Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Heidenheim: Glück gehabt

Auswärts in Heidenheim. Nach den Spielen in Siegen gegen TUS Erndtebrück und in Schweinfurt nun also die dritte Fahrt zu einem unterklassigen Gegner im laufenden Pokalwettbewerb, Lospech für die Eintracht geht anders.

Eigentlich wollten wir ja mit dem Dacia nach Heidenheim, um dort nach dem Sieg zu übernachten. Doch das ausgesuchte Hotel hatte just in diesen Tagen geschlossen und auf eine optionale Winterschneefahrt nach Mitternacht konnten wir dann auch verzichten. Gut, dass es die Fanabteilung gibt, dort fanden wir einen Unterschlupf für die Fahrt und mussten uns keine weiteren Sorgen machen.

Die Abfahrt sollte um 13:30 (HBF) und um 13:45 (Stadion) sein, da ich jedoch um 11 Uhr einen Termin im Museum hatte, suchte ich einen Parkplatz an der Wintersporthalle, die alle belegt waren – bis auf die Option, durch einen fehlenden Poller direkt vor die Halle zu fahren. Da ich knapp in der Zeit war, nutzte ich diese Gelegenheit, mulmigen Gefühls schlich ins Museum. Wenn du nachts um drei ankommst und dein Auto ist eingepollert, ist das nicht so schön. Ergo schaute ich mir die Situation gegen 13:30 noch einmal genauer an – und prompt steckte der Poller wieder da, wo er hingehört, aber besser nicht sein sollte. Da ein junger Mann gerade wegfahren wollte, fragte ich ihn, wie er denn rauskommt. „Kein Problem, der Poller steckt nur,“ sprach er, schritt auf diesen zu, zog, und stellte fest, dass der Poller verschlossen war. Oha. Glück aber, dass der örtliche Pollerbeauftragte vor Ort war und uns gnädiger Weise raus ließ. Ich parkte dann in der Tiefgarage, Pia war schon am Bahnhof zugestiegen, und pünktlich wie die Maurer kam der Bus, ich stieg ein und los ging’s. Glück gehabt. 2010 sind wir ja mit dem Museumsteam nach Aachen gefahren. Wie jetzt auch, führte seinerzeit der letzte Weg des Fußballjahres pokaltechnisch zu einem Zweitligisten, die Eintracht stand mit 26 Punkten glänzend da und auch ein Sieg in Aachen war fest eingeplant. Kaum saßen wir damals in unserem von der Eintracht ausgeliehenen 9er-Bus, zeigte sich ein Riss in der Windschutzscheibe, wir hatten keine andere Wahl und mussten den Wagen wechseln. Das Ende ist bekannt, die Eintracht verlor im Elfmeterschießen – holte dann in der Rückrunde kaum noch Punkte und stieg sang- und klanglos ab. Nur wegen der Scheibe. Ich hätte es nicht verantworten können, wäre diesmal wieder etwas schief gelaufen …

Drei Busse schickte die Fanabteilung von Frankfurt aus ins Rennen, wir saßen in Bus 3, der von Kathrin organisiert wurde und blickten aus der ersten Reihe durch die große Windschutzscheibe. Zwei Fahrer wechselten sich ab, wir hatten genügend Zeit und rollten schnurstracks auf die Autobahn. Im Bus die übliche Mischung von Wahnsinnigen, die unter der Woche bei Winterkälte durch die Republik kutschieren, um dann in Heidenheim an der Brenz in der Kälte jungen Männern beim Kicken zu zu sehen. Eintracht Lieder pluggerten über die Lautsprecher, während wir Richtung Würzburg fuhren, um anschließend auf die A7 Richtung Heidenheim abzubiegen. Später lief dann über Bluetooth ein Lied von Helene Fischer, wir ließen den Verantwortlichen gefesselt auf einem Rastplatz zurück.

Direkt vor mir hing eine digitale Uhr. Sobald jemand auf einen „Stop-Knopf“ am Sitz drückte, sprang die Anzeige um und es leuchtete „STOP“ in roten Lettern. Da ich mir angewöhnt habe, alles mögliche zu fotografieren, drückte ich den Auslöser, doch statt „STOP“ las ich auf dem Bild nur „ST“. Das nächste Foto brachte dann „OP“. Kurz, ich drückte bestimmt 10 mal auf den Auslöser – und nie, wirklich nie, stand auf dem Foto das, was ich eigentlich fotografiert hatte. Gelächter der Umsitzenden über eines der großen Rätsel der Menschheit. Was ist das nur für eine Welt, ich der ich nicht „STOP“ fotografieren kann?

