Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Impressionen vom Spiel Japan vs Schweden

Der  Vorteil scheint eindeutig, dass der Aufenthalt im Stadion relativ chillig ist, sieht man einmal von den Massen von Security und Stewards ab, die dem geneigten Besucher eindringlich verdeutlichen, welchen Weg er zu gehen hat – und es gibt viele Wege, dafür hat die FIFA gesorgt. Unmengen von verschiedenen Einlasspapieren ermöglichen vom Rundgang um die Arena bis hin zum Logenplatz etliche Aufenthaltsgenehmigungen, dies muss natürlich kontrolliert werden. Ums Stadion herum mischen sich Japaner, Schweden, Deutsch-Japaner, Deutsch-Schweden und allerlei buntes Menschengewimmel, um dem Halbfinale der Frauenfußball WM beizuwohnen. Natürlich sind auch jede Menge Eintrachtler anwesend, manche schauen am Museum vorbei, das jedoch für die Öffentlichkeit verschlossen bleibt – sogar die Mitarbeiter müssen sich gesondert ausweisen.Wie schon beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Nigeria firmiert die Historie der Eintracht auch heute unter dem Titel: Museums Loge.

Auf Grund einer internen Veranstaltung habe ich das Glück, mich in einer Gesprächsrunde mit der ersten Schiedsrichterin Frankfurts, Helga Altvater, mit einer Fußballerin aus den Tagen, als der Frauenfußball noch verboten war, Heidi Herbst von den Franken 66, sowie mit der verletzten Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan und dem Herausgeber des Kicker Sportmagazins, Rainer Holzschuh, zu unterhalten. Und somit hatte ich mein Ticket für das Spiel gelöst .

Entgegen der Gepflogenheiten bei den Spielen der Frankfurter Eintracht nehmen wir – Pia ist natürlich dabei – Platz auf den teuren Sitzen der Haupttribüne. Es ist schon seltsam, gemeinsam mit 45.000 anderen ein Fußballspiel zu verfolgen, bei dem keine Mannschaft erkennbar angefeuert wird und das höchste der Gefühle ein paar Pfiffe gegen diejenigen sind, die die immer wiederkehrenden LaOlaWellen unterbrechen. Ich bin ja der Ansicht, dass LaOla aus den Stadien verbannt gehört – es sei denn, das ganze läuft unter Satire oder wird ausschließlich bei den raren wirklich ekstatischen Höhepunkten inszeniert. Bei der WM hat es den Anschein, als sorgen inszenierte Wellen für die Fernsehbilder, welche uns ausgelassenste Ausgelassenheit vorgaukeln wollen. Da stehen wir nun, wir Eintrachtfans. Keiner will uns haben, weil unser Auftreten manchmal arg ruppig ist und wir Anstand und Repekt vermissen lassen – aber die Alternative, die uns hier Fanseitig geboten wird sorgt zwar dafür, dass alles schön bunt und friedlich bleibt – aber das Ganze schmeckt schon arg nach abgestandenem PopCorn.

Ob das die fußballernden Mädels aus Japan und Schweden interessiert, dass weiß ich nicht – aber sie wollen beide ins Finale und geben ihr bestes. Die Schwedinnen führen nach wenigen Minuten mit 1:0, die Japanerinnen stecken jedoch keineswegs auf und kombinieren sich auf hohem Niveau in Richtung Ausgleich, der auch folgerichtig fällt. Als in Hälfte zwei gleich zwei Patzer der schwedischen Torfrau binnen fünf Minuten zwei blitzsaubere Treffer für die Töchter aus dem gebeuteltem Land ermöglichen, scheint die Partie gelaufen. Schweden findet kein Rezept, ihren Star Lotta Schelin in Szene zu setzen, auch die gegen die USA so starke Sara Thunebro findet nicht wirklich ins Spiel und so siegen die Japanerinnen völlig verdient mit 3:1 und ziehen ins Finale gegen die USA ein. Auffälligste Spielerinnen des Siegerteams waren neben der zweifachen Torschützin Nahomi Kawasumi und der unermüdlichen Antreiberin Homare Sawa die Nummer 15, Aya Sameshima, während bei den Skandinavierinnen niemand wirklich herausragte. Große Szenen gibt es zum Schluss, als die Unterlegenen von den Siegerinnen getröstet werden – man kennt sich ja: Sowohl Sara Thunebro als auch Jessica Langström spielen beim 1.FFC Frankfurt, zu dem auch Saki Kumagai wechseln wird. Immerhin, beide Teams werden die WM mit der maximalen Anzahl von Spielen abschließen.

Alles in allem war es ein buntes Spektakel mit vielen beteiligten Menschen und einem sehenswerten Fußballspiel. Aber wirkliche Fußballatmosphäre geht anders, das muss gesagt werden. Auch wenn Dauergepöbel, Bierbecherwurf und Kloppereien auch nicht zwingend dazu gehören müssen. Hier gibt es noch ein paar Bilder, demnächst sogar noch ein paar mehr.

