse, nach der „zwesche salzjebäck“ aber ist mein interesse erloschen. von zeit zu zeit jedoch ist eine dosis bap durchaus angenehm :-)

  9. ThorstenW

    Ich schaue mir die Jungs am 24. Aug in Hanau im Amphitheater mal wieder an.

    • Beve

      na, dann viel spaß dabei. herr niedecken ist ja wieder fit.

  10. Ulrich

    Nächstes Jahr geh`s nach Clisson auf`s Hellfest 21. bis 23. Jun 2013

    Recherchiert habe ich ohne Erfolg die gekreuzten Arme mit den geballten Fäusten die auf ticket und Home Page von Aue zu sehen sind, weiß jemand was? K. hat schon angst dass es Haue in Aue gibt, konnte sie nur mit einem Abstecher nach Bamberg, überreden mitzufahren.

    Die Geschichte vom real hellsditch die ich in den 80zigern in Irland erlebte erzähle ich Dir mal im Gästeblock in der halbzeitpause.

    • Beve

      nehme an, die wurden aus den beiden gekreuzten hämmern :-)

  11. Ulrich

    Nimmst richtig an, ich habe in Aue auf der Geschäftstelle angerufen ,gefragt und als antwort erhalten das so das alte Wißmut logo symbolisiert wird die gekreuzten Hämmer es kein aufruf zur gewalt ist und wir Eintrachtler am sonntag Herzlich willkommen seien.

  12. Beve

    sehr gut, ich halte die äuglein offen, wo du steckst.

  13. Die Beine von Jessica

    hi ihr zwei.

    oooch – leider hab´ ich euch nicht gesehen, obwohl ich ungefähr auch da stand, wo dein foto entstanden ist.
    bei tanzbrunnen-konzerten ist das zwangseise immer so – schluss spätestens um 22:00 uhr und dezibel-limitation.

    bis neulich & greetz,
    die beine von jessica

    am 25.9. sind wir zu unserem spiel gegen dortmund in ffm. vorher am montag gehts ins „bett“ zu den fehlfarben. merkwürdige leute aus düsseldorf. die waren ebenfalls 1980 schon am start…

  14. Beve

    an dich habe ich auch gedacht, wäre lustig gewesen. in unserem alter ist es ja manchmal ganz gut, wenn die dezibel den ohren angemessen sind :-)

    fehlfarben klingt gut. und dortmund wird versenkt …

  15. Die Beine von Jessica

    so sei´ es!

  16. Die Beine von Jessica

    greetz from kölle!

    musste eben an euch denken von wegen schöner musik/köln und schreibe es einfach mal hier hin:

    es gibt in köln ein konzert von neil young am 12. juli 13 und das ist idealerweise ein freitag und auch noch in der spielfreien zeit…

    wenn ihr geplant habt, neil zu besuchen, können wir uns gerne vorher im „lommi“ treffen. es kommen sogar noch vier andere nette leutz aus frankfurt dahin und zum konzert.

    vielleicht bis denne,
    stefan

  17. Beve

    ui, neil young ist natürlich ne nummer. ich behalts mal im hinterkopf und funke dann durch.

    viele grüße

    beve

  18. Die Beine von Jessica

    juut – dann schau(t) mal…

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  1. mackage canada

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