Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Tatort des Grauens

Nein, damit meine ich nicht die Commerzbank-Arena, die von Traditionalisten noch immer Waldstadion genannt wird – obwohl sie außer dem Ort nichts mehr damit zu schaffen hat. Nicht die Optik und auch nicht den Geist. Im Waldstadion hat die Eintracht  1999 mit 5:1 gegen den 1.FC Kaiserslautern gewonnen, in der Commerzbank-Arena gegen den 1.FC Köln mit 0:2 verloren. Ich bin übrigens selbst einer derer, die bis dato aus Trotz Waldstadion gesagt haben, aber darum geht es gar nicht. Es geht tatsächlich um den Tatort. Sonntag. 20:15 Uhr. ARD.

Nachdem die langjährigen Kommissare des Frankfurter Tatorts Sänger und Dellwo in den Ruhestand verabschiedet wurden, erlebten wir nun eine Premiere. Nina Kunzendorf und Joachim Król hielten Einzug in Frankfurt und der erste Tatort mit diesem Paar wird nachhaltig in Erinnerung bleiben. Vor allem die Brüste der von Nina Kunzendorf gespielten Ermittlerin Conny Mey. Nachdem Andrea Sawitzki als Charlotte Sänger eher grüblerisch und geschmackvoll ausgestattet inszeniert wurde, entschieden sich die Macher für die Figur der Conny Mey für das genaue Gegenteil. Hübsche angeprollte Tussi mit künstlichen Fingernägeln und sprachlichen Feinheiten, Schnuckiiii. Joachim Król gibt den Miesepeter Frank Steier – das ist allemal interessanter als Jörg Schüttaufs Interpretation des eher farblosen Led Zeppelin hörenden Fritz Dellwo – Frankfurter Gesichter sind sie jedoch allesamt nicht. Warten wir die Entwicklung des Ermittler-Päärchens also ab.

Die Geschichte des Tatorts „Eine bessere Welt“ ist schnell erzählt. Der Sohn des Taxifahrers Sven Döhring (Justus von Dohnányi) liegt seit längerem im Sterben, er wurde von einem Auto angefahren. Die Ärzte plädieren dafür, die lebenserhaltenen Maßnahmen abzustellen, Döhring ist davon wenig begeistert. Er versucht -wie schon vor einiger Zeit- die Kommissare davon zu überzeugen, dass die vermeintliche Zeugin des Unfalls die eigentliche Verursacherin gewesen und zudem ein sexuelles Verhältnis mit dem damaligen Ermittler eingegangen sei. Da die Ermittlungen seinerzeit jedoch keinerlei Anhaltspunkte für diese Verdächtigungen gegeben hatten, wurde die Akte geschlossen. Nun scheint Döhring auf Rache aus. Den beiden Kommissaren ist die Sache nicht ganz geheuer und sie nehmen verdeckt und aneinander reibend die Ermittlungen zu Lasten eines anderen Falles auf.  Und es zahlt sich aus: Tatsächlich hat sich die Geschichte einst anders zugetragen, als es in den Akten vermerkt ist. Als der Sohn tatsächlich stirbt, spitzt sich die Situation zu.

Und damit sind wir bei den Punkten, die aus dem Frankfurter Tatort „Eine bessere Welt“ einen der schlechtesten Tatorts aller Zeiten machen. Es sind nicht die Akteure; es ist die Ästhetik, die Inszenierung und das Drehbuch. Mögen mich die Fachleute aufklären, das Bild sieht aus, als sei es mit einer billigen HD Videokamera gedreht worden.  Das kann man machen, keine Frage nur muss man sich der Wirkung bewusst sein. Wir sehen keine Tiefe, wir sehen schlichte Lindenstraßenoptik und dazu völlig verquer ein bisschen selektive Farbkorrektur, deren inhaltlicher Bezug entweder von mir nicht begriffen wurde – oder aber schlicht nicht vorhanden war. Sicher, wenn in einer Szene das Gesamtbild eher farbreduziert vermittelt wird, dann sieht ein leuchtend orangener Hubschrauber edel aus. Auch ein roter Golf. Aber weshalb?  Und weshalb innerhalb dieser Viodeoästhetik? Wir sehen nahezu die gesamten 90 Minuten ein seltsames stilisiertes Videobild. Vor Jahren gab es mehrere Tatort-Folgen mit Winfried Glatzeder, damals musste gespart werden. Das sah im Ergebnis ähnlich aus.

