Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Dr. Klaus Gramlich und Matthias Ohms im Eintracht Museum

Die Präsidenten der Eintracht – sie waren bis 2000 maßgeblich verantwortlich für den Verein und auch den Profifußball. Für die 36. Veranstaltung der Reihe Tradition zum Anfassen hatten wir drei Gäste geladen, die bis heute für bewegte und bewegende Zeiten stehen. Da Rolf Heller wegen Krankheit absagen musste (wir wünschen gute Besserung) blieben noch zwei. Diese kamen auch und sorgten für einen hochinteressanten Abend im Eintracht Museum: Dr. Klaus Gramlich und Matthias Ohms.

Während draußen der Herbst in regnerischer Wucht Frankfurt im Griff hatte, so waren wir gespannt, was die beiden wohlbekannten Herren so alles zu berichten hatten. Das Museum war gut gefüllt und mit der üblichen Verspätung begannen wir unsere Zeitreise in der Gegenwart. Dr. Gramlich hatte das Länderspiel in Paris besucht und war glimpflich davon gekommen, einige gebrochene Rippen im Zuge einer leichten Panik beim Abgang hielten ihn jedoch nicht davon ab, über seine Zeit bei der Eintracht mit großer Geste zu erzählen. Aber auch Matthias Ohms kam zu Wort, leiser zwar, vielleicht sogar präziser – zwei Männer, die eine sehr unterschiedliche persönliche Geschichte geprägt hatte. Beide arbeiteten ehrenamtlich, beide hatten während ihrer Amtszeit ihre beruflichen Notwendigkeiten in Teilen ihren Mitarbeitern übergeben

Auf der einen Seite Dr. Gramlich, der die Eintracht quasi mit der Muttermilch aufgesogen hatte, obgleich er seinen Vater, den einstigen Nationalspieler und späteren Präsidenten Rudi Gramlich erst im Alter von knapp zehn Jahren kennengelernt hatte, als dieser aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Im Hause Gramlich war der große Fußball zuhause, Junior Klaus stand hinter der hauseigenen Bar am Tresen und belauschte die Gespräche der Großen, fuhr zuweilen gar mit Sepp Herberger im Auto. Vater Gramlich stand nicht nur in Diensten der Eintracht sondern drehte auch beim DFB am großen Rad und trieb nicht nur die Gründung der Bundesliga voran. Über den Verwaltungsrat wurde Klaus Gramlich schließlich währen der Saison 1982/83 Präsident der Eintracht – und folgte seinen Vater quasi auch zum DFB, verantwortlich für die Belange, die heute die DFL übernommen hat, die Interessensvertretung der Profivereine. In seiner Jugend war Gramlich jr nicht nur Mitglied in der Rugbyabteilung, sondern auch ein guter Skifahrer, der einige Titel einheimsen konnte.

Die Lizenzierung für die Saison 1983/84 begann holprig, die Eintracht hatte wie so oft keine müde Mark im Säckel, kurzfristig mussten Millionen aufgetrieben werden. In diesen Zusammenhang fällt auch die erste Begegnung unserer beiden Gäste. Matthias Ohms war 1967 in einem VW Käfer aus Hannover nach Frankfurt gekommen, um dort zunächst in einer Bank, später an der Börse sein Geld zu verdienen. Davon hatte er 1983 jede Menge und deshalb wurde er von Gramlich mit der Bitte um Hilfe für die SGE kontaktiert. Ohms, der bis dato mit Fußball nichts am Hut hatte, den Eltern war der Sport zu proletarisch und schickten den Nachwuchs zum Hockey, ließ sich Gramlichs Bitte durch den Kopf gehen, und beschied diese letztlich positiv. Eine Überweisung von einer Million DM sicherte der Eintracht die Lizenz und Ohms einen Platz im Verwaltungsrat, da er selbstverständlich die Kontrolle über das eingesetzte Vermögen behalten wollte. Er dürfte wahrscheinlich einer der ganz wenigen Menschen sein, die im Verwaltungsrat der Eintracht gesessen gelandet sind, ohne zuvor ein Spiel der Eintracht gesehen zu haben. Aber auch Gramlich öffnete sein Portemonnaie, um die Eintracht finanziell zu unterstützen – wie er betonte.

