Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Abgeschabte Schönheit

Nachdem wir die Nacht in einem sonst unbelegten Appartementhaus in Lourinha verbracht und uns den Arsch abgefroren hatten, da es auch um diese Jahreszeit in Portugal recht kühl wird, setzten wir uns nach dem Frühstück in die Autos und rollten an den Atlantik. Von Zuhause drangen die Nachrichten durch: Gekas verkauft, Bell verletzt, Tzavellas freigestellt.

Ein erster Zwischenstopp brachte uns an den Strand von Peniche, dessen auffälligstes Merkmal eine Ansammlung von toten Meeresvögel war; in kürzester Entfernung zählte ich deren fünf. Weiter gings dann nach Sao Martinho do Porto, ein kleiner Ort an einer Bucht. Durch einen schmalen Zugang zwischen den Felsen strömt der Atlantik in die Lagune, Bootchen dümpelten in der glitzernden Sonne und wir ließen uns selbige bei einem Galao auf die Nase scheinen. Später wanderte ich an der Lagune entlang, vorbei an Restaurants und Bootsreparaturen, hockte mich auf die Steine, träumte aufs Wasser und hörte dazu Musik. Die Wellen schlugen leicht an die Felsen – ein Tag am Meer.


Guter Dinge trafen wir uns später und tuckerten weiter nach Leiria, immerhin stand um 18:15 die Ligapartie zwischen Uniao Leiria und Benfica Lissabon auf dem Plan. Bei einem Sieg hätte Benfica die Führung vor Porto übernehmen können. Mühelos fanden wir das Stadion in Leiria, wunderten uns aber, dass zwei Stunden vor Spielbeginn noch keinerlei Anzeichen eines Spiels zu sehen waren. Erinnerungen an Athen wurden wach – im letzten Jahr wurde das Spiel zwischen Panionios Athen und Skoda Xanthi ohne unserem Wissen um einen Tag verschoben, was zur Folge hatte, dass einige von uns den Kick nicht sehen konnten. Schnell stellte sich heraus, dass Uniao Leiria seine Heimspiele einige Kilometer entfernt in Marinha Grande austrägt, da das städtische Stadion, schick umgebaut zur Euro 2004, für den Verein zu teuer ist. Das ist in etwa so, als würden die Kickers in Sprendlingen spielen.

Wir durften einen Blick ins Innere des bunten Estádio Dr. Magalhães Pessoa werfen, wo linker Hand anstelle einer Kurve eine bunte Wand das Bild beherrschte. Über das Stadion hinaus fiel der Blick auf eine Burg, die majestätisch über der Stadt thronte. Wir aber machten uns zügig auf und erreichten Marinha Grande nach wenigen Kilometern. Der kleinen Karavane folgend erreichten wir bald das dortige Stadion und konnten umsonst genau davor parken. Es schien, als seien nur Fans von Benfica unterwegs, kaum jemand gab sich als Anhänger der Heimmannschaft zu erkennen – eine frappante Ähnlichkeit zu einem Heimspiel in Bornheim sagen wir gegen den 1. FC Kaiserslautern.

Auf einem Nebenplatz kickten zwei Frauenmannschaften derweil wir uns um Karten kümmerten. Da sich  im Norden eine größere Menschenmenge tummelte, marschierten wir Richtung Süden, wobei die Mannschaftsbusse inmitten der langsam untergehenden Sonne das Stadion erreichten. Die Stimmung war friedlich, Flutlichtmasten ragten in den blauen Himmel und überall dominierte das Rot von Benfica. Wir waren schon kurz davor, uns bei einem Schwarzhändler mit Tickets einzudecken, als wir realisierten, dass es noch genügend Karten an der Abendkasse gab – das Stück zu zwanzig Euro und so hielten wir binnem kurzem 10 Tickets in der Hand. Natürlich mussten wir zurück in den Norden, was allerdings kein größeres Problem darstellte.

Die einen tranken ein Schöppchen, anderen futterten Bifanas und beizeiten enterten wir das Stadion und suchten unsere Plätze, die jedoch nicht numeriert waren. Die Gegentribüne, unsere Heimat, war schon fast komplett mit Benficafans gefüllt, ebenso die Kurven, nur in und um der spärlich besetzten Haupttribüne tummelten sich die wenigen Einheimischen. Das Stadion war im Grunde ein besserer Sportplatz, die Gegengerade durch einen Maschendrahtzaun von Laufbahn und Spielfeld getrennt und geschätzte 15.000 Zuschauer dürften hier insgesamt Platz finden – die aber nicht alle hier waren. Wir hatten Glück und fanden noch zehn Plätze in einer Höhe, in der wir auf der Stahlrohrtribüne über den Zaun schauen konnten. Während sich die beiden Mannschaften auf dem Platz warm machten, schepperten aus den Lautsprecher die Flock of Seagulls mit I ran und sogar die Smiths – What difference does it make; ein großartiger Song. Das Bier war alkoholfrei, die Stimmung entspannt, während die Sonne wortlos einem vollen Mond Platz machte.