Zur Inszenierung fallen viele Fragen ein; so wird eine Szene gezeigt, in der das Opfer von einem markanten Wagen überfahren wird. Aber es gibt keinen Täter. Es interessiert auch niemanden, wer der Täter ist – und es interessiert niemanden, dass es niemanden interessiert. Die Straßen sind verschneit – aber auch hier kein Bezug zum Film, zu den Charakteren. Es ist halt Wetter in Frankfurt. Der Taxifahrer, der als optionaler Täter für anderes in Frage kommt, spaziert völlig unbehelligt – wie zuvor schon ein Bekannter einer Beteiligten – ins Polizeipräsidium. Beide finden sofort im Wirrwarr der Gänge die richtige Etage, das richtige Büro. Es gibt zwei Verletzte – nur das Schicksal des einen aber wird gezeigt. Das Halstuch einer Katze wird inszeniert – wir entdecken es wieder – das Schicksal der Katze aber wird nicht gezeigt. Es gibt eine seltsame Vorgeschichte innerhalb der Familie des Taxifahrers; für eine Mutter, die nicht am Tisch sitzt wird mitgedeckt. Wir können vermuten, sie sei tot – aber es wird nichts erklärt oder erzählt. Dass die vermeintliche Zeugin womöglich eine Teilschuld am Tod des Opfers trägt, scheint folgenlos zu bleiben.  Dass der Freund der Zeugin  ob der Verhältnisse heute so und morgen so reagiert, nun – so ist das Leben. Wie die Wandlungen aber motiviert sind, das erfahren wir nicht. Eine Unterhaltung zweier Kommissare kostet den einen den Job sowie die Ehe, das kann passieren. Denn natürlich lauscht die Gattin zufällig am Rande. Dass der Gefallene aber später tatsächlich am Krankenbett des anderen auftaucht; man kann es glauben – man muss es nicht. Die Arbeitsergebnisse eines anderen Falles werden von Meys Vorgesetztem angefordert. Da sich Mey an die Aufarbeitung des aktuellen Falles macht, gibt sie eine leere Arbeitsmappe ab. Auch dies hat keine Konsequenzen, ja es wird  überhaupt nicht weiter thematisiert. Es ist egal, wie so vieles egal ist. Außer den Klamotten von Conny Mey. Oder den künstlichen Fingernägeln. Oder das Dekoltee.

Eine Inszenierung des Grauens, für mich nahezu ein Musterbeispiel wie man auf gar keinen Fall einen Film präsentieren darf. Vergleichbar also mit der Eintracht an diesem Wochenende. Frankfurt am Ende. Hängen bleiben werden auf jeden Fall die Brüste der Conny Mey – obwohl sie im Film genau dies nicht machen. Immerhin.

18 Kommentare

  1. Jason

    Axel, ich fand den Tatort gar nicht so schlecht …
    Dass Conny Mey so rumläuft, war von Nina Kunzendorf explizit so gewünscht, war also keine originäre Idee vom hr laut taz-Interview mit ihr.
    Das mit der Katze ist mir auch aufgefallen, es schien so, als hätte man vergessen, dass der Tatort traditionell 90 Minuten läuft und nicht 140, so dass ein paar Handlungsnebenstränge nicht verfolgt werden konnten.
    Die Bildästhetik konnte ich, da ich nur per DVB-T auf der Dachterrasse geschaut habe, nicht ganz einordnen, fand es gerade am Anfang allerdings recht dunkel.
    Das „neue“ Polizeipräsidium hatte ich von aussen etwas anders in Erinnerung, laut Handyortung (das war allerdings sehr realitätsfern) war’s ja an der richtigen Stelle. ;-)

  2. alexander

    mmhh, @Jason: sooo unrealistisch ist die „schmutzige“ Handyortung leider gar nicht. google das mal…

    • Jason

      @Alexander: dass es da Dienste gibt, weiss ich. Aber ohne Bestätigung des Handynutzers und mit GPS-Ortung wie im Tatort einfach über eine Website?