Die Lizenz für die kommende Saison wurde erteilt, war aber auch mit Auflagen verbunden: Unumgänglich erschien nun der Verkauf von Bruno Pezzey und Bum Kun Cha. Während Pezzey nach Bremen wechselte, zeigte der 1. FC Nürnberg großes Interesse an Cha. Da aber auch Leverkusen an Cha interessiert war, zumal Bayer in Südkorea ein Werk eröffnet hatte und Cha nicht zum Club wollte, ging es für die Eintracht darum, die Ablösesumme zu maximieren. Nürnbergs Präsident Roth bot knapp 1,4 Millionen, fixiert auf einem Bierdeckel. Mit diesem Bierdeckel setzte Gramlich Leverkusens Manager Calmund bei grüner Soße im Frankfurter Hof unter Druck, letztlich, so hieß es, wechselte Cha für 999.999 Euro und die Zusicherung zweier Freundschaftsspiele zur Werkself.

Damit hatten außer Charly Körbel die letzten Vertreter der goldenen Zeiten die Eintracht verlassen. Neuberger hatte seine Karriere beendet, Nickel kickte in Bern und Norbert Nachtweih schon länger bei den Bayern. Grabi und Holz waren auch schon Geschichte. Da Trainer Zebec gesundheitlich angeschlagen war und deshalb auch keinen Alkohol vertrug (was ihn leider nicht daran hinderte, den ein oder anderen zu viel zu trinken) sah sich die Eintracht unter Gramlich genötigt, ihn zu entlassen und Dietrich Weise an den Riederwald zurück zu holen. Ein tragisches Ende der großen Fußballkarriere des großen Branko Zebec.

Die Eintracht aber hatte keine andere Wahl, als auf die Jugend zu setzen, die Ära der Weise Bubis begann. 1984 wurde der Klassenerhalt erst in der Relegation gesichert, für Gramlich neben dem Pokalsieg 1988, dem bislang letzten der Eintracht, einer der großen Erfolge seiner Amtszeit. Unter Trainer Klaus Mank hatte der Nachwuchs einige Deutsche Meisterschaften an den Riederwald geholt. Mit Kraaz und Berthold, Falkenmayer und Uwe Müller, später Manni Binz und auch Holger Friz schickte sich die Jugend an, in die Fußstapfen der großen Helden zu treten. Letztlich konnten sie aber die großen Erwartungen nicht ganz erfüllen, die Eintracht dümpelte in den folgenden Jahren im unteren Mittelfeld herum. Dennoch können Berthold, Binz oder Falkenmayer auf große Karrieren zurück blicken und auch Armin Kraaz hätte sicherlich mehr Ligaspiele auf dem Buckel, hätte er seine Zeit in der Bundesliga nicht vorzeitig zugunsten einer Berufsausbildung beendet.

Als die Rede auf den damals ewigen Rivalen Kickers Offenbach kam, bekannte Gramlich, dass der einstige Kickers Präsident Klein, dem Hause Gramlich vorwarf, dass der Vater dafür gesorgt hätte, dass der OFC kein Gründungsmitglied der Bundesliga wurde und der Sohn als Mitglied des für die Lizenzierung der Clubs verantwortliche DFBs dafür, dass der OFC seiner Lizenz verlustig ging. Allerdings stellte Gramlich klar, dass weder er noch sein Vater eigenmächtig handeln konnten, zumal der OFC bei der Lizenzierung schlicht Fristen versäumt hätte, auch da ein Scheck über 850.000 DM nicht auf Bonitität überprüft werden konnte.

Auf Kriegsfuß stand Gramlich während seiner Zeit als Präsident mit der Abendpost Nachtausgabe, einer Frankfurter Zeitung, die das Treiben bei der Eintracht nicht ganz so boulevardesk wie die BILD begleitete – und nahezu zeitgleich mit Gramlichs ungewollten Abgang bei der Eintracht ihr Erscheinen einstellen musste.

1988 endete die Ära Gramlich als Präsident der Frankfurter Eintracht eher ungewollt. Zum Verhängnis wurde ihm der mangelnde sportliche Erfolg aber auch die (taktisch unglückliche und vielleicht nicht ganz ernst gemeinte) Ankündigung, die defizitäre Eishockeyabteilung schließen zu wollen. Betrat Dr. Gramlich die legendäre Mitgliederversammlung (als es zu Tumulten am Rednerpult kam und der legendäre Boxhieb auf das Haupt von Ordner Freddy Wegner in die Geschichte einging) noch als selbtsicherer Präsident, so verließ er sie am Ende abgewählt und traurig. Da es damals noch keinen Wahlausschuss gab, so konnte die Versammlung aus sich heraus den Präsidenten wählen. Auf Gramlich folgte Joseph Wolf. Dr. Gramlich aber blieb dem Fußball erhalten, nunmehr beim DFB.

