Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Schland vs Polen

Das Härteste war vielleicht die schlichte Tatsache, dass ich nunmehr zum dritten Male in drei verschiedenen Stadien eine Gedenkminute für Gerhard Mayer Vorfelder erlebt habe, das Größte aber der Moment, als wir zu dritt die Regenwalze von 1974 unter tosendem Applaus der knapp 50.000 ins Stadion geschleppt haben. Okay, es waren noch keine 50.000, das Stadion war noch fast leer und es hat auch niemand gemerkt, aber lustig war es dennoch.

Länderspiel – das heißt für uns ja meistens: Arbeit. Businessveranstaltung im Museum der Eintracht – so kam es auch, dass wir kurzerhand zum VIP-Bereich umdefiniert wurden; aber es war gar nicht schlimm. Der Kunde war wie immer freundlich, die Gäste unkompliziert und ein knapp einstündiger Talk zwischen Rainer Holzschuh und Heribert Bruchhagen durchaus unterhaltsam, sieht man einmal davon ab, dass ich unseren Vorstandsvorsitzenden bei Gelegenheit noch einmal fragen muss, was denn nun sein Highlight als Verantwortlicher diverser Clubs gewesen ist, die gegebene Antwort scheint noch ausbaufähig.

Länderspiele sind ja so eine Sache, wichtige Spiele dann noch spezieller. Überall Gewimmel und Gewusel, alles anders. Die Inszenierung von solchen Großereignissen lässt meist wenig Spielraum für Indvidualismus oder Kreativität, dies gilt für alle Bereiche. Es sieht aus der Distanz aus wie ein Fußballspiel, was es auf dem Platz dann durchaus ist. Auf den Rängen sieht das dann schon anders aus. Deutschlandfähnchen mit Werbeaufdruck, sündhaft teure und langweilige Choreographie, Cowboyhüte, Plastikgirlanden in schwarz-rot-gold, Kleiderordnung für Fahnenträger, dem Sponsor angepasst (Schuhe natürlich aus eigenen Beständen), alles ist geregelt und definiert, interessengesteuert, sauber, klinisch, leblos. Ich habe es ja nicht so mit Nationalstolz und solange kein Eintrachtler dabei ist, bin ich bei einem Freundschaftsspiel des FSV aufgeregter als bei solch Veranstaltungen. Länderspieleinszenierungen sind wie das Auftreten von Helene Fischer. Abwaschbar. Belanglos. Sorgen aber für gewaltigen Umsatz, worum es dann ja auch geht. Wer im Dienstleistungsbetrieb ein krumm liegendes Haar aufweist, gilt als Punk.

DIE MANNSCHAFT steht breit auf dem Bus der DFB-Elf. Ein künstlich kreierter Slogan, ebenso künstlich wie das Auftreten des Fanmobils des Fanclub der Mannschaft. Alles durchdekliniert toll. Tolltolltoll. Aber was soll ich mich aufregen, wir haben die Regenwalze ins Stadion geschleppt, jede Menge Polen hatten das Stadion geentert und während des Spiels ordentlich supportet, beim Tor durch Lewandowski sogar ein bisschen gefackelt. Die Deutschen? Buffdabuffdabuff – SIEG. Mehr geht nicht.

Wir standen in der Ostkurve und guckten uns das Ganze an. Flotter Fußball phasenweise, frühe Führung durch Müller und Götze, Can, der alte Frankfurter, erstmals dabei. Nach dem Anschlusstreffer war Polen dran, einmal Neuer, einmal Götze auf der Linie, Halbzeit. Unten im Museum kurzes Treffen, auf dem TV die Einblendung: Das UEFA-Reglement erlaubt keine Live-Übertragung im Stadion. So ist das hier: Erlauben und Verbieten, vermarkten und verblöden.

In Halbzeit zwei weiterhin munterer Fußball, auf dem Videowürfel dann auch die Einblendung: Das UEFA-Reglement erlaubt keine Live-Übertragung im Stadion. Okay, dann gucken wir halt auf den Platz. Beide Kurven forderten Lukas Podolski. Spät fiel dann das 3:1, wieder Götze, Buffdabuffdabuff – SIEG. Einwechslung Podolski. Abpfiff, Abmarsch.