  3. Andy

    Also der schlechteste Tatort war es mit Sicherheit nicht. Der Beste auch nicht. Fällt auch schwer, einen alten Schimanski-Fan zu begeistern. ;-)

    Aber: In der Frankfurter Realität gibt es auch Unfallflüchtige, die nie ermittelt werden, oder Katzen, deren Schicksal nie geklärt wurde. Weshalb soll das beim Tatort anders sein? Verstehe ich nicht. Wirklich nicht.

  4. Andi

    Moin Axel!

    Erstmal danke für eine, fast die einzige (habe nur quergelesen) vernünftige Stimme in dem, was mal Blog-G war!

    Vielleicht hab ich irgendwann mal wieder Gelegenheit, mich mit vernünftigen Leuten vernünftig über Fussball zu unterhalten.

    Zum Tatort:
    ich war begeistert! Sensationelle schauspielerische Leistungen! Tolle Charaktere! 100% Realismus kannst du in einem Film eh nicht erwarten, es sei den bei einem Dokumentarfilm (gestern auf Phoenix über „die Kriegstreiber von nebenan“ z.B., aber das will man nun wirklich nicht sehen oder hören!).

    Im Vergleich mit dem was sonst so an Tatort läuft, stach dieser durch die unspektakuläre Art heraus, und die Story war durchaus logisch konstruiert. Um den Unfallfahrer in der Corvette ging es zu Recht nicht. Die leere Aktenmappe war dramaturgisch durchaus begründet, wen interessiert, was nach Ende des Films aus der Sache wird?
    Dich natürlich, ok ;-)

    Es gibt Tatorte, eigentlich die meisten, die schalte ichg nach 10 Minuten aus, weil die Handlung dermassen hanebüchen ist, dass bei mir Fremdschämen einsetzt.

    Die besten Tatorte sind eh die Polizeirufe 110.
    „Wie ist die Welt so stille“ z.B., Edgar Selge kannst du auch ab und zu im hiesigen Schauspielhaus bewundern.

    Ich freue mich schon auf die nächste Folge aus Frankfurt!

    Viele Grüße
    Andi

  5. pia

    „Aber: In der Frankfurter Realität gibt es auch Unfallflüchtige, die nie ermittelt werden, oder Katzen, deren Schicksal nie geklärt wurde. “

    ja, aber dafür gibt es doch aktenzeichen xy ungelöst …

    nein, ich war auch nicht begeistert. alleine dieses video-gefühl ist nicht mein ding. war bei einem anderen tatort kürzlich ähnlich.

    ansonsten: ich bin mitten drin kurz eingeschlafen (hab ihn aber auch erst später geschaut, und das passiert mir sonst eher bei sabine postel).
    aber: ich geb dem team nochmal ne chance, denn die schauspieler mag ich. ich bin gespannt auf die nächste folge.

    • Andy

      Siehst Du, ich schaue xy nicht, so kann ich im Tatort prima damit leben.
      Das mit dem Video ist ein Stilmittel. Muss nicht gefallen. Mir ist es nichtmal aufgefallen… 8-)

  6. rotundschwarz

    Also, ganz ehrlich: Für mich ist ein „Tatort des Grauens“ schon allein die Tatsache, dass quer durch alle Wohnzimmer weit verbreitet Einigkeit darüber besteht, dass ein Sonntagabend aus „Tatort“ und hinterher „Anne Will“ besteht ,-) (Hab den Eintrag trotzdem – oder gerade (mer will ja schließlich wisse, was is) – mit Gewinn gelesen :-)

    lgk (konsequent Tatort-verweigernd)

    • Jahn

      ICh schaue fast jeden Sonntag Tatort. Nach 15 Minuten diesmal umgeschaltet. War sch….

  7. Beve

    so unterschiedlich können wahrnehmungen sein. gut kerstin, anne will geht gar nicht, tatort manchmal schon. einer der letzten tatorte aus ffm war grandios, als der täter sogar entkam und die sympathie dennoch auf seiner seite lag. das opfer mit morgenstern erschlagen.

    aber ehrlich, wenn der vater des opfers uns erklärt, dass der täter nicht gefunden wurde, mutet es seltsam an, dass er obgleich der wagen bekannt ist, nicht identifiziert wird. prinzipiell muss ein krimi ja nicht dem klassischen whodonit entsprechen, aber was macht dabnn die corvette im film – ein unauffälliger silberner golf wäre sinnig. mir gingen während des guckens tausend solcher fragen durch den kopf. natürlich verschwinden katzen, deren halstuch wird aber nicht zweifach inszeniert. schön: zweimal skyline aus hubschrauberperspektive.