Wenige Tage später begegneten sich Wolf und Matthias Ohms, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender im aktuellen Sportstudio. Dort unterstellte Ohms vor laufenden Kamreas dem staunenden Publikum dem gewählten Präsidenten, er habe Leichen im Keller. Die Rede war von den nunmehr legendären Bauherrenmodellen; Spieler der Eintracht bekam Verträge, so sie gleichzeitig auch einen Vertrag über einen Hausbau unterschreiben würden. Dessen Konditionen stellten sich als äußerst unvorteilhaft heraus, Spieler wie Cha oder Nachtweih hatten lange daran zu knabbern. Federführend war seinerzeit Vizepräsident Wolfgang Zenker, aber auch Wolf besaß intime Kenntnisse über diese Praktiken hieß es. Wenige Tage später trat Zenker zurück, eine erneut einberufene Mitgliederversammlung brachte Matthias Ohms als neuen Präsidenten hervor – der sich um das Amt nicht gerissen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Eintracht zwar den Pokalsieg 1988 in der Tasche, ihren herausragenden Spieler Lajos Detari jedoch nach Piräus verloren.

Detari, war 1987 überraschend aus Budapest zur Eintracht gewechselt. Der chronisch klamme Club hatte es geschafft, den besten Spieler Ungarns zu verpflichten – bis Caio und Martin Fenin kamen der teuerste Einkauf der Clubgeschichte. Mangels Masse hatte die Eintracht jedoch die Zahlungsmodalitäten über mehrere Jahre gestreckt, nur die erste Rate war nach Ungarn überwiesen. Nach Anfangsschwierigkeiten hatte sich Detari jedoch bei der Eintracht durchgesetzt und mit seinem Treffer gegen Bochum maßgeblich zum Titelgewinn 1988 beigetragen. Das Angebot, welches von Piräus gemacht wurde, konnte die Eintracht jedoch nicht ablehnen. Über 16 Millionen DM legte Piräus auf den Tisch, davon wanderten bis zu sechs Millionen direkt nach Ungarn, um die letzten noch ausstehenden Raten zu begleichen. Wie die Eintracht den verbleibenden Rest genau einsetzte, ist bis heute nicht ganz präziese zu klären, auch wenn das Publikum noch einmal forsch nachfragte. Ablösesummen, defizitäres Eishockey – übrig bleiben Vermutungen.

Die Ära Ohms begann also ohne Detari. Ohms gab im Gegensatz zu Dr. Gramlich unumwunden zu, dass er sportlich ahnungslos und auf Unterstützung angewiesen sei. Er betonte, dass er die Eintracht eher auf gesellschaftlichem Parkett repräsentierte, nützlich aber waren vor allem seine beruflichen Kontakte. Sportliche Verantwortung trug Bernd Hölzenbein, Schatzmeister war Wolfgang Knispel. Und dem Team gelang es, aus dem Abstiegskandidaten binnen kurzem einen Meisterschaftsanwärter zu formen. Jörg Berger ersetzte den glücklosen Pal Czernai und schaffte 1989 mit Ach und Krach den Klassenerhalt. Von nun an spielte die Eintracht va banque, wie Ohms betonte. Das Konzept, dass den Banken endlich wieder Geld entlockte, hieß: Mit hochklassigen Spielern – auch aus der Region Richtung Europa. Auf die Nachfrage, was der Preis des va banque Spieles gewesen wäre, gab Ohms unumwunden zu: Die Lizenz. Und auch die Eishockey-Abteilung der Eintracht wurde geschlossen. Die Existenz schwarzer Kassen war neben den Defiziten endgültig nicht mehr tragbar.

Aber das fußballerische Konzept ging auf: Uli Stein, noch unter Gramlich geholt, hielt den Kasten sauber, Falkenmayer kehrte aus Leverkusen zurück, Uwe Bein, gebürtiger Hesse, kam vom HSV, Charly Körbel kickte immer noch und Manni Binz gab den Libero. Mit Tony Yeboah kam ein Mann zur Eintracht, der die Diva eben noch beinahe in Liga zwei geschossen hatte und fortan verzauberte die Eintracht die Liga. Mit Jörn Andersen stellte die Eintracht erstmals den Torschützenkönig, Yeboah folgte ihm gleich zwei Mal, die Eintracht avancierte zum Bayernjäger Nummer eins, der Fußball 2000 war geboren, das Ziel Europa erreicht.