Los ging’s, es dauerte jedoch ein Weilchen bis ich merkte, dass nicht Benfica sondern Leiria in roten Hosen spielte. Erst als die schwarzgoldenen eine Chance versemmelten und die komplette Tribüne aufstöhnte war ich im Bilde. Schnell wurde klar, dass die Heimmannschaft hier wenig zu bestellen hatte. Leiria kämpfte zwar, hatte aber gegen die spielerisch beschlageneren Hauptsstädter im Grunde  keine Chance. Mit 0:1 waren sie zur Pause noch gut bedient.

In der zweiten Halbzeit bot sich das nämliche Bild, Leiria brachte bis auf eine einzige Chance gar nichts mehr zu Stande während Benfica völlig zu Recht noch drei blitzsaubere Tore erzielte. Ein paar mal schwappte ein LaOla durchs Rund, ein paar Fackelchen wurden von den günstigeren Plätzen gezündet – ansonsten erlebten wir einen relaxten Kick mit einem verdienten Sieger. Höhepunkt war vielleicht das Hinterlassen eines Aufklebers der Eintracht auf einem Sitz. Einzig der Geruch von verbranntem Holz lag in der Luft, es werden die Dämpfe der wenigen Heizöfen in der Stadt gewesen sein.

Durch die Dunkelheit rollten wir weiter und fanden einige Kilometer entfernt in Nazaré an der Strandpromenade ein Restaurant, welches eine reichhaltige Speisekarte offerierte und uns somit unser letztes Abendmahl in Portugal. Das Meer rauschte in die Nacht, oben in Sitio blinkten die Lichter und uns wurde Caldeirada oder Reis mit Meeresfrüchten serviert bis auch der Letzte satt und zufrieden seinen Bica trank. Anschließend ging’s zur finalen Übernachtung.

Groß war die Überraschung, als wir unsere Unterkunft sahen und noch größer, dass aus den fünf Doppelzimmern ob der Doppelbetten dann doch 10 Einzelzimmer wurden – mit Betten groß wie die Feundlichkeit der meisten Portugiesen. Als ich mein Fenster öffnete, rauschte der Atlantik nur wenige Schritte entfernt, es war ein Traum. Ich ließ das Fenster die ganze Nacht trotz rechter Kälte offen und blickte auf das Wasser, die Sterne und die Felsen und blieb bis in die Puppen wach und sah aus dem Fenster. Drei Stunden später klingelte der Wecker (Ihr wisst: Enjoy the silence), der Mond versank im Atlantik, während die Sonne von Osten herauf marschierte. Ich marschierte mutterseelenallein an den Sandstrand, dachte an Pia, die brav zu Hause geblieben war und nahm langsam Abschied vom Meer und von Portugal.

Das Frühstück mit Meerblick war fein, die Anlage sah von innen mondän und von außen ganz so wie ich mich selbst manchmal fühle aus: leicht abgeschabt; nicht umsonst ist der Fado, der portugiesische Nationalsound geprägt von Melancholie und Sehnsucht, der Saudade inmitten der Schönheit und Freude.

Ein letzter Ausflug brachte uns an den westlichsten Punkt des europäischen Festlandes, zum Cabo da Roca. Unten toste der Atlantik, oben die Fotoapparate, ein letzter Eintrachtaufkleber wurde unters Volk gebracht, ein letzter Blick aufs Wasser und noch ehe wir uns versahen, saßen wir im Flieger von TAP Portugal und später in der Bahn Richtung Borneim-Mitte. Am Günthersburgpark stand jemand suchend mit Karte und Handy, ein durchaus vertrauter Anblick in der Dunkelheit. Ich wies ihm den rechten Weg und klingelte nur wenig später bei Pia, die mir öffnete – das war schön. Hey, hier bin ich wieder und: obrigado Portugal, ich komme wieder.

4 Kommentare

  1. AndyRodgau

    Hey Beve. Meinst du nicht das ein paar Adler die
    Bormheimer bei ihrer Aufgabe gegen die Pfälzer unterstüzen würden. Mir kam es echt so vor als halte die Eintracht in Ober Roden ein Testspiel ab. Und das in der 1. Liga.

    Lg

  2. Beve

    ich war sogar beim fsv gegen lautern; die haben gemeinsam den aufstieg bzw klassenerhalt gefeiert :-)

    aber war schon ein interessantes erlebnis, so ein auswärtiges heimspiel quasi ohne heimfans, gell?

  3. Fritsch

    Weggehen ist schön, wenn man ankommen kann. Zuhause ist da, wo einem die Tür geöffnet wird.

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

  4. Beve

    Und das ist schön so :-)

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