    ähnlich wie pia ist meine nogo kommissarin sabine postel, auch superwoman furtwängler zerrt an meinen nerven. sawatzki mochte ich. natürlich auch den herrn börne und bei richie müller denke ich bis heute an die große flatter. mal schauen wie sich die beiden neu-frankfurter entwickeln, langweiliger als der kommissar mit der fliege dürfte es nicht werden. die hoffnung liegt indes auf einem gescheiten drehbuch. und mädel, zieh dir was an, du holst dir ja den tod :-)

    • Jason

      Axel, die Corvette kam ja erst in’s Spiel, als das Mädel die Wahrheit gesagt hat, ich habe es so verstanden, dass sie ursprünglich nicht gesagt hat, dass sie den Unfall gesehen hat, sondern nur das Unfallopfer.
      Und ob man nach einem Jahr diese Spur nochmal verfolgen wird, wissen wir nicht, da der Tatort ja vorher beendet war.
      Wie kann man aber auch so über die Andreas-Türck-Brücke rasen? ;-)

      • Nicole

        Ja, so habe ich es auch gesehen und verstanden. Das Mädel hatte ja immer gesagt, sie hätte den Jungen am Boden liegend gefunden, da war der Unfall schon lange passiert. Und eben darum hat man später (im Rückblick der neuen Schilderung) gesehen, was es für ein Auto war.

        Ansonsten:
        Ich fand den Tatort recht ungewöhnlich, ein bisschen beklemmend (dieser Vater-/Sohngeschichte) und auch spannend. Mir hat er gefallen und die Schauspieler, das neue Duo, fand ich recht gut. Bin jedenfalls auf den nächsten gespannt.

        Ich mag noch die Kölner ganz gern.

        Ich bin mit Tatort groß geworden. Eine der wenigen Sendungen, die meine Eltern überhaupt sahen. War mächtig stolz, als ich irgendwann mit vor’m (Schwarzweiß-) TV sitzen durfte… *seufz*

        Gruß
        Nicole

  8. Andy

    Vielleicht war es ja ein roter Golf III, aber das Mädel dermaßen besoffen, dass sie eine silberne Corviette gesehen hat. Mensch Beve, bist doch sonst nicht so phantasielos. ;-)

    Und wenn Du an den Typen mit der Fliege erinnerst, dann haben wir ja schon mal aus dem Stehgreif mind. ein Dutzend Tatorte, die unwidersprochen schlechter waren.

  9. Beve

    wow, ihr seid ja hartnäckig :-)

    der typ mit der fliege, yo das war verschnarcht. schimmi, das war einer.

    im übrigen habe ich beschlossen, dass die eintracht beim bvb gewinnt.

  10. Bernemer

    Das war schon erste Sahne wie die im Gang daher kam, einfach nur g..l.
    Wieso hat da keiner gepfiffen? Was war sonst noch auffälliges an dem Krimi?

  11. skffm

    Den „Fall“ fand ich etwas mau, aber in Summe glaub ich, daß könnte ein ganz gutes Gespann werden.

  12. Pedi

    Aus dem Part „Familiengeschichte“ wäre bei Folgendes geworden: Sohn will weg vom durchgeknallten Vater (wurde ja auch vom Turnerkollegen angedeutet), Vater überfährt deshalb Sohn. nur so hätten die Andeutungen Sinn gemacht. Habe danach aber gedacht: hm, muss ja nicht immer alles aufgelöst werden….
    Ansonsten: Ich mochte die Schauspieler, vor allem die Figur der Conny mag ich. Hätte ich vorher nicht gedacht. Freue mich auf den nächsten.

  13. Beve

    gepfiffen wird in frankfurt nur bei der eintracht :-)

    hab gehört, der nächste tatort wird vom gleichen regisseur gemacht. da bin ich jetzt erst recht gespannt …

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