Ohms, der sich stets von der Mannschaft fernhielt und der sportlichen Kompetenz von Hölzenbein blind vertraute, hatte es geschafft, die Eintracht in erhoffte Regionen zu führen, auch wenn die schon sicher geglaubte Meisterschaft 1992 an jenem denkwürdigen Tag in Rostock leichtfertig verspielt wurde. Zu diesem Zeitpunkt dachte er über einen Rücktritt nach. Aber noch war die Eintracht im Geschäft, auch unter Toppmöller spielte die Diva lange um den Titel mit.

Matthias Ohms, der wie Gramlich häufig im Fokus des Boulevards stand, machte aus seinem Lebenstil keinen Hehl und führte die Eintracht in jene Regionen, von denen die Anhänger lange nur träumen konnten. Der schleichende Abstieg begann mit der Verpflichtung von Jupp Heynckes, der sich auch vom Präsidenten nicht in seine Arbeit hinein reden lassen wollte. Keine 10 Sätze hätten sie gewechselt und im Nachhinein bezeichnete Matthias Ohms dessen Verpflichtung als seinen größten Fehler. Wenige Wochen nach der Verpflichtung von Jupp Heynckes waren die Spieler Gaudino, Okocha und Yeboah zunächst Geschichte, und damit auch der finanzielle Wert der drei drastisch reduziert. Zwar wurde Okocha begnadigt, aber vor allem der große Tony Yeboah sollte nie wieder für Eintracht Frankfurt spielen. So hatte der Fußball 2000 ein jähes Ende gefunden, Heynckes Zeit am Riederwald neigte sich gleichfalls dem Ende entgegen und keine zwei Jahre später stieg Eintracht Frankfurt erstmals aus der Bundesliga ab. Und mit dem Abstieg endete auch die Zeit von Matthias Ohms als Präsident der Frankfurter Eintracht. Übrigens dürfte Uli Stein der einzige Spieler gewesen sein, der seinem Arbeitgeber eine Abmahnung geschickt hatte – aber das ist eine ganz andere Geschichte. Genau wie die Geschichte von Uschi Diehl, die 39 Jahre lang auf der Geschäftsstelle der Eintracht am Riederwald gearbeitet hatte – und von Paul Osswald bis Willi Reimann etliche Trainer kennen lernte. Der größte für sie aber war Dietrich Weise. Und mit dieser Meinung steht sie keineswegs alleine da.

(Fotos: Pia Geiger)

2 Kommentare

  1. Reber Horst

    Beve – sehr gute Nachschau für ein zeitlich begrenzten Eintracht-Leben mit Klaus Gramlich und Mathias Ohms. Beides Persönlichkeiten, die der Eintracht in oft stürmisch bis windigen Zeiten auf die Füße geholfen haben, aber die Standfestigkeit der Eintracht nicht für immer herstellen konnten. Immerhin muss man bemerken: Beide haben es verdient, dass sie in den Geschichtsbüchern der „Adler“ eine gebührende Beachtung finden. Beide haben geirrt, beide haben Gutes vollbracht. Wie das Leben halt so spielt. Aber es bleibt der Hinweis: Sie haben sich mutig gestellt – und Narben in Kauf genommen. Viele andere haben dies nicht als Beitrag leisten können, weil sie entweder gekniffen haben oder aber leise wieder zur Tür gegangen sind, um sie hinter sich dann auch zuzumachen. Und Beve war zweifelsohne, wie ich lese, ein exquisiter Moderator mit Kenntnissen und Gefühl für jede Gesprächssituation. Was bei Eintracht-Schlachtrössern oft recht problematisch ist, weil diese Positionen schon von vornherein sehr kritisch beäugt werden. Das war bei Achaz von Thümen, den ich früher ob seiner Sprache bewundert habe, nicht anders als heute. Aber grundsätzlich sollten die Adler wieder an Flughöhe gewinnen. Mir fehlt öfter mal ein Koordinator der vielen Möglichkeiten, die Eintracht Frankfurt doch letztlich oft unerkannt besitzt.

    • Beve

      Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen lieber Horst.

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