Lustig dann der Abflug der MANNSCHAFT. Hinter dem Museum ist die Einfahrt für den Mannschaftsbus. Wenn die Eintracht spielt, können wir zwar einen Blick wagen, aber in der Regel wacht Security, dass Nichts und Niemand der sache zu nahe kommt. Nun konnte Pia unbehelligt zwischen den Kicker hindurchspazieren und unser auf Pappe gezogenenes Jogi Löw-Bild aus der Saison 81/82 vom Bundestrainer himself signieren lassen, was der Co-Trainer Thomas Schneider so lustig fand, dass er das Bild abfotografierte. Das war dann mal erfrischend unkompliziert. Anbei ein paar Bilder eines dann doch  interessanten Tages – es gab ja viel zu sehen, auch wenn nicht alles gefällt.

4 Kommentare

  1. Horst Reber

    Lieber Axel,
    es ist erfrischend, Dich heute wieder nach dem Länderspiel gegen Polen zu lesen. Es geht ja auch mal ohne Eintracht. Immerhin waren ja viele Frankfurter im Stadion. Du gehst ja hier flott mit einem sozialkritisch aufgerichteten Besen durch die Reihen. Ich mag das generell. Weil ich den ganzen Lobbyismus, der sonst die Federn gerne nutzt, nicht als Infoquelle vorziehe. Deine leise Kritik an der 3. „Verabschiedung“ von Mayer-Vorfelder kann ich allerdings nur mit Einschränkung nachvollziehen. „MV“ war fußballerisch in so vielen Funktionen, dass man auch 3 Gedenkminuten verkraften kann. Jetzt wo er sich für immer verabschiedet hat – Friede seiner Asche – tut er niemandem mehr weh. Auch nicht der Erinnerung an manchen etwas fragwürdigeren Auftritt als Vereinsführer oder als DFB-Grande. „MV“ hat absolut seine Verdienste. Ob einmal mehr oder weniger eine Gedenkminute, er hat selbst enorm viel Zeit für den Fußball und Fußballer geopfert. Sein Handicap war vermutlich meistens seine parteipolitische schwarze Heimat. In den Augen der normalen jüngeren Fußballfans sicherlich nicht gerne akzeptiert. Schon aus Prinzip und oppositioneller Tradition. Dort ist der Drall eher ein bisschen mehr links zu Hause. Deshalb musste er sich zu Lebzeiten auch manchen gellenden Pfiff in diversen Stadien bei der Nennung seines Namens anhören. Oftmals auch organisiert. Was „MV“ allerdings mit erstaunlichem Gleichmut hin nahm. Aber, so frage ich auch Dich als großen Szenekenner: Läuft in einem Fußballstadion nicht quasi jeder Vertreter der Politgarde Gefahr, ausgepfiffen zu werden? Ich habe „MV“ diverse Male interviewt und dabei feststellen können: Er redete nur ganz selten um den heißen Brei. Auch dann zeigte er klares Meinungsbild, wenn ihm seine Haltung eher Schatten als Licht brachte. Dafür mochte ich ihn und empfand dann auch Respekt. Seine sonstigen Auffälligkeiten betrachtete ich stets als sein Privatvergnügen mit Eigenverantwortung.

    • Beve

      Danke Horst, für deinen Kommentar. Ich hatte nunmal das Pech, gleich drei Mal einer Schweigeminute beizuwohnen, wobei – beim FSV? war es nicht sogar vier Mal? Egal. Im Einzelfall ist dies ja auch nachvollziehbar – und sicher hast du Recht: Das muss man aushalten können. Ich war ja auch still, wobei wie du sagst, GMV für mich auf der anderen Seite stand. Politisch, inhaltlich. privat hatte ich keinen Kontakt. Seis drum, es ist Geschichte.

      Ich glaube nicht, dass jeder ausgepfiffen wird – aber Ausnahmen sind in der Tat selten. Und ich glaube, dass die, die nicht ausgepfiffen werden die sind, die keinen Wert darauf legen, ihre Anwesenheit allen unter die Nase zu reiben.

  2. wib

    Nee, es wird nicht jeder ausgepfiffen.
    Im Normalfall ist auch im Waldstadion Schweigeminute Schweigeminute.
    Aber beim Besoffenen und ich habe in Erinnerung auch korrupten (muss jetzt net unbedingt stimmen ) MV 2 mal hintereinander? Erst bei uns (da war´s imho auch noch still) und ne Woche später in Stuttgart. Ja und dann nochmal im Waldstadion beim Länderspiel. Irgendwie kann MANN es auch übertreiben. Und Du Beve, hast ja wohl nochmal ne Schweigeminute beim FSV gehabt. Da war ich net, is net meine Baustelle. Ja geht´s noch???

    • Beve

      Ich hatte halt Pech – wg Stuttgart und DFB. Hätte die SGE ihr zweites Spiel beim HSV gehabt, wären es weniger. Aber es ist Vergangenheit :-)

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