Später, auf der Rückfahrt, versuchte ich es erneut, aus der Hüfte, nicht lang gefackelt und: „OP“.

Ohne nenneswerte Störungen erreichten wir Heidenheim in der Dunkelheit, es war noch nicht mal sechs Uhr. Hinter uns lagen 300 km, ein längerer Stop (witzig) an einem Rastplatz inklusive Schneeballschlacht der Jugend und missratene Fotos. Wir gurkten durch Heidenheim, geprägt durch die Firma Voith, welche auch Namensgeber des hiesigen Stadions ist und rollten den Berg hinauf Richtung Spielort. Glatt und verschneit die Wege, unser Bus war einer der ersten, das Einparken ein Leichtes. Da standen wir nun in der Kälte am Waldrand, noch über zwei Stunden bis zum Anpfiff und weit und breit keine Schenke. Die Kälte kroch durch die Schuhe, peu a peu rollten die Busse an, die Großen, die 9-Sitzer, und mit der Zeit wurde das Parken immer komplizierter, jeder Zentimeter wurde genutzt. Überall bekannte Gesichter, Gude hier, Gude da – ich hatte Hunger und kalte Füße.

Über eine Stunde vor Spielbeginn enterten wir das Stadion, eine Wurst später standen wir oben in der letzten Reihe und harrten der Dinge, die nun kommen sollten. Auf dem Boden lagen orange-silberne Folien für eine geplante Choreo, emsige Jung-UFler drückten uns Zettel mit dem geplantem Ablauf in die Hand. Erstaunlicher Weise hatte ich Netzempfang, Twitter vertrieb die Zeit, bis mein Akku gefährlich absackte. Die übliche Stadionwerbung war komplett in DFB-Grün überklebt und lustiger Weise standen beim Warmmachen auf Heidenheimer Seite zwei Tore, wir hofften, in der ersten Halbzeit darauf spielen zu können, aber wie durch Zauberhand war dann später doch eines davon verschwunden.

Kurz vor dem Anpfiff begann dann das Choreospektakel, während die Mannschaften einliefen. Die Leute hielten die Folien in die Höhe, drehten sie später auf Zuruf um, eine Blockfahne wurde hochgezogen und urplötzlich war Silvester. Der Brauch will, dass vor dem Spiel mit Rauch- und Leuchtwerk die bösen Geister vertrieben werden, am End war das Spielfeld dermaßen in Nebel gehüllt, dass man nichts erkennen konnte, der Anpfiff verzögerte sich um ein paar Minuten – und da das Nichterkennen des Spielfeldes Teil der Folklore ist, wedelten von nun an über die Breite der Stehränge große Fahnen. Diese schützten uns vor dem nun folgendem Elend auf dem Rasen, welches wir nur rudimentär mit bekamen. Intoniert wurde durchweg traditionelles Liedgut, so: „Wir reisen durch die ganze Welt, um die Eintracht zu sehen“. Ehrlicher wäre: „Um die Fahnen zu sehen“. Der Block war natürlich rappelvoll, Stützträger standen nebenbei auch noch im Blickfeld – das war aber ganz sinnig, sonst wäre das Dach runter gefallen, was ja auch niemand will.

Bei Heidenheim standen mit Kraus und Titsch-Rivero zwei ehemalige Eintrachtler in der Startformation, der dritte, Theuerkauf, saß zunächst auf der Bank. Die Eintracht, in weißen Jerseys von links nach rechts mit Hrgota von Beginn an, Russ spielte für Abraham, Hasebe war auch mit dabei, während Chandler gänzlich fehlte. Wie auch immer, wir sahen ein Gewürge, wenn wir denn etwas sahen – und wir sahen ein Tor für Heidenheim, welches gnädiger Weise für ungültig erklärt wurde. Dafür wurde die Kurve immer wieder illuminiert, was ja gerade in der Vorweihnachtszeit für besinnliche Momente sorgt. Chancen hatte die Eintracht so gut wie keine – und das gegen eine Truppe, die in der Zweiten Liga auf Rang 15 steht und mehr Tore kassiert hat, als der 1.FC Köln.