 

 

3 Kommentare

  1. pia

    aah, der blick auf die taktiktafel japans … wenn das die us-girls spitz kriegen ;-)
    die la-ola scheint ein muss zu sein, unabhängig von toren oder anderen höhepunkten. das ist mir schon bei deutschland vs. nigeria aufgefallen, dass diese kurz nach anpfiff gestartet wurden.
    stimmungsmäßig war es wirklich sehr interessant, es gab momente, da war es komplett still im stadion. kein wunder bei einem überwiegend neutralem publikum. so was ist man von der eintracht nicht gewöhnt. halt doch, letzte saison gab es in der rückrunde etliche momente, die die fans sprachlos machten.
    es mögen ja viele den frauenfußball verdammen, langweilig war das gestern gebotene nicht und ich bin auch schon aufs finale gespannt.

  2. breadless

    cool … schön das ihr da ward und ich hier doch noch mal eine subjektive Einschätzung abseits der Fußballverband-/Bekanntemedien-/WM-Hype-Berichterstattung lesen kann!

    Die Beschreibung des Spielverlaufs hast Du ja schon sehr treffend wiedegegeben und so lass ich mal meine allgemeinen Eindrücke hier zurück:

    Mein Vater hatte sich ob des 4:2 der Heimmannschaft gegen Frankreich in Gladbach, welches er ursprünglich Besuchen wollte, ob des Geholzes gegen Nigeria aber dann doch davon absah, dazu entschlossen einen anständigen dreistelligen Betrag in zwei Halbfinalkarten zu investieren; O-Ton:“Ich bin jetzt über 60. Wann kann ich nochmal nen WM-Halbfinale in Frankfurt sehen?“ Es kam dann anders als er sich erhofft hatte, aber ich bekam dann 4 Stunden vor Anpfiff die Ansage des alten Herrn: „Wir gehen hin!“
    Wir saßen im „Stehblock“ der Gästemannschaften (bei Eintrachtspielen). Am Platz, dritte Reihe, eröffnete sich uns die bunte Bandbreite des Publikums:
    Hinter uns Mutter und 14-jährige, selbst Fußball spielende Tochter – beide am Spiel an sich interessiert mit leichter Präferenz für Schweden (wie mein Vater)– extra vom Bodensee angereist;
    links ein 55-jähriger Volunteer mit langer Bundesligastadionerfahrung ohne Präferenz;
    links vor uns der Frischpensionär mit langjähriger Kreisligakommentierungserfahrung – pro Japan, da die uns ja rausgeworfen haben und jetzt verdammt nochmal Weltmeister werden müssen (was ich ähnlich sehe);
    direkt vor uns das vom Event begeisterte sprachreduzierte Ehepaar, beide Ende 50 sowie im vollen Nationalmannschaftsornat;
    und
    rechts neben uns der raumgreifende und schalgewandete Arminia Hannover-Fan, der bei der WM, bis auf Frankeich, jede Mannschaft mind. einmal spielen sah.
    Alles in allem also eine Kombination an Umsitzenden die ein gerütteltes Maß an Fußballsachverstand vermuten ließen und diese Annahme auch nicht enttäuschten.
    Direkt am Anfang des Spiels hatte ich ein ähnliches Gefühl wie ihr: Ein Fußballspiel mit unklar bis keinen Fanblöcken. Und damit einhergehend am Anfang Selbstbespaßung des Publikums mittels Laola und allen Begleiterscheinungen. Allerdings war ich dann doch überrascht, dass das Stadion so voll ist (Mitten in der Woche, Scheißwetter, FIFA-Regulatorium). Und … szenenbezogene Reaktionen der Zuschauer! Mit zunehmender Spieldauer fand ich es durchaus erfrischend, und da hat der Spielverlauf beigetragen, dass die unmittelbare Lautstärkeentwicklung den einzelnen Aktionen geschuldet war und Selbstbespaßungsrituale abnahmen – das hab ich bei einem Herrennationalmanschaftsspiel auch schon noch viel öder und über 90 Minuten erlebt. Außerdem ist mir zum ersten Mal bewusst geworden wie viel SingSang die Kurve so während eines Eintrachtspiels „produziert“. Vermisst hab ich das nicht. Zudem fand ich es begeisternd wie die japanische Mannschaft das Spiel in der Breite angegangen ist und dass die Damen auch noch ein doch beachtliches Maß an Ballbeherrschung an den Tag legten. Dass dann Schweden versuchen musste ein Tor zu erzielen tat ein übriges.

    Alles in allem ein netter Fußballabend mit meinem alten Herrn, dass ich nicht missen möchte. Das hat alles in allem viel Spaß gemacht – vielleicht auch, weil ich es so nicht erwartet hatte :-)

  3. Beve

    danke dir für deinen erfrischenden bericht mit den sprengseln – von der einschätzung des geschehens liegen wir dicht beieinander. lustig ist die zusammensetzung der zuschauer; da war wirklich alles dabei :-)

    viele grüße

    beve

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