Heidenheim wehrte sich tapfer, ein Klassenunterschied war nicht zu erkennen – und es kam, was kommen musste. Verlängerung. Genau das, was man so gar nicht braucht, wenn man im Winter 300 km von der Heimat entfernt in der Kälte steht. Und dann das 1:0 für die Eintracht. Boateng las das Spiel, bediente Wolf, der auf Gacinovic und endlich war der Bann gebrochen. Teile der Umstehenden rasteten aus vor Glück, ich nahm die Führung gelassen hin, eine Führung bei einem Zweitligisten ist das mindeste, was ich erwarte. Und während ich das alles so gelassen hinnahm, stand es 1:1. Schnatterer, ausgerechnet Schnatterer, flankte im Gegenzug und aus der Flanke wurde ein Tor und es zählte. Der Gedanke an Aachen erwachte zu neuem Leben. Aber ich hatte die Rechnung ohne Haller gemacht, der nach Vorarbeit von da Costa und Stendera zum umjubelten 2:1 für die Eintracht traf. Später stellte sich raus, dass Stendera knapp im Abseits stand, wäre ich Heidenheimer, würde ich mich ärgern, bin ich aber nicht – und somit war alles gut. Glück gehabt. In den letzten Minuten schwächelten die Gastgeber, in den allerletzten Minuten aber gab es nochmal zwei Ecken, der Torhüter lief mit nach vorne – doch die Eintracht Abwehr ließ keinen Treffer mehr zu. Mit Hängen und Würgen die nächste Runde erreicht, die Eintracht ist bei der nächsten Auslosung mit dabei – und wenn das Losglück uns weiterhin hold bleibt, so könnte das große Ziel, Berlin, vielleicht wieder erreicht werden. Natürlich murmelte jeder von Paderborn als nächstem Gegner, doch bedenket, dass die Eintracht beim dortigen SC noch nichts gerissen hat. Von daher wäre ein Heimspiel gegen Mainz eine schöne Sache. Nachdem der BVB in München gescheitert ist, ist ja Eintracht Frankfurt die Mannschaft, die nun die meisten Spiele im Pokalwettbewerb am Stück absolvieren wird. Und das soll möglichst lange auch so bleiben – aber diesmal bitte im Mai mit der Trophäe in den Händen. Ein drittes mal nach Berlin als Tourist braucht ja auch niemand.

Wir aber rollten mit unserem Bus Nonstop zurück nach Frankfurt, von Minute zu Minute wurde es leiser im Bus, die Gang war müde und erschöpft, die Fahrer machten ihre Sache hervorragend und brachten uns Punkt 3 Uhr zurück an die Wintersporthalle. Der Dacia stand auch noch in der Tiefgarage, die Nacht in Frankfurt war eine ruhige und so fielen wir todmüde in die Koje. War ja im End dann doch ganz lustig – trotz verkorkster Stopbilder. Aber man kann nicht alles haben.

 

3 Kommentare

  1. Fg-sge

    Örtliche Pollerbeauftragte, sehr schön:-)
    Ich les hier immer gern, lieber Beve, bitte in 2018 auch wieder!
    Pia und dir schöne Feiertage und ein gesundes Neues Jahr.
    P.S.: Das Spiel zog sich auch auf Sky wie Kaugummi, da ist doch en Bengalo oder die Riesenfahn vor der Nas unterhaltsam:-))

  2. Jürgen

    Klasse Bericht, ich habe kurzzeitig gedacht, ich wäre dabei gewesen- Gruß von einem der Dürener Jungs

  3. Simon

    Wie immer schöner Bericht, zum Abschluss des Jahres.
    Das ST – OP Rätsel kann ich glaube ich lösen: die kleinen Computer die solche Displays steuern schalten manchmal mangels Ressourcen Zeilenweise (in diesem Fall wohl eher: ST – OP weise) die Lichtlein an und aus. Wenn man das schnell genug macht bemerkt das das menschliche Auge nicht – die Kamera hingegen löst so kurz aus, dass auf dem Foto nur die eine Hälfte erleuchtet ist.

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